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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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wir in der Seele das Urbild, oder die Idee, als ihr
Wesentlichstes anerkennen; es ist jedoch der Feruer keines¬
weges bloß das Urbild der Seele, sondern auch, wie aus
dem Folgenden erhellt, und wie es eben allein als ver¬
nunftgemäß von einem Urbilde gedacht werden muß, zu¬
gleich das Urbild des Körpers. Es heißt nämlich weiter 1:
Unter Feruer dachte man sich denn das ganze Urbild des
Menschen auch dem Körper nach; daher schrieb man
dem Feruer auch vor seiner Vereinigung mit dem wirk¬
lichen Körper eine menschliche Gestalt, und folglich auch
einen, obwohl unendlich feinen Körper zu. -- In Letzterm
tritt nun wieder eine kindliche, das ganz Abstrakte nicht zu
denken vermögende Vorstellungsweise hervor.

Dagegen ist Seele und Feruer wieder als eins ge¬
nommen, in jener, auch von Rhode angeführten, Stelle
des Bun-Dehesch, wo es heißt 2: "Wenn der Mensch stirbt,
so wird sein Leib Staub, und die Seele kehrt zum Himmel
zurück." Auf wesentlich gleiche Weise betrachten auch die
Lehren der Hindu's die Ewigkeit der göttlichen Idee, welche
zeitlich als Seele sich offenbart. Ich führe folgende Stelle
aus v. Bohlen (das alte Indien, 2. Theil, S. 324) in
dieser Beziehung hier an: Ungeboren und ewig ist auch die
inviduelle oder eingekörperte Seele (Sareira) ein Theil der
Weltseele, und von ihr emanirt, wie Funken von einer
brennend lodernden Flamme sich trennen; in den Körper
eingeschlossen wird sie thätig durch die Organe, wie ein
Künstler seine Instrumente nimmt, um zu arbeiten; durch
den Körper und seine Organe wird sie ebenfalls von
Empfindungen bewegt, und hat durch eben dieselben eine
Neigung zum Guten oder Bösen, welches in unendlich
vielfacher Form, ohne Gottes Mitwirkung von Ewigkeit vor¬
handen ist. Die Affekten aber, welche die individuelle Seele
treffen, haben keinen Einfluß auf das höchste Wesen, dessen

1 Ebendaselbst, Seite 397.
2 Ebendaselbst, Seite 396.

wir in der Seele das Urbild, oder die Idee, als ihr
Weſentlichſtes anerkennen; es iſt jedoch der Feruer keines¬
weges bloß das Urbild der Seele, ſondern auch, wie aus
dem Folgenden erhellt, und wie es eben allein als ver¬
nunftgemäß von einem Urbilde gedacht werden muß, zu¬
gleich das Urbild des Körpers. Es heißt nämlich weiter 1:
Unter Feruer dachte man ſich denn das ganze Urbild des
Menſchen auch dem Körper nach; daher ſchrieb man
dem Feruer auch vor ſeiner Vereinigung mit dem wirk¬
lichen Körper eine menſchliche Geſtalt, und folglich auch
einen, obwohl unendlich feinen Körper zu. — In Letzterm
tritt nun wieder eine kindliche, das ganz Abſtrakte nicht zu
denken vermögende Vorſtellungsweiſe hervor.

Dagegen iſt Seele und Feruer wieder als eins ge¬
nommen, in jener, auch von Rhode angeführten, Stelle
des Bun-Deheſch, wo es heißt 2: „Wenn der Menſch ſtirbt,
ſo wird ſein Leib Staub, und die Seele kehrt zum Himmel
zurück.“ Auf weſentlich gleiche Weiſe betrachten auch die
Lehren der Hindu's die Ewigkeit der göttlichen Idee, welche
zeitlich als Seele ſich offenbart. Ich führe folgende Stelle
aus v. Bohlen (das alte Indien, 2. Theil, S. 324) in
dieſer Beziehung hier an: Ungeboren und ewig iſt auch die
inviduelle oder eingekörperte Seele (Sârîra) ein Theil der
Weltſeele, und von ihr emanirt, wie Funken von einer
brennend lodernden Flamme ſich trennen; in den Körper
eingeſchloſſen wird ſie thätig durch die Organe, wie ein
Künſtler ſeine Inſtrumente nimmt, um zu arbeiten; durch
den Körper und ſeine Organe wird ſie ebenfalls von
Empfindungen bewegt, und hat durch eben dieſelben eine
Neigung zum Guten oder Böſen, welches in unendlich
vielfacher Form, ohne Gottes Mitwirkung von Ewigkeit vor¬
handen iſt. Die Affekten aber, welche die individuelle Seele
treffen, haben keinen Einfluß auf das höchſte Weſen, deſſen

1 Ebendaſelbſt, Seite 397.
2 Ebendaſelbſt, Seite 396.
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[487/0503] wir in der Seele das Urbild, oder die Idee, als ihr Weſentlichſtes anerkennen; es iſt jedoch der Feruer keines¬ weges bloß das Urbild der Seele, ſondern auch, wie aus dem Folgenden erhellt, und wie es eben allein als ver¬ nunftgemäß von einem Urbilde gedacht werden muß, zu¬ gleich das Urbild des Körpers. Es heißt nämlich weiter 1: Unter Feruer dachte man ſich denn das ganze Urbild des Menſchen auch dem Körper nach; daher ſchrieb man dem Feruer auch vor ſeiner Vereinigung mit dem wirk¬ lichen Körper eine menſchliche Geſtalt, und folglich auch einen, obwohl unendlich feinen Körper zu. — In Letzterm tritt nun wieder eine kindliche, das ganz Abſtrakte nicht zu denken vermögende Vorſtellungsweiſe hervor. Dagegen iſt Seele und Feruer wieder als eins ge¬ nommen, in jener, auch von Rhode angeführten, Stelle des Bun-Deheſch, wo es heißt 2: „Wenn der Menſch ſtirbt, ſo wird ſein Leib Staub, und die Seele kehrt zum Himmel zurück.“ Auf weſentlich gleiche Weiſe betrachten auch die Lehren der Hindu's die Ewigkeit der göttlichen Idee, welche zeitlich als Seele ſich offenbart. Ich führe folgende Stelle aus v. Bohlen (das alte Indien, 2. Theil, S. 324) in dieſer Beziehung hier an: Ungeboren und ewig iſt auch die inviduelle oder eingekörperte Seele (Sârîra) ein Theil der Weltſeele, und von ihr emanirt, wie Funken von einer brennend lodernden Flamme ſich trennen; in den Körper eingeſchloſſen wird ſie thätig durch die Organe, wie ein Künſtler ſeine Inſtrumente nimmt, um zu arbeiten; durch den Körper und ſeine Organe wird ſie ebenfalls von Empfindungen bewegt, und hat durch eben dieſelben eine Neigung zum Guten oder Böſen, welches in unendlich vielfacher Form, ohne Gottes Mitwirkung von Ewigkeit vor¬ handen iſt. Die Affekten aber, welche die individuelle Seele treffen, haben keinen Einfluß auf das höchſte Weſen, deſſen 1 Ebendaſelbſt, Seite 397. 2 Ebendaſelbſt, Seite 396.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/503>, abgerufen am 24.11.2024.