Periode des Stillstandes bis zum zwölften Jahrhundert.
Das Abendland kam zuerst mit dem Mönchsleben in Berührung, als der durch das nicäanische Concil nur zeitweise äußerlich beigelegte Streit der Arianer mit ihren Gegnern die vorübergehende Verbannung des Athanasius und dessen Aufenthalt in Gallien und Deutschland nach sich gezogen hatte. Dem morgenländischen Fanatismus wenigstens anfangs fremd, suchten die abendländischen Mönchsgenossenschaften die Grundsätze des ursprünglichen Gemeindelebens mit Gütergemeinschaft und völliger Gleichheit aller Genossen als oberstes Gesetz durchzuführen, dabei nach außen die idealen Aufgaben der Heilsbringer zu bethätigen, wie sie als Seelsorge, Hülfe bei äußerer und innerer Noth und Unterricht erschienen.
Von durchgreifendster Bedeutung für die Ausbildung der Rolle, welche das Mönchsthum in der Culturentwickelung des nächsten Jahr- tausends zu erfüllen hatte, war die Aufstellung der ersten abendlän- dischen Ordensregel. Die Gründung des Klosters auf dem Monte Cassino durch Benedikt von Nursia (529) schuf einen für Er- haltung der schlummernden Reste antiker Wissenschaft unendlich wich- tigen Factor, welcher in seinem Einfluß noch bestärkt wurde, als sehr bald schon auf Cassiodor's Anregung die Mönche zur Pflege der Wis- senschaften und Vervielfältigung der Handschriften angehalten wurden. Da bereits Benedikt selbst die Aufnahme von Kindern in die sich früh mehrenden Klöster gebilligt hatte, entstanden hierdurch die ersten Klo- sterschulen, welche neben den bischöflichen bei den größeren Kirchen be- stehenden Unterrichtsanstalten eine um so größere Wichtigkeit erlangten, als gar bald die von Rom aus unterhaltenen kaiserlichen Schulen ein- giengen. Da die Klosterschulen zunächst im Sinne einer Erziehung zum geistlichen Stande thätig waren, die Kathedralschulen dagegen auch weltliche Wissenschaften zuweilen mit großem Erfolg pflegten, entstand nach kurzer Zeit an vielen Klosterschulen der Eifer, auch in Bezug auf die letztern es den übrigen Schulen gleich zu thun.
Mit der Verbreitung der Benediktiner wurde überhaupt der Sinn für Bildung wenigstens in den Klöstern angeregt. Die ersten irischen Glaubensboten in Burgund, Deutschland und der Schweiz, Columban, Gallus und Kilian waren zwar keine Benediktiner; doch gehörte der große Apostel der Deutschen Bonifacius diesem Orden an. Auf ihn
Periode des Stillſtandes bis zum zwölften Jahrhundert.
Das Abendland kam zuerſt mit dem Mönchsleben in Berührung, als der durch das nicäaniſche Concil nur zeitweiſe äußerlich beigelegte Streit der Arianer mit ihren Gegnern die vorübergehende Verbannung des Athanaſius und deſſen Aufenthalt in Gallien und Deutſchland nach ſich gezogen hatte. Dem morgenländiſchen Fanatismus wenigſtens anfangs fremd, ſuchten die abendländiſchen Mönchsgenoſſenſchaften die Grundſätze des urſprünglichen Gemeindelebens mit Gütergemeinſchaft und völliger Gleichheit aller Genoſſen als oberſtes Geſetz durchzuführen, dabei nach außen die idealen Aufgaben der Heilsbringer zu bethätigen, wie ſie als Seelſorge, Hülfe bei äußerer und innerer Noth und Unterricht erſchienen.
