wichtig dabei das Wort selbst zuerst nach seiner Entstehung und nach seiner Wurzel zu beachten. Das Stammwort aber ist Ewa1 und merkwürdigerweise schließt schon dieses neben dem Begriff einer unendlichen Dauer, den Begriff des "Gesetzes" (daher auch das Wort Ehe) mit ein. Schon durch diese Sprachform werden wir also darauf geführt an¬ zuerkennen, daß "ewig" nur ausgesagt werden könne von dem, was gleich dem Begriffe des Gesetzes, nicht sowohl eine reale sinnlich erscheinende Existenz hat, sondern von dem, was ein Gedankenhaftes -- ein Abstraktes ist. Wei¬ ter nachdenkend, finden wir denn auch wirklich bald, daß Alles, was da wird, d. h. auf irgend eine Weise anhebt, entsteht, sich seinem Wesen nach umbilden und ändern kann, und deßhalb nur in einem durch die Zeit bedingten Dasein erscheint, als solches auch nicht ein Ewiges, sondern nur ein Zeitliches genannt werden darf. Wir kommen daher auf diese Weise zu der Erkenntniß der Wahrheit, daß über¬ haupt nicht das, was da "wird", sondern nur das, was da wahrhaft "ist", auf das Prädicat der Ewigkeit Anspruch machen darf.
Was da also wirklich "ist", was der stäten absolut ruhelosen Flucht von Vergangenheit und Zukunft, in welcher alles sogenannte Wirkliche eingeschlossen ist, sich völlig entzieht und in einer wahren und unendlichen Ge¬ genwart verharrt, nur von dem können wir aussagen, es sei ewig. -- Ewig in diesem Sinne ist sonach nur zuerst das höchste göttliche Mysterium selbst, und ewig in so fern sind die Ausstrahlungen dieses Mysteriums, die Ideen und das Werden an sich, d. h. die unendlichen stätigen Offen¬ barungen der Idee im Aether oder das Werdende schlechthin und im Allgemeinen. Alles, was dagegen im Besondern wird, was in irgend einer Weise erst in der Zeit entsteht, nur in ihr ein Wirkliches, Anderes werden kann, trägt auch eben deßhalb das Siegel der Vergänglichkeit an sich.
1 W. Graff, Althochdeutscher Sprachschatz. 1. Bd. S. 506.
wichtig dabei das Wort ſelbſt zuerſt nach ſeiner Entſtehung und nach ſeiner Wurzel zu beachten. Das Stammwort aber iſt Ewa1 und merkwürdigerweiſe ſchließt ſchon dieſes neben dem Begriff einer unendlichen Dauer, den Begriff des „Geſetzes“ (daher auch das Wort Ehe) mit ein. Schon durch dieſe Sprachform werden wir alſo darauf geführt an¬ zuerkennen, daß „ewig“ nur ausgeſagt werden könne von dem, was gleich dem Begriffe des Geſetzes, nicht ſowohl eine reale ſinnlich erſcheinende Exiſtenz hat, ſondern von dem, was ein Gedankenhaftes — ein Abſtraktes iſt. Wei¬ ter nachdenkend, finden wir denn auch wirklich bald, daß Alles, was da wird, d. h. auf irgend eine Weiſe anhebt, entſteht, ſich ſeinem Weſen nach umbilden und ändern kann, und deßhalb nur in einem durch die Zeit bedingten Daſein erſcheint, als ſolches auch nicht ein Ewiges, ſondern nur ein Zeitliches genannt werden darf. Wir kommen daher auf dieſe Weiſe zu der Erkenntniß der Wahrheit, daß über¬ haupt nicht das, was da „wird“, ſondern nur das, was da wahrhaft „iſt“, auf das Prädicat der Ewigkeit Anſpruch machen darf.
Was da alſo wirklich „iſt“, was der ſtäten abſolut ruheloſen Flucht von Vergangenheit und Zukunft, in welcher alles ſogenannte Wirkliche eingeſchloſſen iſt, ſich völlig entzieht und in einer wahren und unendlichen Ge¬ genwart verharrt, nur von dem können wir ausſagen, es ſei ewig. — Ewig in dieſem Sinne iſt ſonach nur zuerſt das höchſte göttliche Myſterium ſelbſt, und ewig in ſo fern ſind die Ausſtrahlungen dieſes Myſteriums, die Ideen und das Werden an ſich, d. h. die unendlichen ſtätigen Offen¬ barungen der Idee im Aether oder das Werdende ſchlechthin und im Allgemeinen. Alles, was dagegen im Beſondern wird, was in irgend einer Weiſe erſt in der Zeit entſteht, nur in ihr ein Wirkliches, Anderes werden kann, trägt auch eben deßhalb das Siegel der Vergänglichkeit an ſich.
1 W. Graff, Althochdeutſcher Sprachſchatz. 1. Bd. S. 506.
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und nach ſeiner Wurzel zu beachten. Das Stammwort
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neben dem Begriff einer unendlichen Dauer, den Begriff
des „Geſetzes“ (daher auch das Wort Ehe) mit ein. Schon
durch dieſe Sprachform werden wir alſo darauf geführt an¬
zuerkennen, daß „ewig“ nur ausgeſagt werden könne von
dem, was gleich dem Begriffe des Geſetzes, nicht ſowohl
eine reale ſinnlich erſcheinende Exiſtenz hat, ſondern von
dem, was ein Gedankenhaftes — ein Abſtraktes iſt. Wei¬
ter nachdenkend, finden wir denn auch wirklich bald, daß
Alles, was da wird, d. h. auf irgend eine Weiſe anhebt,
entſteht, ſich ſeinem Weſen nach umbilden und ändern kann,
und deßhalb nur in einem durch die Zeit bedingten Daſein
erſcheint, als ſolches auch nicht ein Ewiges, ſondern nur
ein Zeitliches genannt werden darf. Wir kommen daher
auf dieſe Weiſe zu der Erkenntniß der Wahrheit, daß über¬
haupt nicht das, was da „wird“, ſondern nur das, was
da wahrhaft „iſt“, auf das Prädicat der Ewigkeit Anſpruch
machen darf.
Was da alſo wirklich „iſt“, was der ſtäten abſolut
ruheloſen Flucht von Vergangenheit und Zukunft, in
welcher alles ſogenannte Wirkliche eingeſchloſſen iſt, ſich
völlig entzieht und in einer wahren und unendlichen Ge¬
genwart verharrt, nur von dem können wir ausſagen, es
ſei ewig. — Ewig in dieſem Sinne iſt ſonach nur zuerſt
das höchſte göttliche Myſterium ſelbſt, und ewig in ſo fern
ſind die Ausſtrahlungen dieſes Myſteriums, die Ideen und
das Werden an ſich, d. h. die unendlichen ſtätigen Offen¬
barungen der Idee im Aether oder das Werdende ſchlechthin
und im Allgemeinen. Alles, was dagegen im Beſondern
wird, was in irgend einer Weiſe erſt in der Zeit entſteht,
nur in ihr ein Wirkliches, Anderes werden kann, trägt
auch eben deßhalb das Siegel der Vergänglichkeit an ſich.
1 W. Graff, Althochdeutſcher Sprachſchatz. 1. Bd. S. 506.
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 466. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/482>, abgerufen am 27.11.2024.
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