dargelegt haben, zugleich gewisse eigenthümliche Richtungen des Seelenlebens zur ganz besonderen Erscheinung kommen müssen. Wir fanden nämlich, daß rein als Selbstzweck des Seelenlebens allerdings nur das Nervensystem angesehen werden konnte, während alle andere Systeme sich durchaus auf die Verhältnisse des Individuums zur Außenwelt be¬ ziehen. Nur das Nervensystem ist also rein see¬ lisch, ist in sich ein indifferentes, ruhendes, ein nur eigen¬ thümliches, geheimnißvolles, den magnetischen und galvani¬ schen ähnliche Strömungen zeigendes Ganzes. Aber auch die übrigen Systeme mit ihren Gebilden, wie sie alle aus einer ursprünglichen, dem Halbflüssigen des Nervensystems wesent¬ lich gleichen allgemeinen Substanz sich hervorbildeten, ent¬ stehen durch jenes unbewußte Walten der Idee und ihr sich Einleben im organischen Stoff, und auch sie sind in so fern seelisch -- haben ein besonderes, nur zuerst unbe¬ wußtes Seelenleben, und können mittels des be¬ wußten Lebens im Nervensystem späterhin ebenfalls, wenigstens zum Theil, mit zum Bewußtsein gebracht wer¬ den. Es ist gleich hier wichtig diesen verschiedenen Strah¬ lungen der seelischen Existenz etwas näher im Einzelnen nachzugehen, damit klar werde, wie hiedurch gewisse, ich möchte sagen besondere Seelen, oder Seelenkreise in der Seele begründet werden, auf deren richtiger Er¬ kenntniß hauptsächlich Das beruht, was man gewöhnlich, und, wie bereits oben gezeigt worden ist, mit Unrecht, die Lehre von Wechselwirkung zwischen Leib und Seele ge¬ nannt hat.
Jene besonderen Provinzen also, in welche der Orga¬ nismus sich gliederte, waren Obigem zufolge, nächst denen dem Nervensystem am meisten verwandten der Sinnen- und Bewegungsgebilde und des Skeleton, die der Ernährung, und zwar theils die der Stoffaufnahme und der Stoffverbreitung, theils die der Stoff¬ zersetzung und Ausstoßung. Die letzteren unterscheiden
dargelegt haben, zugleich gewiſſe eigenthümliche Richtungen des Seelenlebens zur ganz beſonderen Erſcheinung kommen müſſen. Wir fanden nämlich, daß rein als Selbſtzweck des Seelenlebens allerdings nur das Nervenſyſtem angeſehen werden konnte, während alle andere Syſteme ſich durchaus auf die Verhältniſſe des Individuums zur Außenwelt be¬ ziehen. Nur das Nervenſyſtem iſt alſo rein ſee¬ liſch, iſt in ſich ein indifferentes, ruhendes, ein nur eigen¬ thümliches, geheimnißvolles, den magnetiſchen und galvani¬ ſchen ähnliche Strömungen zeigendes Ganzes. Aber auch die übrigen Syſteme mit ihren Gebilden, wie ſie alle aus einer urſprünglichen, dem Halbflüſſigen des Nervenſyſtems weſent¬ lich gleichen allgemeinen Subſtanz ſich hervorbildeten, ent¬ ſtehen durch jenes unbewußte Walten der Idee und ihr ſich Einleben im organiſchen Stoff, und auch ſie ſind in ſo fern ſeeliſch — haben ein beſonderes, nur zuerſt unbe¬ wußtes Seelenleben, und können mittels des be¬ wußten Lebens im Nervenſyſtem ſpäterhin ebenfalls, wenigſtens zum Theil, mit zum Bewußtſein gebracht wer¬ den. Es iſt gleich hier wichtig dieſen verſchiedenen Strah¬ lungen der ſeeliſchen Exiſtenz etwas näher im Einzelnen nachzugehen, damit klar werde, wie hiedurch gewiſſe, ich möchte ſagen beſondere Seelen, oder Seelenkreiſe in der Seele begründet werden, auf deren richtiger Er¬ kenntniß hauptſächlich Das beruht, was man gewöhnlich, und, wie bereits oben gezeigt worden iſt, mit Unrecht, die Lehre von Wechſelwirkung zwiſchen Leib und Seele ge¬ nannt hat.
