höchst einfach und klar, und führe uns mit einer solchen Sicherheit, daß unser innerstes Wahrheitsgewissen über sein Ergebniß auf keine Weise in Zweifel bleiben kann. Dessen ungeachtet ist es wichtig, theils über dieses Ergebniß sich selbst noch mehrfältig zu verständigen, theils zu beachten, wie Erkenntnisse dieser Art sich von jeher in den verschie¬ densten Formen in der Menschheit geregt haben. In letz¬ terer Beziehung ist namentlich ein Rückblick auf die Lehre des Hindu's und auf das Zendsystem wichtig, als in wel¬ chen das Wesen der obigen Erkenntniß, wenn in mannich¬ faltiger Verhüllung, doch sehr bestimmt sich verräth. Wer es vermöchte, mit obiger Erkenntniß ausgerüstet, hier die Quellen selbst anzugehen, nicht auf die vielfältigen späteren Auszüge und Uebersetzungen sich beziehen müßte, würde in dieser Hinsicht unfehlbar zu merkwürdigen Resultaten gelan¬ gen. -- So viel ist gewiß, daß die Zend-Schriften und Hindu-Lehre die Existenz des Wesens der menschlichen Seele nicht bloß, wie die späteren, jüdischen und christlichen Mythen, nach den Metamorphosen dieses irdischen Lebens, im Tode, sondern auch vor denselben (vor seiner Er¬ zeugung) feststellen. -- Eine Vorstellung von dem, was wir mit dem Namen des Urbildes der Idee bezeich¬ nen, zeigt sich aber in jenen Schriften unter dem Namen Feruer. Es heißt bei Rhode1: "die Menschen haben, wie jedes andere irdische Wesen, ihre Feruer's, welche von Ormuzd im Urbeginn der Dinge hervorgebracht wur¬ den, und die als selbstständige Wesen Ormuzd im Kampfe gegen Ahriman beim Anfange des dritten Zeitraums bei¬ standen, und ihm den Sieg verschafften; zur bestimmten Zeit steigen diese Feruer's vom Himmel herab, und ver¬ binden sich mit einem menschlichen Körper, und leben als Menschen." -- Es wird deßhalb auch mehrfältig das Wort Feruer und Oroue oder Oroneetche, welches Leben oder Seele bedeutet, als ein und dasselbe gebraucht, so wie auch
1 Die heilige Sage des Zendvolks, S. 395.
höchſt einfach und klar, und führe uns mit einer ſolchen Sicherheit, daß unſer innerſtes Wahrheitsgewiſſen über ſein Ergebniß auf keine Weiſe in Zweifel bleiben kann. Deſſen ungeachtet iſt es wichtig, theils über dieſes Ergebniß ſich ſelbſt noch mehrfältig zu verſtändigen, theils zu beachten, wie Erkenntniſſe dieſer Art ſich von jeher in den verſchie¬ denſten Formen in der Menſchheit geregt haben. In letz¬ terer Beziehung iſt namentlich ein Rückblick auf die Lehre des Hindu's und auf das Zendſyſtem wichtig, als in wel¬ chen das Weſen der obigen Erkenntniß, wenn in mannich¬ faltiger Verhüllung, doch ſehr beſtimmt ſich verräth. Wer es vermöchte, mit obiger Erkenntniß ausgerüſtet, hier die Quellen ſelbſt anzugehen, nicht auf die vielfältigen ſpäteren Auszüge und Ueberſetzungen ſich beziehen müßte, würde in dieſer Hinſicht unfehlbar zu merkwürdigen Reſultaten gelan¬ gen. — So viel iſt gewiß, daß die Zend-Schriften und Hindu-Lehre die Exiſtenz des Weſens der menſchlichen Seele nicht bloß, wie die ſpäteren, jüdiſchen und chriſtlichen Mythen, nach den Metamorphoſen dieſes irdiſchen Lebens, im Tode, ſondern auch vor denſelben (vor ſeiner Er¬ zeugung) feſtſtellen. — Eine Vorſtellung von dem, was wir mit dem Namen des Urbildes der Idee bezeich¬ nen, zeigt ſich aber in jenen Schriften unter dem Namen Feruer. Es heißt bei Rhode1: „die Menſchen haben, wie jedes andere irdiſche Weſen, ihre Feruer's, welche von Ormuzd im Urbeginn der Dinge hervorgebracht wur¬ den, und die als ſelbſtſtändige Weſen Ormuzd im Kampfe gegen Ahriman beim Anfange des dritten Zeitraums bei¬ ſtanden, und ihm den Sieg verſchafften; zur beſtimmten Zeit ſteigen dieſe Feruer's vom Himmel herab, und ver¬ binden ſich mit einem menſchlichen Körper, und leben als Menſchen.“ — Es wird deßhalb auch mehrfältig das Wort Feruer und Oroué oder Oroneétché, welches Leben oder Seele bedeutet, als ein und daſſelbe gebraucht, ſo wie auch
1 Die heilige Sage des Zendvolks, S. 395.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0502"n="486"/>
höchſt einfach und klar, und führe uns mit einer ſolchen<lb/>
Sicherheit, daß unſer innerſtes Wahrheitsgewiſſen über ſein<lb/>
Ergebniß auf keine Weiſe in Zweifel bleiben kann. Deſſen<lb/>
ungeachtet iſt es wichtig, theils über dieſes Ergebniß ſich<lb/>ſelbſt noch mehrfältig zu verſtändigen, theils zu beachten,<lb/>
