nun, welche wir als vollkommenstes Unbewußtsein einer¬ seits und höchstes Bewußtsein andererseits eben bezeichnet haben, liegt endlich als ein Mittleres die Art des Seins, worin dasjenige göttliche Urbild, welches in Form einer menschlichen Seele sich darlebt, sich zu offenbaren bestimmt ist. Eine eigenthümliche Mischung des Unbewußten und Be¬ wußten ist diesem durch und durch festgesetzt und bestimmt, und ein Vorwalten bald des einen, bald des andern, ein Schwanken zwischen beiden, und auch ein stätes Be¬ dingtsein des einen durch das andere, ist entschieden was in allen unsern Betrachtungen, bei jeder Lebensregung sich als ihm ganz wesentlich darstellen und offenbaren muß. Das Unbewußte in ihm ist es, welches, gleich allen unbe¬ wußten Ideen der Welt, als integrirender Theil jenes ewigen Mysteriums selbst erscheint, und welches eben darum die schöpferische, das zeitliche vergängliche Abbild -- den Organismus -- erschaffende Gewalt haben wird (denn alles Schaffen, alles organische Erzeugen kann nur unmittel¬ bar von dem höchsten Mysterium ausgehen, dem bewußten Geiste ist allemal nur eine künstliche Schöpfung anheim¬ gegeben) -- das Bewußte dagegen ist es, welches dann wenn es in dieser partiellen endlichen Schöpfung des Leibes sich spiegelt, sich als ein Besonderes, als ein Freies, als ein Göttliches zu erkennen bestimmt ist. -- Auch dieses indi¬ viduell Bewußte theilt nun allerdings in gewissem Maße die Eigenthümlichkeit höchsten Bewußtseins, unabhängig zu sein in seinem Selbstschauen von der Vergänglichkeit und Veränderlichkeit der Offenbarung in der erschaffenen leib¬ lichen Form, und es beweist sich dieses, indem der Geist als einer und derselbe sich erkennt, trotz der reißend dahin¬ ziehenden Metamorphose des Leibes. -- Der Leib hört nicht auf unterzugehen, dies war schon Plato deutlich, und nichts desto weniger und trotz diesem stäten Sterben der Organi¬ sation und ihrer rastlosen Erneuerung, spiegelt doch der eine bewußte Geist in diesem stäten Wechsel sich immer als
nun, welche wir als vollkommenſtes Unbewußtſein einer¬ ſeits und höchſtes Bewußtſein andererſeits eben bezeichnet haben, liegt endlich als ein Mittleres die Art des Seins, worin dasjenige göttliche Urbild, welches in Form einer menſchlichen Seele ſich darlebt, ſich zu offenbaren beſtimmt iſt. Eine eigenthümliche Miſchung des Unbewußten und Be¬ wußten iſt dieſem durch und durch feſtgeſetzt und beſtimmt, und ein Vorwalten bald des einen, bald des andern, ein Schwanken zwiſchen beiden, und auch ein ſtätes Be¬ dingtſein des einen durch das andere, iſt entſchieden was in allen unſern Betrachtungen, bei jeder Lebensregung ſich als ihm ganz weſentlich darſtellen und offenbaren muß. Das Unbewußte in ihm iſt es, welches, gleich allen unbe¬ wußten Ideen der Welt, als integrirender Theil jenes ewigen Myſteriums ſelbſt erſcheint, und welches eben darum die ſchöpferiſche, das zeitliche vergängliche Abbild — den Organismus — erſchaffende Gewalt haben wird (denn alles Schaffen, alles organiſche Erzeugen kann nur unmittel¬ bar von dem höchſten Myſterium ausgehen, dem bewußten Geiſte iſt allemal nur eine künſtliche Schöpfung anheim¬ gegeben) — das Bewußte dagegen iſt es, welches dann wenn es in dieſer partiellen endlichen Schöpfung des Leibes ſich ſpiegelt, ſich als ein Beſonderes, als ein Freies, als ein Göttliches zu erkennen beſtimmt iſt. — Auch dieſes indi¬ viduell Bewußte theilt nun allerdings in gewiſſem Maße die Eigenthümlichkeit höchſten Bewußtſeins, unabhängig zu ſein in ſeinem Selbſtſchauen von der Vergänglichkeit und Veränderlichkeit der Offenbarung in der erſchaffenen leib¬ lichen Form, und es beweist ſich dieſes, indem der Geiſt als einer und derſelbe ſich erkennt, trotz der reißend dahin¬ ziehenden Metamorphoſe des Leibes. — Der Leib hört nicht auf unterzugehen, dies war ſchon Plato deutlich, und nichts deſto weniger und trotz dieſem ſtäten Sterben der Organi¬ ſation und ihrer raſtloſen Erneuerung, ſpiegelt doch der eine bewußte Geiſt in dieſem ſtäten Wechſel ſich immer als
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nun, welche wir als vollkommenſtes Unbewußtſein einer¬
ſeits und höchſtes Bewußtſein andererſeits eben bezeichnet
haben, liegt endlich als ein Mittleres die Art des Seins,
worin dasjenige göttliche Urbild, welches in Form einer
menſchlichen Seele ſich darlebt, ſich zu offenbaren beſtimmt
iſt. Eine eigenthümliche Miſchung des Unbewußten und Be¬
wußten iſt dieſem durch und durch feſtgeſetzt und beſtimmt,
und ein Vorwalten bald des einen, bald des andern,
ein Schwanken zwiſchen beiden, und auch ein ſtätes Be¬
dingtſein des einen durch das andere, iſt entſchieden was
in allen unſern Betrachtungen, bei jeder Lebensregung ſich
als ihm ganz weſentlich darſtellen und offenbaren muß.
Das Unbewußte in ihm iſt es, welches, gleich allen unbe¬
wußten Ideen der Welt, als integrirender Theil jenes
ewigen Myſteriums ſelbſt erſcheint, und welches eben darum
die ſchöpferiſche, das zeitliche vergängliche Abbild — den
Organismus — erſchaffende Gewalt haben wird (denn
alles Schaffen, alles organiſche Erzeugen kann nur unmittel¬
bar von dem höchſten Myſterium ausgehen, dem bewußten
Geiſte iſt allemal nur eine künſtliche Schöpfung anheim¬
gegeben) — das Bewußte dagegen iſt es, welches dann
wenn es in dieſer partiellen endlichen Schöpfung des Leibes
ſich ſpiegelt, ſich als ein Beſonderes, als ein Freies, als
ein Göttliches zu erkennen beſtimmt iſt. — Auch dieſes indi¬
viduell Bewußte theilt nun allerdings in gewiſſem Maße
die Eigenthümlichkeit höchſten Bewußtſeins, unabhängig zu
ſein in ſeinem Selbſtſchauen von der Vergänglichkeit und
Veränderlichkeit der Offenbarung in der erſchaffenen leib¬
lichen Form, und es beweist ſich dieſes, indem der Geiſt
als einer und derſelbe ſich erkennt, trotz der reißend dahin¬
ziehenden Metamorphoſe des Leibes. — Der Leib hört nicht
auf unterzugehen, dies war ſchon Plato deutlich, und nichts
deſto weniger und trotz dieſem ſtäten Sterben der Organi¬
ſation und ihrer raſtloſen Erneuerung, ſpiegelt doch der
eine bewußte Geiſt in dieſem ſtäten Wechſel ſich immer als
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/499>, abgerufen am 24.11.2024.
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