Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Die Zoologie des Mittelalters. gehalten wird. Diese befestigen ihr Schiff an ihm, zünden Feuer aufihm an und werden dann, wenn dem Thiere die Gluth fühlbar wird, in die Tiefe hinabgezogen. Hungert der Walfisch, so sperrt er den Rachen auf und durch den süßen Geruch, der von seinem Munde aus- geht, werden Massen kleiner Fische herbeigelockt, die er verschluckt. Die Bibelstelle, auf welche man sich in Bezug auf die Erwähnung der As- pidochelone beruft, ist Hosea 12, 12, wo aber wie in mehreren andern Fällen das betreffende Wort erst durch die griechisch-alexandrinische Uebersetzung hineingekommen ist53). Und schon der Umstand, daß die genannten Kirchenväter des Thieres bei der Schöpfung der Wasser- thiere Erwähnung thun, weist darauf hin, daß es nur eines äußern Anhaltes bedurfte, um eine verbreitete Sage, an welche sich treffliche Moralisationen knüpfen ließen, in den Physiologus zu bringen. Diesen fand man dann wohl in der erwähnten Stelle, obschon die Sage selbst in ihrem Ursprung nicht aufzuklären ist. Wie so viele andere im Phy- siologus erwähnte Sagen gieng auch diese zu den Arabern, wo sie sich bei Damiri, Kazwini u. s. w. findet. Der Wildesel wird an mehreren Stellen der Bibel als Bild un- 53) Der syrische Physiologus
beginnt: Datur cetus in mari dictus aspis (espes) quae ipsa illa testudo est. Für testudo steht im Texte golo; und dies ist das hebräische Wort gl[ - 1 Zeichen fehlt]m, was die LXX mit khelonai übersetzten. Die Zoologie des Mittelalters. gehalten wird. Dieſe befeſtigen ihr Schiff an ihm, zünden Feuer aufihm an und werden dann, wenn dem Thiere die Gluth fühlbar wird, in die Tiefe hinabgezogen. Hungert der Walfiſch, ſo ſperrt er den Rachen auf und durch den ſüßen Geruch, der von ſeinem Munde aus- geht, werden Maſſen kleiner Fiſche herbeigelockt, die er verſchluckt. Die Bibelſtelle, auf welche man ſich in Bezug auf die Erwähnung der As- pidochelone beruft, iſt Hoſea 12, 12, wo aber wie in mehreren andern Fällen das betreffende Wort erſt durch die griechiſch-alexandriniſche Ueberſetzung hineingekommen iſt53). Und ſchon der Umſtand, daß die genannten Kirchenväter des Thieres bei der Schöpfung der Waſſer- thiere Erwähnung thun, weiſt darauf hin, daß es nur eines äußern Anhaltes bedurfte, um eine verbreitete Sage, an welche ſich treffliche Moraliſationen knüpfen ließen, in den Phyſiologus zu bringen. Dieſen fand man dann wohl in der erwähnten Stelle, obſchon die Sage ſelbſt in ihrem Urſprung nicht aufzuklären iſt. Wie ſo viele andere im Phy- ſiologus erwähnte Sagen gieng auch dieſe zu den Arabern, wo ſie ſich bei Damiri, Kazwini u. ſ. w. findet. Der Wildeſel wird an mehreren Stellen der Bibel als Bild un- 53) Der ſyriſche Phyſiologus
beginnt: Datur cetus in mari dictus aspis (espes) quae ipsa illa testudo est. Für testudo ſteht im Texte golo; und dies iſt das hebräiſche Wort גל[ – 1 Zeichen fehlt]ם, was die LXX mit χελῶναι überſetzten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0139" n="128"/><fw place="top" type="header">Die Zoologie des Mittelalters.</fw><lb/> gehalten wird. Dieſe befeſtigen ihr Schiff an ihm, zünden Feuer auf<lb/> ihm an und werden dann, wenn dem Thiere die Gluth fühlbar wird,<lb/> in die Tiefe hinabgezogen. Hungert der Walfiſch, ſo ſperrt er den<lb/> Rachen auf und durch den ſüßen Geruch, der von ſeinem Munde aus-<lb/> geht, werden Maſſen kleiner Fiſche herbeigelockt, die er verſchluckt. Die<lb/> Bibelſtelle, auf welche man ſich in Bezug auf die Erwähnung der As-<lb/> pidochelone beruft, iſt Hoſea 12, 12, wo aber wie in mehreren andern<lb/> Fällen das betreffende Wort erſt durch die griechiſch-alexandriniſche<lb/> Ueberſetzung hineingekommen iſt<note place="foot" n="53)">Der ſyriſche Phyſiologus<lb/> beginnt: <hi rendition="#aq">Datur cetus in mari dictus aspis<lb/> (espes) quae ipsa illa testudo est.</hi> Für <hi rendition="#aq">testudo</hi> ſteht im Texte<lb/><hi rendition="#aq">golo</hi>; und dies<lb/> iſt das hebräiſche Wort גל<gap unit="chars" quantity="1"/>ם, was die <hi rendition="#aq">LXX</hi> mit χελῶναι<lb/> überſetzten.