Jene beſonderen Provinzen alſo, in welche der Orga¬ nismus ſich gliederte, waren Obigem zufolge, nächſt denen dem Nervenſyſtem am meiſten verwandten der Sinnen- und Bewegungsgebilde und des Skeleton, die der Ernährung, und zwar theils die der Stoffaufnahme und der Stoffverbreitung, theils die der Stoff¬ zerſetzung und Ausſtoßung. Die letzteren unterſcheiden
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0059"n="43"/>
dargelegt haben, zugleich gewiſſe eigenthümliche Richtungen<lb/>
des Seelenlebens zur ganz beſonderen Erſcheinung kommen<lb/>
müſſen. Wir fanden nämlich, daß rein als Selbſtzweck<lb/>
des Seelenlebens allerdings nur das Nervenſyſtem angeſehen<lb/>
werden konnte, während alle andere Syſteme ſich durchaus<lb/>
auf die Verhältniſſe des Individuums zur Außenwelt be¬<lb/>
ziehen. <hirendition="#g">Nur das Nervenſyſtem iſt alſo rein ſee¬<lb/>
liſch</hi>, iſt in ſich ein indifferentes, ruhendes, ein nur eigen¬<lb/>
thümliches, geheimnißvolles, den magnetiſchen und galvani¬<lb/>ſchen ähnliche Strömungen zeigendes Ganzes. Aber auch die<lb/>
übrigen Syſteme mit ihren Gebilden, wie ſie alle aus einer<lb/>
urſprünglichen, dem Halbflüſſigen des Nervenſyſtems weſent¬<lb/>
lich gleichen allgemeinen Subſtanz ſich hervorbildeten, ent¬<lb/>ſtehen durch jenes unbewußte Walten der Idee und ihr ſich<lb/>
Einleben im organiſchen Stoff, und <hirendition="#g">auch ſie</hi>ſind in ſo<lb/>
fern <hirendition="#g">ſeeliſch</hi>— haben ein beſonderes, nur zuerſt <hirendition="#g">unbe¬<lb/>
wußtes Seelenleben</hi>, und können <hirendition="#g">mittels des be¬<lb/>
wußten Lebens im Nervenſyſtem</hi>ſpäterhin ebenfalls,<lb/>
wenigſtens zum Theil, mit zum Bewußtſein gebracht wer¬<lb/>
den. Es iſt gleich hier wichtig dieſen verſchiedenen Strah¬<lb/>
lungen der ſeeliſchen Exiſtenz etwas näher im Einzelnen<lb/>
nachzugehen, damit klar werde, wie hiedurch gewiſſe, ich<lb/>
möchte ſagen <hirendition="#g">beſondere Seelen</hi>, oder <hirendition="#g">Seelenkreiſe</hi><lb/>
in der Seele begründet werden, auf deren richtiger Er¬<lb/>
kenntniß hauptſächlich <hirendition="#g">Das</hi> beruht, was man gewöhnlich,<lb/>
und, wie bereits oben gezeigt worden iſt, mit Unrecht, die<lb/>
Lehre von Wechſelwirkung zwiſchen Leib und Seele ge¬<lb/>
nannt hat.</p><lb/><p>Jene beſonderen Provinzen alſo, in welche der Orga¬<lb/>
nismus ſich gliederte, waren Obigem zufolge, nächſt denen<lb/>
dem <hirendition="#g">Nervenſyſtem</hi> am meiſten verwandten der <hirendition="#g">Sinnen</hi>-<lb/>
und <hirendition="#g">Bewegungsgebilde</hi> und des <hirendition="#g">Skeleton</hi>, die der<lb/>
Ernährung, und zwar theils die der <hirendition="#g">Stoffaufnahme</hi><lb/>
und der <hirendition="#g">Stoffverbreitung</hi>, theils die der <hirendition="#g">Stoff¬<lb/>
zerſetzung</hi> und <hirendition="#g">Ausſtoßung</hi>. Die letzteren unterſcheiden<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[43/0059]
dargelegt haben, zugleich gewiſſe eigenthümliche Richtungen
des Seelenlebens zur ganz beſonderen Erſcheinung kommen
müſſen. Wir fanden nämlich, daß rein als Selbſtzweck
des Seelenlebens allerdings nur das Nervenſyſtem angeſehen
werden konnte, während alle andere Syſteme ſich durchaus
auf die Verhältniſſe des Individuums zur Außenwelt be¬
ziehen. Nur das Nervenſyſtem iſt alſo rein ſee¬
liſch, iſt in ſich ein indifferentes, ruhendes, ein nur eigen¬
thümliches, geheimnißvolles, den magnetiſchen und galvani¬
ſchen ähnliche Strömungen zeigendes Ganzes. Aber auch die
übrigen Syſteme mit ihren Gebilden, wie ſie alle aus einer
urſprünglichen, dem Halbflüſſigen des Nervenſyſtems weſent¬
lich gleichen allgemeinen Subſtanz ſich hervorbildeten, ent¬
ſtehen durch jenes unbewußte Walten der Idee und ihr ſich
Einleben im organiſchen Stoff, und auch ſie ſind in ſo
fern ſeeliſch — haben ein beſonderes, nur zuerſt unbe¬
wußtes Seelenleben, und können mittels des be¬
wußten Lebens im Nervenſyſtem ſpäterhin ebenfalls,
wenigſtens zum Theil, mit zum Bewußtſein gebracht wer¬
den. Es iſt gleich hier wichtig dieſen verſchiedenen Strah¬
lungen der ſeeliſchen Exiſtenz etwas näher im Einzelnen
nachzugehen, damit klar werde, wie hiedurch gewiſſe, ich
möchte ſagen beſondere Seelen, oder Seelenkreiſe
in der Seele begründet werden, auf deren richtiger Er¬
kenntniß hauptſächlich Das beruht, was man gewöhnlich,
und, wie bereits oben gezeigt worden iſt, mit Unrecht, die
Lehre von Wechſelwirkung zwiſchen Leib und Seele ge¬
nannt hat.
Jene beſonderen Provinzen alſo, in welche der Orga¬
nismus ſich gliederte, waren Obigem zufolge, nächſt denen
dem Nervenſyſtem am meiſten verwandten der Sinnen-
und Bewegungsgebilde und des Skeleton, die der
Ernährung, und zwar theils die der Stoffaufnahme
und der Stoffverbreitung, theils die der Stoff¬
zerſetzung und Ausſtoßung. Die letzteren unterſcheiden
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/59>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.