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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Die Zoologie des Mittelalters.
hältnisse nothwendigen Gesetzkunde. Es konnte aber doch die Unter-
suchung einmal angeregt hierbei nicht stehen bleiben, sondern bediente
sich der schon zugänglich gewordenen aristotelischen Methodik zur philo-
sophischen Dogmatisirung des neuen Glaubens. Damit verband sich
das Entstehen weiterer philosophischer Systeme, von welchen für die
Auffassung der belebten Natur besonders die folgenden Bedeutung
haben.

Der starre Fatalismus, welcher die Lehre des Islam in ihrer or-
thodoxen Form so scharf kennzeichnet, fand seine erste philosophische
Begründung durch El Aschari im zehnten Jahrhundert. Für die
Aschariten gipfelt sich Alles in der absoluten Unvereinbarkeit des Be-
griffes Gottes mit dem Begriffe der Welt. Letztere ist nicht bloß erst
geschaffen, sondern geradezu als bloße Emanation Gottes anzusehen; ihr
hängt also der Schein an. Kein Ding oder kein Atom der Substanz
kann länger als ein Zeitatom existiren, wenn es Gott nicht von Neuem
schafft. Ein Verhältniß von Ursache und Wirkung besteht nicht; die
Dinge stehen unverbunden nur durch Gottes Willen so nebeneinander.
Selbst Gott ist nicht Ursache der Dinge; dieselben sind nur seine
Schaffungen. Einem gesetzlichen Zusammenhange der Naturerscheinun-
gen von diesem Grunde aus nachzuforschen war natürlich unmöglich.

Eine vermittelnde Stellung zwischen platonischen und aristoteli-
schen Ansichten nimmt El Farabi ein, welcher gleichfalls dem zehn-
ten Jahrhundert angehörig durch die der neuplatonischen Emanations-
lehre gegebene Form der Astrologie ihre durch das ganze Mittelalter
dauernde systematische Gestalt gegeben hat78). Zwischen Gott als die

78) Auch der menschliche Verstand ist ein Theil des göttlichen thätigen Ver-
standes. Anfangs nur bildungsfähige Materie (intellectus possibilis) wird der
Verstand, wenn der Gedanke mit dem Gedachten eins wird, wenn wir in dem Ge-
danken die innere Form des Gegenstandes erfassen, gebildeter, geformter
Verstand (intellectus formatus). Lernen wir diesen Verstand bewahren und durch das Sy-
stem der Gedanken, bereichert mit andern Arten des Verständnisses, das
ganze Sy-
stem der Formen darstellen, dann wird es erworbener Verstand (intellectus adep-
tus
). Dies ist der Ursprung des Wortes Adept in seinen verschiedenen
Bedeutungen.
vergl. Ritter, die christliche Philosophie. Bd. 1, ein Werk, welches zu obiger, wie
der vorausgehenden Schilderung vielfach benutzt wurde.

Die Zoologie des Mittelalters.
hältniſſe nothwendigen Geſetzkunde. Es konnte aber doch die Unter-
ſuchung einmal angeregt hierbei nicht ſtehen bleiben, ſondern bediente
ſich der ſchon zugänglich gewordenen ariſtoteliſchen Methodik zur philo-
ſophiſchen Dogmatiſirung des neuen Glaubens. Damit verband ſich
das Entſtehen weiterer philoſophiſcher Syſteme, von welchen für die
Auffaſſung der belebten Natur beſonders die folgenden Bedeutung
haben.

Der ſtarre Fatalismus, welcher die Lehre des Islam in ihrer or-
thodoxen Form ſo ſcharf kennzeichnet, fand ſeine erſte philoſophiſche
Begründung durch El Aſchari im zehnten Jahrhundert. Für die
Aſchariten gipfelt ſich Alles in der abſoluten Unvereinbarkeit des Be-
griffes Gottes mit dem Begriffe der Welt. Letztere iſt nicht bloß erſt
geſchaffen, ſondern geradezu als bloße Emanation Gottes anzuſehen; ihr
hängt alſo der Schein an. Kein Ding oder kein Atom der Subſtanz
kann länger als ein Zeitatom exiſtiren, wenn es Gott nicht von Neuem
ſchafft. Ein Verhältniß von Urſache und Wirkung beſteht nicht; die
Dinge ſtehen unverbunden nur durch Gottes Willen ſo nebeneinander.
Selbſt Gott iſt nicht Urſache der Dinge; dieſelben ſind nur ſeine
Schaffungen. Einem geſetzlichen Zuſammenhange der Naturerſcheinun-
gen von dieſem Grunde aus nachzuforſchen war natürlich unmöglich.

