aufstellen, als deren organische Einschlüsse, so kann die Zoologie wegen der ihr eigen angehörigen Aufgabe einer Geschichte des Thierreichs des eingehendsten Befassens mit ausgestorbenen Formen ebensowenig ent- rathen, als ein genaues Eindringen in die Natur der fossilen Formen ohne Beherrschung der vergleichend-anatomischen Einzelheiten mög- lich ist.
Das Thierreich bietet hiernach der wissenschaftlichen Betrachtung verschiedene Seiten dar. Anfänglich verbunden wurden sie später ein- zeln untersucht; es bildeten sich besondere Lehren. Diese sind dann sämmtlich eine Zeit lang getrennt gewachsen und haben ihre besondere Geschichte. Wie aber die aufeinanderfolgenden Versuche, die verschiede- nen einzelnen Thierformen in vollständige Systeme zu bringen, den jedesmaligen Stand des zoologischen Wissens in seiner Gesammtheit repräsentiren, wie die Kenntniß des thierischen Baues und der thieri- schen Form im weitern Sinne zur Entwickelung der thierischen Mor- phologie, die Kenntniß der geographischen Verbreitung der Thiere zur Aufklärung des Verhältnisses der Thiere zur Oberfläche der Erde und zu allem dem, was auf ihr sich findet, wie endlich das Bekanntwerden mit versteinerten Thierformen zu einem Einblick in den Zusammenhang der Thierwelten verschiedener Erdalter und dadurch zu einer Geschichte des nun wieder zur Einheit verbundenen Thierreichs führte, -- so sind diese verschiedenen Theile unseres Wissens von den Thieren eben nicht als unverbindbare, auseinander strebende Zweige, sondern als die zum Stamm einer einheitlichen Wissenschaft zusammentretenden Wurzeln zu betrachten.
Undankbar wäre es, sollte bei dem erfreuenden Blick auf die jetzige Ausbildung der Zoologie nicht der Hülfe gedacht werden, welche die Schwesterwissenschaften ihr geleistet haben. Nirgend wohl ist die Schwierigkeit, zäh eingewurzelten Vorurtheilen entgegenzuarbeiten, so groß als wo es sich um Erklärungen von Lebensvorgängen handelt, besonders wenn diese Vorgänge zu den immer noch räthselhaften, aber deshalb doch nicht als Wunder zu betrachtenden Gestaltungen führen, wie sie sowohl in der Entwickelungsgeschichte einzelner Thierformen, als in dem ganzen Bildungsgange der Thierwelt vorliegen. In nicht
Einleitung.
aufſtellen, als deren organiſche Einſchlüſſe, ſo kann die Zoologie wegen der ihr eigen angehörigen Aufgabe einer Geſchichte des Thierreichs des eingehendſten Befaſſens mit ausgeſtorbenen Formen ebenſowenig ent- rathen, als ein genaues Eindringen in die Natur der foſſilen Formen ohne Beherrſchung der vergleichend-anatomiſchen Einzelheiten mög- lich iſt.
Das Thierreich bietet hiernach der wiſſenſchaftlichen Betrachtung verſchiedene Seiten dar. Anfänglich verbunden wurden ſie ſpäter ein- zeln unterſucht; es bildeten ſich beſondere Lehren. Dieſe ſind dann ſämmtlich eine Zeit lang getrennt gewachſen und haben ihre beſondere Geſchichte. Wie aber die aufeinanderfolgenden Verſuche, die verſchiede- nen einzelnen Thierformen in vollſtändige Syſteme zu bringen, den jedesmaligen Stand des zoologiſchen Wiſſens in ſeiner Geſammtheit repräſentiren, wie die Kenntniß des thieriſchen Baues und der thieri- ſchen Form im weitern Sinne zur Entwickelung der thieriſchen Mor- phologie, die Kenntniß der geographiſchen Verbreitung der Thiere zur Aufklärung des Verhältniſſes der Thiere zur Oberfläche der Erde und zu allem dem, was auf ihr ſich findet, wie endlich das Bekanntwerden mit verſteinerten Thierformen zu einem Einblick in den Zuſammenhang der Thierwelten verſchiedener Erdalter und dadurch zu einer Geſchichte des nun wieder zur Einheit verbundenen Thierreichs führte, — ſo ſind dieſe verſchiedenen Theile unſeres Wiſſens von den Thieren eben nicht als unverbindbare, auseinander ſtrebende Zweige, ſondern als die zum Stamm einer einheitlichen Wiſſenſchaft zuſammentretenden Wurzeln zu betrachten.
