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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Physiologus.
nicht umherschweift, keine Leiche anrührt, sondern an dem Orte seines
Aufenthalts seine Nahrung finde. Aber schon Augustinus folgte einem
Uebersetzer, welcher entweder Chasida oder Erodius mit Fulica wieder-
gab. In allen späteren Physiologen wird daher das eben Mitgetheilte
von diesem Vogel aufgeführt61).

Durch ähnliche Wandlungen hat der Strauß in den Physiolo-
gen eine Stelle gefunden. Auch er wird auf Chasida zurückgeführt.
Die im griechischen Physiologus erwähnte Vergeßlichkeit in Bezug auf
seine Eier, welche hier mit seiner Gefräßigkeit allein als Eigenschaft
aufgezählt wird, gründet sich auf die Schilderung in Hiob 39, 13-14.
Daß er am Himmel seine Zeit ersieht, oder wie es die spätern Physio-
logen erweitern, auf den Aufgang der Sterne Vigiliae warten, um seine
Eier zu legen, bezieht sich auf Jeremias 8, 9, wo der griechisch-alex-
andrinische Uebersetzer das hebräische Wort geradezu aufnimmt als
Asida, während Hieronymus hier wie an andern Stellen milvus über-
setzt62).

Von den oft in der Bibel erwähnten Tauben gründet sich die
eine Angabe, daß unter den verschiedenfarbigen Arten nur eine gold-
farbige zum Neste eingelassen wird, wahrscheinlich auf Angaben, wie
sie bei Aelian, 4, 2, vorkommen. Das Verhalten des Habichts gegen
die Taube, welches Aristoteles (hist. anim. 9, 129) allgemein schil-
dert, ist in einer (wie Tychsen erwähnt auch bei Hieronymus zu fin-
denden) Weise hier speciell ausgeführt.

Unter den übrigen Vögeln, welche einzeln noch genannt werden,

61) Eine in dem Göttweiher lateinischen und dem althochdeutschen Physiologus
enthaltene, der Hyäne angefügte Notiz, daß auch die Fulica ein unreiner, das Ge-
schlecht wechselnder Vogel sei, ist in Bezug auf Ursprung und Deutung wahrschein-
lich darauf zurückzuführen, daß die Chasida 3. Mose, 11, 19 unter den unreinen
Vögeln aufgezählt wird.
62) Luther übersetzt richtig: "ein Storch unter dem Himmel weiß seine Zeit".
Das Wort Assida gieng in die mittelalterlichen Thierbücher über. Der althochdeut-
sche Physiologus sagt naiv: Struthio; das Thier heißt Strauß, im griechischen
heißt es Asida; ganz ähnlich Thomas von Cantimpre. Papias führt es im
Vocabular an, und zwar einmal: Asida Wido (das ist milvus des Hieronymus),
dann Asida animal est, quod graeci struthiocamelon latini strutionem di-
cunt
. Man sieht, wie lange die verschiedenen Auffassungen nachwirkten.

Phyſiologus.
nicht umherſchweift, keine Leiche anrührt, ſondern an dem Orte ſeines
Aufenthalts ſeine Nahrung finde. Aber ſchon Auguſtinus folgte einem
Ueberſetzer, welcher entweder Chaſida oder Erodius mit Fulica wieder-
gab. In allen ſpäteren Phyſiologen wird daher das eben Mitgetheilte
von dieſem Vogel aufgeführt61).

Durch ähnliche Wandlungen hat der Strauß in den Phyſiolo-
gen eine Stelle gefunden. Auch er wird auf Chaſida zurückgeführt.
Die im griechiſchen Phyſiologus erwähnte Vergeßlichkeit in Bezug auf
ſeine Eier, welche hier mit ſeiner Gefräßigkeit allein als Eigenſchaft
aufgezählt wird, gründet ſich auf die Schilderung in Hiob 39, 13-14.
Daß er am Himmel ſeine Zeit erſieht, oder wie es die ſpätern Phyſio-
logen erweitern, auf den Aufgang der Sterne Vigiliae warten, um ſeine
Eier zu legen, bezieht ſich auf Jeremias 8, 9, wo der griechiſch-alex-
andriniſche Ueberſetzer das hebräiſche Wort geradezu aufnimmt als
Aſida, während Hieronymus hier wie an andern Stellen milvus über-
ſetzt62).

Von den oft in der Bibel erwähnten Tauben gründet ſich die
eine Angabe, daß unter den verſchiedenfarbigen Arten nur eine gold-
farbige zum Neſte eingelaſſen wird, wahrſcheinlich auf Angaben, wie
ſie bei Aelian, 4, 2, vorkommen. Das Verhalten des Habichts gegen
die Taube, welches Ariſtoteles (hist. anim. 9, 129) allgemein ſchil-
dert, iſt in einer (wie Tychſen erwähnt auch bei Hieronymus zu fin-
denden) Weiſe hier ſpeciell ausgeführt.

