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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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der Geisteskrankheiten begünstigt. Im zarten Kindesalter
gibt es eben deßhalb nur eine Form, welche zeitig sich
bemerklich macht, das ist eben die, wo wegen Störung
unbewußten Bildungslebens im Hirn überhaupt keine geistige
Entwicklung möglich wird -- der Blödsinn. Eben so wenig
ist beim rohen Wilden von Krankheitserscheinungen am Geiste
zu bemerken, und alles dies deutet darauf, daß nicht ohne
eine gewisse Höhe geistiger Ausbildung der Reflex einer
Krankheit des Unbewußten auf das Bewußte vorkommen
kann -- was denn auch sehr natürlich ist, denn damit
etwas irgend eine Veränderung erleiden könne, muß es
zuvörderst überhaupt sein. Können wir doch im Kreise
des ganz unbewußten Lebens ganz dasselbe bemerken; so
pflegen sich Brustkrankheiten erst auszubilden in einem Alter,
wo die Entwicklung der Athemorgane sich vollendet, Ge¬
schlechtskrankheiten erst nach der Pubertät aufzutreten u. s. w.

Es führen uns diese Betrachtungen ferner auf die
Entstehung der Krankheitserscheinungen des Gei¬
stes
, und es muß hier sogleich ein Moment zur Erwähnung
kommen, welches das Eingewurzeltsein derselben im Unbe¬
wußten sehr deutlich nachweist, nämlich die so vielfältig
beobachtete Erblichkeit derselben. Es ist nicht selten, Fa¬
milien zu finden, wo von Generation zu Generation immer
mehrere Personen diesem beklagenswerthen Zustande anheim
fallen, und natürlich wäre auch dies nicht möglich, in so
fern nicht eben jene unbewußt entwickelte Gestaltung, welche
eben am ersten von Eltern auf Kinder fortgepflanzt werden
kann, doch allemal zuletzt die wesentliche Ursache derselben
enthielte. Die freie That des Geistes ist jedem Individuum
als solchem eigen, nicht aber hat er sich selbst gegeben die
unbewußte Entwicklung seines organischen Daseins.

Die sonstigen Momente, welche Entstehung von Geistes¬
krankheiten bedingen können, liegen theils in der bewußten,
theils, und wesentlich zuletzt allemal, in der unbewußten
Sphäre; denn Jedem wird es bei näherm Erwägen so¬

der Geiſteskrankheiten begünſtigt. Im zarten Kindesalter
gibt es eben deßhalb nur eine Form, welche zeitig ſich
bemerklich macht, das iſt eben die, wo wegen Störung
unbewußten Bildungslebens im Hirn überhaupt keine geiſtige
Entwicklung möglich wird — der Blödſinn. Eben ſo wenig
iſt beim rohen Wilden von Krankheitserſcheinungen am Geiſte
zu bemerken, und alles dies deutet darauf, daß nicht ohne
eine gewiſſe Höhe geiſtiger Ausbildung der Reflex einer
Krankheit des Unbewußten auf das Bewußte vorkommen
kann — was denn auch ſehr natürlich iſt, denn damit
etwas irgend eine Veränderung erleiden könne, muß es
zuvörderſt überhaupt ſein. Können wir doch im Kreiſe
des ganz unbewußten Lebens ganz daſſelbe bemerken; ſo
pflegen ſich Bruſtkrankheiten erſt auszubilden in einem Alter,
wo die Entwicklung der Athemorgane ſich vollendet, Ge¬
ſchlechtskrankheiten erſt nach der Pubertät aufzutreten u. ſ. w.

Es führen uns dieſe Betrachtungen ferner auf die
Entſtehung der Krankheitserſcheinungen des Gei¬
ſtes
, und es muß hier ſogleich ein Moment zur Erwähnung
kommen, welches das Eingewurzeltſein derſelben im Unbe¬
wußten ſehr deutlich nachweist, nämlich die ſo vielfältig
beobachtete Erblichkeit derſelben. Es iſt nicht ſelten, Fa¬
milien zu finden, wo von Generation zu Generation immer
mehrere Perſonen dieſem beklagenswerthen Zuſtande anheim
fallen, und natürlich wäre auch dies nicht möglich, in ſo
fern nicht eben jene unbewußt entwickelte Geſtaltung, welche
eben am erſten von Eltern auf Kinder fortgepflanzt werden
kann, doch allemal zuletzt die weſentliche Urſache derſelben
enthielte. Die freie That des Geiſtes iſt jedem Individuum
als ſolchem eigen, nicht aber hat er ſich ſelbſt gegeben die
unbewußte Entwicklung ſeines organiſchen Daſeins.

Die ſonſtigen Momente, welche Entſtehung von Geiſtes¬
krankheiten bedingen können, liegen theils in der bewußten,
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[451/0467] der Geiſteskrankheiten begünſtigt. Im zarten Kindesalter gibt es eben deßhalb nur eine Form, welche zeitig ſich bemerklich macht, das iſt eben die, wo wegen Störung unbewußten Bildungslebens im Hirn überhaupt keine geiſtige Entwicklung möglich wird — der Blödſinn. Eben ſo wenig iſt beim rohen Wilden von Krankheitserſcheinungen am Geiſte zu bemerken, und alles dies deutet darauf, daß nicht ohne eine gewiſſe Höhe geiſtiger Ausbildung der Reflex einer Krankheit des Unbewußten auf das Bewußte vorkommen kann — was denn auch ſehr natürlich iſt, denn damit etwas irgend eine Veränderung erleiden könne, muß es zuvörderſt überhaupt ſein. Können wir doch im Kreiſe des ganz unbewußten Lebens ganz daſſelbe bemerken; ſo pflegen ſich Bruſtkrankheiten erſt auszubilden in einem Alter, wo die Entwicklung der Athemorgane ſich vollendet, Ge¬ ſchlechtskrankheiten erſt nach der Pubertät aufzutreten u. ſ. w. Es führen uns dieſe Betrachtungen ferner auf die Entſtehung der Krankheitserſcheinungen des Gei¬ ſtes, und es muß hier ſogleich ein Moment zur Erwähnung kommen, welches das Eingewurzeltſein derſelben im Unbe¬ wußten ſehr deutlich nachweist, nämlich die ſo vielfältig beobachtete Erblichkeit derſelben. Es iſt nicht ſelten, Fa¬ milien zu finden, wo von Generation zu Generation immer mehrere Perſonen dieſem beklagenswerthen Zuſtande anheim fallen, und natürlich wäre auch dies nicht möglich, in ſo fern nicht eben jene unbewußt entwickelte Geſtaltung, welche eben am erſten von Eltern auf Kinder fortgepflanzt werden kann, doch allemal zuletzt die weſentliche Urſache derſelben enthielte. Die freie That des Geiſtes iſt jedem Individuum als ſolchem eigen, nicht aber hat er ſich ſelbſt gegeben die unbewußte Entwicklung ſeines organiſchen Daſeins. Die ſonſtigen Momente, welche Entſtehung von Geiſtes¬ krankheiten bedingen können, liegen theils in der bewußten, theils, und weſentlich zuletzt allemal, in der unbewußten Sphäre; denn Jedem wird es bei näherm Erwägen ſo¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 451. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/467>, abgerufen am 24.11.2024.