Eine vermittelnde Stellung zwiſchen platoniſchen und ariſtoteli-
ſchen Anſichten nimmt El Farabi ein, welcher gleichfalls dem zehn-
ten Jahrhundert angehörig durch die der neuplatoniſchen Emanations-
lehre gegebene Form der Aſtrologie ihre durch das ganze Mittelalter
dauernde ſyſtematiſche Geſtalt gegeben hat78). Zwiſchen Gott als die

78) Auch der menſchliche Verſtand iſt ein Theil des göttlichen thätigen Ver-
ſtandes. Anfangs nur bildungsfähige Materie (intellectus possibilis) wird der
Verſtand, wenn der Gedanke mit dem Gedachten eins wird, wenn wir in dem Ge-
danken die innere Form des Gegenſtandes erfaſſen, gebildeter, geformter
Verſtand (intellectus formatus). Lernen wir dieſen Verſtand bewahren und durch das Sy-
ſtem der Gedanken, bereichert mit andern Arten des Verſtändniſſes, das
ganze Sy-
ſtem der Formen darſtellen, dann wird es erworbener Verſtand (intellectus adep-
tus
). Dies iſt der Urſprung des Wortes Adept in ſeinen verſchiedenen
Bedeutungen.
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der vorausgehenden Schilderung vielfach benutzt wurde.
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[154/0165] Die Zoologie des Mittelalters. hältniſſe nothwendigen Geſetzkunde. Es konnte aber doch die Unter- ſuchung einmal angeregt hierbei nicht ſtehen bleiben, ſondern bediente ſich der ſchon zugänglich gewordenen ariſtoteliſchen Methodik zur philo- ſophiſchen Dogmatiſirung des neuen Glaubens. Damit verband ſich das Entſtehen weiterer philoſophiſcher Syſteme, von welchen für die Auffaſſung der belebten Natur beſonders die folgenden Bedeutung haben. Der ſtarre Fatalismus, welcher die Lehre des Islam in ihrer or- thodoxen Form ſo ſcharf kennzeichnet, fand ſeine erſte philoſophiſche Begründung durch El Aſchari im zehnten Jahrhundert. Für die Aſchariten gipfelt ſich Alles in der abſoluten Unvereinbarkeit des Be- griffes Gottes mit dem Begriffe der Welt. Letztere iſt nicht bloß erſt geſchaffen, ſondern geradezu als bloße Emanation Gottes anzuſehen; ihr hängt alſo der Schein an. Kein Ding oder kein Atom der Subſtanz kann länger als ein Zeitatom exiſtiren, wenn es Gott nicht von Neuem ſchafft. Ein Verhältniß von Urſache und Wirkung beſteht nicht; die Dinge ſtehen unverbunden nur durch Gottes Willen ſo nebeneinander. Selbſt Gott iſt nicht Urſache der Dinge; dieſelben ſind nur ſeine Schaffungen. Einem geſetzlichen Zuſammenhange der Naturerſcheinun- gen von dieſem Grunde aus nachzuforſchen war natürlich unmöglich. Eine vermittelnde Stellung zwiſchen platoniſchen und ariſtoteli- ſchen Anſichten nimmt El Farabi ein, welcher gleichfalls dem zehn- ten Jahrhundert angehörig durch die der neuplatoniſchen Emanations- lehre gegebene Form der Aſtrologie ihre durch das ganze Mittelalter dauernde ſyſtematiſche Geſtalt gegeben hat 78). Zwiſchen Gott als die 78) Auch der menſchliche Verſtand iſt ein Theil des göttlichen thätigen Ver- ſtandes. Anfangs nur bildungsfähige Materie (intellectus possibilis) wird der Verſtand, wenn der Gedanke mit dem Gedachten eins wird, wenn wir in dem Ge- danken die innere Form des Gegenſtandes erfaſſen, gebildeter, geformter Verſtand (intellectus formatus). Lernen wir dieſen Verſtand bewahren und durch das Sy- ſtem der Gedanken, bereichert mit andern Arten des Verſtändniſſes, das ganze Sy- ſtem der Formen darſtellen, dann wird es erworbener Verſtand (intellectus adep- tus). Dies iſt der Urſprung des Wortes Adept in ſeinen verſchiedenen Bedeutungen. vergl. Ritter, die chriſtliche Philoſophie. Bd. 1, ein Werk, welches zu obiger, wie der vorausgehenden Schilderung vielfach benutzt wurde.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 154. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/165>, abgerufen am 22.11.2024.