Unter den übrigen Vögeln, welche einzeln noch genannt werden,

61) Eine in dem Göttweiher lateiniſchen und dem althochdeutſchen Phyſiologus
enthaltene, der Hyäne angefügte Notiz, daß auch die Fulica ein unreiner, das Ge-
ſchlecht wechſelnder Vogel ſei, iſt in Bezug auf Urſprung und Deutung wahrſchein-
lich darauf zurückzuführen, daß die Chaſida 3. Moſe, 11, 19 unter den unreinen
Vögeln aufgezählt wird.
62) Luther überſetzt richtig: „ein Storch unter dem Himmel weiß ſeine Zeit“.
Das Wort Aſſida gieng in die mittelalterlichen Thierbücher über. Der althochdeut-
ſche Phyſiologus ſagt naiv: Struthio; das Thier heißt Strauß, im griechiſchen
heißt es Aſida; ganz ähnlich Thomas von Cantimpré. Papias führt es im
Vocabular an, und zwar einmal: Aſida Wido (das iſt milvus des Hieronymus),
dann Asida animal est, quod graeci struthiocamelon latini strutionem di-
cunt
. Man ſieht, wie lange die verſchiedenen Auffaſſungen nachwirkten.
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[133/0144] Phyſiologus. nicht umherſchweift, keine Leiche anrührt, ſondern an dem Orte ſeines Aufenthalts ſeine Nahrung finde. Aber ſchon Auguſtinus folgte einem Ueberſetzer, welcher entweder Chaſida oder Erodius mit Fulica wieder- gab. In allen ſpäteren Phyſiologen wird daher das eben Mitgetheilte von dieſem Vogel aufgeführt 61). Durch ähnliche Wandlungen hat der Strauß in den Phyſiolo- gen eine Stelle gefunden. Auch er wird auf Chaſida zurückgeführt. Die im griechiſchen Phyſiologus erwähnte Vergeßlichkeit in Bezug auf ſeine Eier, welche hier mit ſeiner Gefräßigkeit allein als Eigenſchaft aufgezählt wird, gründet ſich auf die Schilderung in Hiob 39, 13-14. Daß er am Himmel ſeine Zeit erſieht, oder wie es die ſpätern Phyſio- logen erweitern, auf den Aufgang der Sterne Vigiliae warten, um ſeine Eier zu legen, bezieht ſich auf Jeremias 8, 9, wo der griechiſch-alex- andriniſche Ueberſetzer das hebräiſche Wort geradezu aufnimmt als Aſida, während Hieronymus hier wie an andern Stellen milvus über- ſetzt 62). Von den oft in der Bibel erwähnten Tauben gründet ſich die eine Angabe, daß unter den verſchiedenfarbigen Arten nur eine gold- farbige zum Neſte eingelaſſen wird, wahrſcheinlich auf Angaben, wie ſie bei Aelian, 4, 2, vorkommen. Das Verhalten des Habichts gegen die Taube, welches Ariſtoteles (hist. anim. 9, 129) allgemein ſchil- dert, iſt in einer (wie Tychſen erwähnt auch bei Hieronymus zu fin- denden) Weiſe hier ſpeciell ausgeführt. Unter den übrigen Vögeln, welche einzeln noch genannt werden, 61) Eine in dem Göttweiher lateiniſchen und dem althochdeutſchen Phyſiologus enthaltene, der Hyäne angefügte Notiz, daß auch die Fulica ein unreiner, das Ge- ſchlecht wechſelnder Vogel ſei, iſt in Bezug auf Urſprung und Deutung wahrſchein- lich darauf zurückzuführen, daß die Chaſida 3. Moſe, 11, 19 unter den unreinen Vögeln aufgezählt wird. 62) Luther überſetzt richtig: „ein Storch unter dem Himmel weiß ſeine Zeit“. Das Wort Aſſida gieng in die mittelalterlichen Thierbücher über. Der althochdeut- ſche Phyſiologus ſagt naiv: Struthio; das Thier heißt Strauß, im griechiſchen heißt es Aſida; ganz ähnlich Thomas von Cantimpré. Papias führt es im Vocabular an, und zwar einmal: Aſida Wido (das iſt milvus des Hieronymus), dann Asida animal est, quod graeci struthiocamelon latini strutionem di- cunt. Man ſieht, wie lange die verſchiedenen Auffaſſungen nachwirkten.

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 133. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/144>, abgerufen am 22.11.2024.