ist -- für den Gegensatz des Männlichen und Weiblichen -- folgt aus diesem Gesetze, daß deßhalb, weil im Männ¬ lichen der höhere bewußte Geist insbesondere sich zu ent¬ wickeln bestimmt ist, auch die Verschiedenheit der Indivi¬ duen im männlichen Geschlecht stärker begründet und mehr offenbart sein muß, als im weiblichen; und eben so gilt dieses Gesetz für die Kreise der verschiedenen Lebensalter, ja für die wesentlich verschiedenen, durch Einfluß der Erd¬ natur gesonderten Stämme der Menschheit. Im indiffe¬ rentesten Alter der Kindheit sind die Individuen noch weni¬ ger verschieden, während im Lebensalter, wo der bewußte Geist am kräftigsten hervortritt, die Individualitäten am weitesten auseinanderweichen, so wie sie freilich eben darum auch erst in dieser Zeit der stärksten Anziehung gegeneinan¬ der fähig sind. Was die Stämme der Menschheit betrifft, welche nach den vier stätig um die Erde kreisenden Zustän¬ den des Planeten, nach Tag und Nacht, Morgen und Abenddämmerung, in die vier großen Abtheilungen der Tagvölker, Nachtvölker und östlichen und westlichen Däm¬ merungsvölker zerfallen 1, so sind es natürlich die Tagvölker, in welchen auch der Tag der Seele -- das Bewußtsein -- am vollkommensten sich erschließt, und darum weichen auch unter ihnen die Eigenthümlichkeiten der Individuen am stärksten auseinander, während sie in den Nachtvölkern (Negern) schon in den ursprünglichsten Anlagen der Seele entschieden einförmiger gegeben sind.
Fällt nun das Sinken der Schärfe der Individualität je nach der Energie der Lebenkreise schon innerhalb der Menschheit sehr auf, so wird es noch weit mehr auffallend, wenn man von diesem Standpunkt aus einen Blick wirft auf die Lebenkreise der Thierwelt. Nur in der Menschheit herrscht in dem was wir nach früherer Ableitung "die Persönlichkeit" nennen, noch die Spitze aller Indivi¬ dualilät; in der Thierwelt verschwinden dagegen jene ur¬
1 Siehe mein System der Physiologie. 1. Bd. S. 118.
iſt — für den Gegenſatz des Männlichen und Weiblichen — folgt aus dieſem Geſetze, daß deßhalb, weil im Männ¬ lichen der höhere bewußte Geiſt insbeſondere ſich zu ent¬ wickeln beſtimmt iſt, auch die Verſchiedenheit der Indivi¬ duen im männlichen Geſchlecht ſtärker begründet und mehr offenbart ſein muß, als im weiblichen; und eben ſo gilt dieſes Geſetz für die Kreiſe der verſchiedenen Lebensalter, ja für die weſentlich verſchiedenen, durch Einfluß der Erd¬ natur geſonderten Stämme der Menſchheit. Im indiffe¬ renteſten Alter der Kindheit ſind die Individuen noch weni¬ ger verſchieden, während im Lebensalter, wo der bewußte Geiſt am kräftigſten hervortritt, die Individualitäten am weiteſten auseinanderweichen, ſo wie ſie freilich eben darum auch erſt in dieſer Zeit der ſtärkſten Anziehung gegeneinan¬ der fähig ſind. Was die Stämme der Menſchheit betrifft, welche nach den vier ſtätig um die Erde kreiſenden Zuſtän¬ den des Planeten, nach Tag und Nacht, Morgen und Abenddämmerung, in die vier großen Abtheilungen der Tagvölker, Nachtvölker und öſtlichen und weſtlichen Däm¬ merungsvölker zerfallen 1, ſo ſind es natürlich die Tagvölker, in welchen auch der Tag der Seele — das Bewußtſein — am vollkommenſten ſich erſchließt, und darum weichen auch unter ihnen die Eigenthümlichkeiten der Individuen am ſtärkſten auseinander, während ſie in den Nachtvölkern (Negern) ſchon in den urſprünglichſten Anlagen der Seele entſchieden einförmiger gegeben ſind.
Fällt nun das Sinken der Schärfe der Individualität je nach der Energie der Lebenkreiſe ſchon innerhalb der Menſchheit ſehr auf, ſo wird es noch weit mehr auffallend, wenn man von dieſem Standpunkt aus einen Blick wirft auf die Lebenkreiſe der Thierwelt. Nur in der Menſchheit herrſcht in dem was wir nach früherer Ableitung „die Perſönlichkeit“ nennen, noch die Spitze aller Indivi¬ dualilät; in der Thierwelt verſchwinden dagegen jene ur¬
1 Siehe mein Syſtem der Phyſiologie. 1. Bd. S. 118.
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iſt — für den Gegenſatz des Männlichen und Weiblichen
— folgt aus dieſem Geſetze, daß deßhalb, weil im Männ¬
lichen der höhere bewußte Geiſt insbeſondere ſich zu ent¬
wickeln beſtimmt iſt, auch die Verſchiedenheit der Indivi¬
duen im männlichen Geſchlecht ſtärker begründet und mehr
offenbart ſein muß, als im weiblichen; und eben ſo gilt
dieſes Geſetz für die Kreiſe der verſchiedenen Lebensalter,
ja für die weſentlich verſchiedenen, durch Einfluß der Erd¬
natur geſonderten Stämme der Menſchheit. Im indiffe¬
renteſten Alter der Kindheit ſind die Individuen noch weni¬
ger verſchieden, während im Lebensalter, wo der bewußte
Geiſt am kräftigſten hervortritt, die Individualitäten am
weiteſten auseinanderweichen, ſo wie ſie freilich eben darum
auch erſt in dieſer Zeit der ſtärkſten Anziehung gegeneinan¬
der fähig ſind. Was die Stämme der Menſchheit betrifft,
welche nach den vier ſtätig um die Erde kreiſenden Zuſtän¬
den des Planeten, nach Tag und Nacht, Morgen und
Abenddämmerung, in die vier großen Abtheilungen der
Tagvölker, Nachtvölker und öſtlichen und weſtlichen Däm¬
merungsvölker zerfallen 1, ſo ſind es natürlich die Tagvölker,
in welchen auch der Tag der Seele — das Bewußtſein —
am vollkommenſten ſich erſchließt, und darum weichen auch
unter ihnen die Eigenthümlichkeiten der Individuen am
ſtärkſten auseinander, während ſie in den Nachtvölkern
(Negern) ſchon in den urſprünglichſten Anlagen der Seele
entſchieden einförmiger gegeben ſind.
Fällt nun das Sinken der Schärfe der Individualität
je nach der Energie der Lebenkreiſe ſchon innerhalb der
Menſchheit ſehr auf, ſo wird es noch weit mehr auffallend,
wenn man von dieſem Standpunkt aus einen Blick wirft
auf die Lebenkreiſe der Thierwelt. Nur in der Menſchheit
herrſcht in dem was wir nach früherer Ableitung „die
Perſönlichkeit“ nennen, noch die Spitze aller Indivi¬
dualilät; in der Thierwelt verſchwinden dagegen jene ur¬
1 Siehe mein Syſtem der Phyſiologie. 1. Bd. S. 118.
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/79>, abgerufen am 24.11.2024.
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