wie Erkenntniſſe dieſer Art ſich von jeher in den verſchie¬<lb/>
denſten Formen in der Menſchheit geregt haben. In letz¬<lb/>
terer Beziehung iſt namentlich ein Rückblick auf die Lehre<lb/>
des <hirendition="#g">Hindu's</hi> und auf das <hirendition="#g">Zendſyſtem</hi> wichtig, als in wel¬<lb/>
chen das Weſen der obigen Erkenntniß, wenn in mannich¬<lb/>
faltiger Verhüllung, doch ſehr beſtimmt ſich verräth. Wer<lb/>
es vermöchte, mit obiger Erkenntniß ausgerüſtet, hier die<lb/>
Quellen ſelbſt anzugehen, nicht auf die vielfältigen ſpäteren<lb/>
Auszüge und Ueberſetzungen ſich beziehen müßte, würde in<lb/>
dieſer Hinſicht unfehlbar zu merkwürdigen Reſultaten gelan¬<lb/>
gen. — So viel iſt gewiß, daß die Zend-Schriften und<lb/>
Hindu-Lehre die Exiſtenz des Weſens der menſchlichen Seele<lb/>
nicht bloß, wie die ſpäteren, jüdiſchen und chriſtlichen<lb/>
Mythen, <hirendition="#g">nach</hi> den Metamorphoſen dieſes irdiſchen Lebens,<lb/>
im Tode, ſondern auch <hirendition="#g">vor</hi> denſelben (vor ſeiner Er¬<lb/>
zeugung) feſtſtellen. — Eine Vorſtellung von dem, was<lb/>
wir mit dem Namen des <hirendition="#g">Urbildes der Idee</hi> bezeich¬<lb/>
nen, zeigt ſich aber in jenen Schriften unter dem Namen<lb/><hirendition="#aq">Feruer</hi>. Es heißt bei <hirendition="#g">Rhode</hi><noteplace="foot"n="1">Die heilige Sage des Zendvolks, S. 395.</note>: „die Menſchen haben,<lb/>
wie jedes andere irdiſche Weſen, ihre <hirendition="#aq">Feruer's</hi>, welche<lb/>
von Ormuzd im Urbeginn der Dinge hervorgebracht wur¬<lb/>
den, und die als ſelbſtſtändige Weſen Ormuzd im Kampfe<lb/>
gegen Ahriman beim Anfange des dritten Zeitraums bei¬<lb/>ſtanden, und ihm den Sieg verſchafften; zur beſtimmten<lb/>
Zeit ſteigen dieſe <hirendition="#aq">Feruer's</hi> vom Himmel herab, und ver¬<lb/>
binden ſich mit einem menſchlichen Körper, und leben als<lb/>
Menſchen.“— Es wird deßhalb auch mehrfältig das Wort<lb/><hirendition="#aq">Feruer</hi> und <hirendition="#aq">Oroué</hi> oder <hirendition="#aq">Oroneétché</hi>, welches Leben oder<lb/>
Seele bedeutet, als ein und daſſelbe gebraucht, ſo wie auch<lb/></p></div></body></text></TEI>
[486/0502]
höchſt einfach und klar, und führe uns mit einer ſolchen
Sicherheit, daß unſer innerſtes Wahrheitsgewiſſen über ſein
Ergebniß auf keine Weiſe in Zweifel bleiben kann. Deſſen
ungeachtet iſt es wichtig, theils über dieſes Ergebniß ſich
ſelbſt noch mehrfältig zu verſtändigen, theils zu beachten,
wie Erkenntniſſe dieſer Art ſich von jeher in den verſchie¬
denſten Formen in der Menſchheit geregt haben. In letz¬
terer Beziehung iſt namentlich ein Rückblick auf die Lehre
des Hindu's und auf das Zendſyſtem wichtig, als in wel¬
chen das Weſen der obigen Erkenntniß, wenn in mannich¬
faltiger Verhüllung, doch ſehr beſtimmt ſich verräth. Wer
es vermöchte, mit obiger Erkenntniß ausgerüſtet, hier die
Quellen ſelbſt anzugehen, nicht auf die vielfältigen ſpäteren
Auszüge und Ueberſetzungen ſich beziehen müßte, würde in
dieſer Hinſicht unfehlbar zu merkwürdigen Reſultaten gelan¬
gen. — So viel iſt gewiß, daß die Zend-Schriften und
Hindu-Lehre die Exiſtenz des Weſens der menſchlichen Seele
nicht bloß, wie die ſpäteren, jüdiſchen und chriſtlichen
Mythen, nach den Metamorphoſen dieſes irdiſchen Lebens,
im Tode, ſondern auch vor denſelben (vor ſeiner Er¬
zeugung) feſtſtellen. — Eine Vorſtellung von dem, was
wir mit dem Namen des Urbildes der Idee bezeich¬
nen, zeigt ſich aber in jenen Schriften unter dem Namen
Feruer. Es heißt bei Rhode 1: „die Menſchen haben,
wie jedes andere irdiſche Weſen, ihre Feruer's, welche
von Ormuzd im Urbeginn der Dinge hervorgebracht wur¬
den, und die als ſelbſtſtändige Weſen Ormuzd im Kampfe
gegen Ahriman beim Anfange des dritten Zeitraums bei¬
ſtanden, und ihm den Sieg verſchafften; zur beſtimmten
Zeit ſteigen dieſe Feruer's vom Himmel herab, und ver¬
binden ſich mit einem menſchlichen Körper, und leben als
Menſchen.“ — Es wird deßhalb auch mehrfältig das Wort
Feruer und Oroué oder Oroneétché, welches Leben oder
Seele bedeutet, als ein und daſſelbe gebraucht, ſo wie auch
1 Die heilige Sage des Zendvolks, S. 395.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 486. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/502>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.