Von durchgreifendſter Bedeutung für die Ausbildung der Rolle, welche das Mönchsthum in der Culturentwickelung des nächſten Jahr- tauſends zu erfüllen hatte, war die Aufſtellung der erſten abendlän- diſchen Ordensregel. Die Gründung des Kloſters auf dem Monte Caſſino durch Benedikt von Nurſia (529) ſchuf einen für Er- haltung der ſchlummernden Reſte antiker Wiſſenſchaft unendlich wich- tigen Factor, welcher in ſeinem Einfluß noch beſtärkt wurde, als ſehr bald ſchon auf Caſſiodor's Anregung die Mönche zur Pflege der Wiſ- ſenſchaften und Vervielfältigung der Handſchriften angehalten wurden. Da bereits Benedikt ſelbſt die Aufnahme von Kindern in die ſich früh mehrenden Klöſter gebilligt hatte, entſtanden hierdurch die erſten Klo- ſterſchulen, welche neben den biſchöflichen bei den größeren Kirchen be- ſtehenden Unterrichtsanſtalten eine um ſo größere Wichtigkeit erlangten, als gar bald die von Rom aus unterhaltenen kaiſerlichen Schulen ein- giengen. Da die Kloſterſchulen zunächſt im Sinne einer Erziehung zum geiſtlichen Stande thätig waren, die Kathedralſchulen dagegen auch weltliche Wiſſenſchaften zuweilen mit großem Erfolg pflegten, entſtand nach kurzer Zeit an vielen Kloſterſchulen der Eifer, auch in Bezug auf die letztern es den übrigen Schulen gleich zu thun.
Mit der Verbreitung der Benediktiner wurde überhaupt der Sinn für Bildung wenigſtens in den Klöſtern angeregt. Die erſten iriſchen Glaubensboten in Burgund, Deutſchland und der Schweiz, Columban, Gallus und Kilian waren zwar keine Benediktiner; doch gehörte der große Apoſtel der Deutſchen Bonifacius dieſem Orden an. Auf ihn
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Periode des Stillſtandes bis zum zwölften Jahrhundert.
Das Abendland kam zuerſt mit dem Mönchsleben in Berührung, als
der durch das nicäaniſche Concil nur zeitweiſe äußerlich beigelegte Streit
der Arianer mit ihren Gegnern die vorübergehende Verbannung des
Athanaſius und deſſen Aufenthalt in Gallien und Deutſchland nach ſich
gezogen hatte. Dem morgenländiſchen Fanatismus wenigſtens anfangs
fremd, ſuchten die abendländiſchen Mönchsgenoſſenſchaften die Grundſätze
des urſprünglichen Gemeindelebens mit Gütergemeinſchaft und völliger
Gleichheit aller Genoſſen als oberſtes Geſetz durchzuführen, dabei nach
außen die idealen Aufgaben der Heilsbringer zu bethätigen, wie ſie als
Seelſorge, Hülfe bei äußerer und innerer Noth und Unterricht erſchienen.
Von durchgreifendſter Bedeutung für die Ausbildung der Rolle,
welche das Mönchsthum in der Culturentwickelung des nächſten Jahr-
tauſends zu erfüllen hatte, war die Aufſtellung der erſten abendlän-
diſchen Ordensregel. Die Gründung des Kloſters auf dem Monte
Caſſino durch Benedikt von Nurſia (529) ſchuf einen für Er-
haltung der ſchlummernden Reſte antiker Wiſſenſchaft unendlich wich-
tigen Factor, welcher in ſeinem Einfluß noch beſtärkt wurde, als ſehr
bald ſchon auf Caſſiodor's Anregung die Mönche zur Pflege der Wiſ-
ſenſchaften und Vervielfältigung der Handſchriften angehalten wurden.
Da bereits Benedikt ſelbſt die Aufnahme von Kindern in die ſich früh
mehrenden Klöſter gebilligt hatte, entſtanden hierdurch die erſten Klo-
ſterſchulen, welche neben den biſchöflichen bei den größeren Kirchen be-
ſtehenden Unterrichtsanſtalten eine um ſo größere Wichtigkeit erlangten,
als gar bald die von Rom aus unterhaltenen kaiſerlichen Schulen ein-
giengen. Da die Kloſterſchulen zunächſt im Sinne einer Erziehung zum
geiſtlichen Stande thätig waren, die Kathedralſchulen dagegen auch
weltliche Wiſſenſchaften zuweilen mit großem Erfolg pflegten, entſtand
nach kurzer Zeit an vielen Kloſterſchulen der Eifer, auch in Bezug auf
die letztern es den übrigen Schulen gleich zu thun.
Mit der Verbreitung der Benediktiner wurde überhaupt der Sinn
für Bildung wenigſtens in den Klöſtern angeregt. Die erſten iriſchen
Glaubensboten in Burgund, Deutſchland und der Schweiz, Columban,
Gallus und Kilian waren zwar keine Benediktiner; doch gehörte der
große Apoſtel der Deutſchen Bonifacius dieſem Orden an. Auf ihn
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/112>, abgerufen am 22.11.2024.
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