Undankbar wäre es, ſollte bei dem erfreuenden Blick auf die jetzige Ausbildung der Zoologie nicht der Hülfe gedacht werden, welche die Schweſterwiſſenſchaften ihr geleiſtet haben. Nirgend wohl iſt die Schwierigkeit, zäh eingewurzelten Vorurtheilen entgegenzuarbeiten, ſo groß als wo es ſich um Erklärungen von Lebensvorgängen handelt, beſonders wenn dieſe Vorgänge zu den immer noch räthſelhaften, aber deshalb doch nicht als Wunder zu betrachtenden Geſtaltungen führen, wie ſie ſowohl in der Entwickelungsgeſchichte einzelner Thierformen, als in dem ganzen Bildungsgange der Thierwelt vorliegen. In nicht
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[7/0018]
Einleitung.
aufſtellen, als deren organiſche Einſchlüſſe, ſo kann die Zoologie wegen
der ihr eigen angehörigen Aufgabe einer Geſchichte des Thierreichs des
eingehendſten Befaſſens mit ausgeſtorbenen Formen ebenſowenig ent-
rathen, als ein genaues Eindringen in die Natur der foſſilen Formen
ohne Beherrſchung der vergleichend-anatomiſchen Einzelheiten mög-
lich iſt.
Das Thierreich bietet hiernach der wiſſenſchaftlichen Betrachtung
verſchiedene Seiten dar. Anfänglich verbunden wurden ſie ſpäter ein-
zeln unterſucht; es bildeten ſich beſondere Lehren. Dieſe ſind dann
ſämmtlich eine Zeit lang getrennt gewachſen und haben ihre beſondere
Geſchichte. Wie aber die aufeinanderfolgenden Verſuche, die verſchiede-
nen einzelnen Thierformen in vollſtändige Syſteme zu bringen, den
jedesmaligen Stand des zoologiſchen Wiſſens in ſeiner Geſammtheit
repräſentiren, wie die Kenntniß des thieriſchen Baues und der thieri-
ſchen Form im weitern Sinne zur Entwickelung der thieriſchen Mor-
phologie, die Kenntniß der geographiſchen Verbreitung der Thiere zur
Aufklärung des Verhältniſſes der Thiere zur Oberfläche der Erde und
zu allem dem, was auf ihr ſich findet, wie endlich das Bekanntwerden
mit verſteinerten Thierformen zu einem Einblick in den Zuſammenhang
der Thierwelten verſchiedener Erdalter und dadurch zu einer Geſchichte
des nun wieder zur Einheit verbundenen Thierreichs führte, — ſo ſind
dieſe verſchiedenen Theile unſeres Wiſſens von den Thieren eben nicht
als unverbindbare, auseinander ſtrebende Zweige, ſondern als die zum
Stamm einer einheitlichen Wiſſenſchaft zuſammentretenden Wurzeln zu
betrachten.
Undankbar wäre es, ſollte bei dem erfreuenden Blick auf die jetzige
Ausbildung der Zoologie nicht der Hülfe gedacht werden, welche die
Schweſterwiſſenſchaften ihr geleiſtet haben. Nirgend wohl iſt die
Schwierigkeit, zäh eingewurzelten Vorurtheilen entgegenzuarbeiten, ſo
groß als wo es ſich um Erklärungen von Lebensvorgängen handelt,
beſonders wenn dieſe Vorgänge zu den immer noch räthſelhaften, aber
deshalb doch nicht als Wunder zu betrachtenden Geſtaltungen führen,
wie ſie ſowohl in der Entwickelungsgeſchichte einzelner Thierformen, als
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/18>, abgerufen am 23.11.2024.
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