edlere und bedeutendere Natur ist er eben so anwendbar wie auf die niedere und gemeine, ja eben so gilt etwas Aehnliches vom Thier. Es ist daher ausdrücklich zu bemer¬ ken, daß die Bezeichnung Urbild des Menschen hier nur von der jedem Einzelnen zum Grunde liegenden besonderen Monas gilt, und daß, so sehr verschieden auch die Ideen sein mögen, doch für jede derselben nur das ihr beson¬ ders Angemessene der Erscheinung damit gemeint sein kann. Dabei ist jedoch das allerdings zu bemerken, daß jeder Organismus, je nach seiner besondern Individualität, durch denjenigen Zustand, den wir als Gesundheit des unbe¬ wußten Lebens gegenwärtig haben kennen lernen, allemal in besonders günstiger Weise zur äußern Erscheinung kommt; also, wenn er auch dadurch nicht einen andern edlern Typus annehmen kann, doch einen eigenthümlichen Schimmer gerade seines Daseins bekommen wird, ein Schimmer, welcher ihm bei gestörter Gesundheit fehlt und welcher dem bewußten Geiste einer andern Seele sich stets durch eine besondere Art von Schönheit, gleichsam als durch ein äußeres Symbol deutlich verrathen wird. So z. B. wird der eigene Schim¬ mer und Hauch, den wir über ein noch ganz zartes ge¬ sundes Kind, oder über einen schlafenden erwachsenen gesunden Menschen verbreitet sehen (wo also in beiden Fällen die Wirkung innern Geistes sich keinesweges geltend machen kann), dem Wissenden sogleich das Zeichen sein der dort waltenden gesunden unbewußten Seele; und ein eignes Wohlgefallen, eine gewisse Freude daran wird uns aus solcher Anschauung unfehlbar hervorgehen. Außerdem wird die Rückwirkung eines solchen Zustandes auf das eigene Leben eine sehr mächtige sein; nur vermöge dieses wird der Organismus so selbstständig, als es ihm überhaupt möglich ist, nur durch diesen widersteht er kräftiger gewaltsamen zerstörenden Einwirkungen von außen, nur durch diesen gewinnt er bedeutende Macht, selbst seinerseits bestimmend auf äußere Natur zu wirken und später im Dienste des
edlere und bedeutendere Natur iſt er eben ſo anwendbar wie auf die niedere und gemeine, ja eben ſo gilt etwas Aehnliches vom Thier. Es iſt daher ausdrücklich zu bemer¬ ken, daß die Bezeichnung Urbild des Menſchen hier nur von der jedem Einzelnen zum Grunde liegenden beſonderen Monas gilt, und daß, ſo ſehr verſchieden auch die Ideen ſein mögen, doch für jede derſelben nur das ihr beſon¬ ders Angemeſſene der Erſcheinung damit gemeint ſein kann. Dabei iſt jedoch das allerdings zu bemerken, daß jeder Organismus, je nach ſeiner beſondern Individualität, durch denjenigen Zuſtand, den wir als Geſundheit des unbe¬ wußten Lebens gegenwärtig haben kennen lernen, allemal in beſonders günſtiger Weiſe zur äußern Erſcheinung kommt; alſo, wenn er auch dadurch nicht einen andern edlern Typus annehmen kann, doch einen eigenthümlichen Schimmer gerade ſeines Daſeins bekommen wird, ein Schimmer, welcher ihm bei geſtörter Geſundheit fehlt und welcher dem bewußten Geiſte einer andern Seele ſich ſtets durch eine beſondere Art von Schönheit, gleichſam als durch ein äußeres Symbol deutlich verrathen wird. So z. B. wird der eigene Schim¬ mer und Hauch, den wir über ein noch ganz zartes ge¬ ſundes Kind, oder über einen ſchlafenden erwachſenen geſunden Menſchen verbreitet ſehen (wo alſo in beiden Fällen die Wirkung innern Geiſtes ſich keinesweges geltend machen kann), dem Wiſſenden ſogleich das Zeichen ſein der dort waltenden geſunden unbewußten Seele; und ein eignes Wohlgefallen, eine gewiſſe Freude daran wird uns aus ſolcher Anſchauung unfehlbar hervorgehen. Außerdem wird die Rückwirkung eines ſolchen Zuſtandes auf das eigene Leben eine ſehr mächtige ſein; nur vermöge dieſes wird der Organismus ſo ſelbſtſtändig, als es ihm überhaupt möglich iſt, nur durch dieſen widerſteht er kräftiger gewaltſamen zerſtörenden Einwirkungen von außen, nur durch dieſen gewinnt er bedeutende Macht, ſelbſt ſeinerſeits beſtimmend auf äußere Natur zu wirken und ſpäter im Dienſte des
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edlere und bedeutendere Natur iſt er eben ſo anwendbar
wie auf die niedere und gemeine, ja eben ſo gilt etwas
Aehnliches vom Thier. Es iſt daher ausdrücklich zu bemer¬
ken, daß die Bezeichnung Urbild des Menſchen hier nur von
der jedem Einzelnen zum Grunde liegenden beſonderen
Monas gilt, und daß, ſo ſehr verſchieden auch die Ideen
ſein mögen, doch für jede derſelben nur das ihr beſon¬
ders Angemeſſene der Erſcheinung damit gemeint ſein
kann. Dabei iſt jedoch das allerdings zu bemerken, daß jeder
Organismus, je nach ſeiner beſondern Individualität, durch
denjenigen Zuſtand, den wir als Geſundheit des unbe¬
wußten Lebens gegenwärtig haben kennen lernen, allemal
in beſonders günſtiger Weiſe zur äußern Erſcheinung kommt;
alſo, wenn er auch dadurch nicht einen andern edlern Typus
annehmen kann, doch einen eigenthümlichen Schimmer gerade
ſeines Daſeins bekommen wird, ein Schimmer, welcher
ihm bei geſtörter Geſundheit fehlt und welcher dem bewußten
Geiſte einer andern Seele ſich ſtets durch eine beſondere Art
von Schönheit, gleichſam als durch ein äußeres Symbol
deutlich verrathen wird. So z. B. wird der eigene Schim¬
mer und Hauch, den wir über ein noch ganz zartes ge¬
ſundes Kind, oder über einen ſchlafenden erwachſenen
geſunden Menſchen verbreitet ſehen (wo alſo in beiden
Fällen die Wirkung innern Geiſtes ſich keinesweges geltend
machen kann), dem Wiſſenden ſogleich das Zeichen ſein der
dort waltenden geſunden unbewußten Seele; und ein eignes
Wohlgefallen, eine gewiſſe Freude daran wird uns aus
ſolcher Anſchauung unfehlbar hervorgehen. Außerdem wird
die Rückwirkung eines ſolchen Zuſtandes auf das eigene
Leben eine ſehr mächtige ſein; nur vermöge dieſes wird der
Organismus ſo ſelbſtſtändig, als es ihm überhaupt möglich
iſt, nur durch dieſen widerſteht er kräftiger gewaltſamen
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/439>, abgerufen am 22.11.2024.
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