</note>. Und ſchon der Umſtand, daß die<lb/> genannten Kirchenväter des Thieres bei der Schöpfung der Waſſer-<lb/> thiere Erwähnung thun, weiſt darauf hin, daß es nur eines äußern<lb/> Anhaltes bedurfte, um eine verbreitete Sage, an welche ſich treffliche<lb/> Moraliſationen knüpfen ließen, in den Phyſiologus zu bringen. Dieſen<lb/> fand man dann wohl in der erwähnten Stelle, obſchon die Sage ſelbſt<lb/> in ihrem Urſprung nicht aufzuklären iſt. Wie ſo viele andere im Phy-<lb/> ſiologus erwähnte Sagen gieng auch dieſe zu den Arabern, wo ſie ſich<lb/> bei <persName ref="http://d-nb.info/gnd/101045689">Damiri</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/119374382">Kazwini</persName> u. ſ. w. findet.</p><lb/> <p>Der <hi rendition="#g">Wildeſel</hi> wird an mehreren Stellen der Bibel als Bild un-<lb/> gezähmter Wildheit erwähnt, ſo Hiob 24, 5; 39, 5; Jeſaias 32, 14 und<lb/> an andern Orten. Der Phyſiologus erzählt zunächſt von ihm (griechiſch,<lb/> altfranzöſiſch, äthiopiſch), daß er die neugebornen Männchen aus Eifer-<lb/> ſucht kaſtrire. Dies berichtet <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118595083">Plinius</persName></hi> (8, 108) und nach ihm <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118797948">So-<lb/> linus</persName></hi> (27, 27; <hi rendition="#aq">p.</hi> 136), ferner <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/118736477">Oppian</persName></hi> (Cyneget. 3, 205), wäh-<lb/> rend <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118650130">Ariſtoteles</persName> (<hi rendition="#aq">de mirabil. auscult. cap. 9</hi>) daſſelbe von ſyriſchen<lb/> Pferden erzählt. Ferner wird aber noch angegeben (ſämmtliche Bear-<lb/> beitungen, wo der Onager erwähnt wird), daß er am 25. März zwölf-<lb/> mal in der Nacht und zwölfmal am Tage brülle, um die Tagundnacht-<lb/> gleiche anzuzeigen. Hierbei iſt nun merkwürdig, daß in den älteren<lb/> Recenſionen (bis zum 11. Jahrhundert ungefähr), beſonders der grie-<lb/> chiſchen und den früheren lateiniſchen, der gebrauchte Monatsname<lb/> koptiſch iſt, Faminoth, während ſpäter dafür der früher nur zuweilen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [128/0139]
Die Zoologie des Mittelalters.
gehalten wird. Dieſe befeſtigen ihr Schiff an ihm, zünden Feuer auf
ihm an und werden dann, wenn dem Thiere die Gluth fühlbar wird,
in die Tiefe hinabgezogen. Hungert der Walfiſch, ſo ſperrt er den
Rachen auf und durch den ſüßen Geruch, der von ſeinem Munde aus-
geht, werden Maſſen kleiner Fiſche herbeigelockt, die er verſchluckt. Die
Bibelſtelle, auf welche man ſich in Bezug auf die Erwähnung der As-
pidochelone beruft, iſt Hoſea 12, 12, wo aber wie in mehreren andern
Fällen das betreffende Wort erſt durch die griechiſch-alexandriniſche
Ueberſetzung hineingekommen iſt 53). Und ſchon der Umſtand, daß die
genannten Kirchenväter des Thieres bei der Schöpfung der Waſſer-
thiere Erwähnung thun, weiſt darauf hin, daß es nur eines äußern
Anhaltes bedurfte, um eine verbreitete Sage, an welche ſich treffliche
Moraliſationen knüpfen ließen, in den Phyſiologus zu bringen. Dieſen
fand man dann wohl in der erwähnten Stelle, obſchon die Sage ſelbſt
in ihrem Urſprung nicht aufzuklären iſt. Wie ſo viele andere im Phy-
ſiologus erwähnte Sagen gieng auch dieſe zu den Arabern, wo ſie ſich
bei Damiri, Kazwini u. ſ. w. findet.
Der Wildeſel wird an mehreren Stellen der Bibel als Bild un-
gezähmter Wildheit erwähnt, ſo Hiob 24, 5; 39, 5; Jeſaias 32, 14 und
an andern Orten. Der Phyſiologus erzählt zunächſt von ihm (griechiſch,
altfranzöſiſch, äthiopiſch), daß er die neugebornen Männchen aus Eifer-
ſucht kaſtrire. Dies berichtet Plinius (8, 108) und nach ihm So-
linus (27, 27; p. 136), ferner Oppian (Cyneget. 3, 205), wäh-
rend Ariſtoteles (de mirabil. auscult. cap. 9) daſſelbe von ſyriſchen
Pferden erzählt. Ferner wird aber noch angegeben (ſämmtliche Bear-
beitungen, wo der Onager erwähnt wird), daß er am 25. März zwölf-
mal in der Nacht und zwölfmal am Tage brülle, um die Tagundnacht-
gleiche anzuzeigen. Hierbei iſt nun merkwürdig, daß in den älteren
Recenſionen (bis zum 11. Jahrhundert ungefähr), beſonders der grie-
chiſchen und den früheren lateiniſchen, der gebrauchte Monatsname
koptiſch iſt, Faminoth, während ſpäter dafür der früher nur zuweilen
53) Der ſyriſche Phyſiologus
beginnt: Datur cetus in mari dictus aspis
(espes) quae ipsa illa testudo est. Für testudo ſteht im Texte
golo; und dies
iſt das hebräiſche Wort גל_ם, was die LXX mit χελῶναι
überſetzten.
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