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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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die Wirkung über und kommt erst auf diesem Umwege
zum Bewußtsein. Die unmittelbare ist zum Theil die,
welche oben erwähnt wurde, wo die bewußte Sinneswahr¬
nehmung kennen lehrt was Unbewußtes in der andern Seele
sich regt, zum andern Theil könnte es wohl auch da, wo
eine innige Beziehung zwischen zwei Seelen besteht, vor¬
kommen, daß geradezu in der einen Seele das in der Form
des Gedankens, also im Bewußtsein aufstiege, was in der
andern Seele nur als unbewußtes Gefühl rege geworden war.

Wir gehen nun über zu Betrachtung des Verhält¬
nisses der Seele zur Natur
. Streng genommen
hätten wir diesen Abschnitt gleich mit dem nächstfolgenden
vom Verhältniß der Seele zu Gott zusammenziehen sollen,
denn was wir Natur nennen, die Welt die uns umgibt,
der Boden auf dem wir leben, das Wasser das uns tränkt
und trägt, die Luft die wir athmen und die in tausend¬
fältigen Spiegelungen und Wolkenformen uns entzücken
kann, der Wald der uns beschattet, die Blume die uns
duftet, es sind doch zuhöchst nur unendlich wechselnde Er¬
scheinungen ewiger Gedanken jenes einen höchsten Mysterium
welches wir Gott nennen. -- Freilich würde das aber auch
noch weiter führen, denn am Ende ist Alles, wir selbst, die
Menschheit die auf uns wirkt und für und durch welche wir
uns entwickeln, auch wieder nur Offenbarung der Gedanken
dieses Einen, Höchsten, in dessen tiefstem Wesen aller Unter¬
schied und alle Mannichfaltigkeit zuletzt zur bloßen Einheit
des Absoluten zusammenschwindet. Hier aber, wo es uns
gerade darum zu thun ist, das Leben, die Offenbarung der
Seele in ihren verschiedensten Farbenbrechungen zu ver¬
folgen, müssen wir diesen metaphysischen Standpunkt ver¬
meiden, wir müssen den zumeist menschlichen festhalten, und
wir werden bald erkennen, daß allerdings in diesem Sinne
genommen, eine merkwürdige und höchst mächtige Wechsel¬
wirkung zwischen unserer Seele und der uns umgebenden
Natur besteht.

die Wirkung über und kommt erſt auf dieſem Umwege
zum Bewußtſein. Die unmittelbare iſt zum Theil die,
welche oben erwähnt wurde, wo die bewußte Sinneswahr¬
nehmung kennen lehrt was Unbewußtes in der andern Seele
ſich regt, zum andern Theil könnte es wohl auch da, wo
eine innige Beziehung zwiſchen zwei Seelen beſteht, vor¬
kommen, daß geradezu in der einen Seele das in der Form
des Gedankens, alſo im Bewußtſein aufſtiege, was in der
andern Seele nur als unbewußtes Gefühl rege geworden war.

Wir gehen nun über zu Betrachtung des Verhält¬
niſſes der Seele zur Natur
. Streng genommen
hätten wir dieſen Abſchnitt gleich mit dem nächſtfolgenden
vom Verhältniß der Seele zu Gott zuſammenziehen ſollen,
denn was wir Natur nennen, die Welt die uns umgibt,
der Boden auf dem wir leben, das Waſſer das uns tränkt
und trägt, die Luft die wir athmen und die in tauſend¬
fältigen Spiegelungen und Wolkenformen uns entzücken
kann, der Wald der uns beſchattet, die Blume die uns
duftet, es ſind doch zuhöchſt nur unendlich wechſelnde Er¬
ſcheinungen ewiger Gedanken jenes einen höchſten Myſterium
welches wir Gott nennen. — Freilich würde das aber auch
noch weiter führen, denn am Ende iſt Alles, wir ſelbſt, die
Menſchheit die auf uns wirkt und für und durch welche wir
uns entwickeln, auch wieder nur Offenbarung der Gedanken
dieſes Einen, Höchſten, in deſſen tiefſtem Weſen aller Unter¬
ſchied und alle Mannichfaltigkeit zuletzt zur bloßen Einheit
des Abſoluten zuſammenſchwindet. Hier aber, wo es uns
gerade darum zu thun iſt, das Leben, die Offenbarung der
Seele in ihren verſchiedenſten Farbenbrechungen zu ver¬
folgen, müſſen wir dieſen metaphyſiſchen Standpunkt ver¬
meiden, wir müſſen den zumeiſt menſchlichen feſthalten, und
wir werden bald erkennen, daß allerdings in dieſem Sinne
genommen, eine merkwürdige und höchſt mächtige Wechſel¬
wirkung zwiſchen unſerer Seele und der uns umgebenden
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[391/0407] die Wirkung über und kommt erſt auf dieſem Umwege zum Bewußtſein. Die unmittelbare iſt zum Theil die, welche oben erwähnt wurde, wo die bewußte Sinneswahr¬ nehmung kennen lehrt was Unbewußtes in der andern Seele ſich regt, zum andern Theil könnte es wohl auch da, wo eine innige Beziehung zwiſchen zwei Seelen beſteht, vor¬ kommen, daß geradezu in der einen Seele das in der Form des Gedankens, alſo im Bewußtſein aufſtiege, was in der andern Seele nur als unbewußtes Gefühl rege geworden war. Wir gehen nun über zu Betrachtung des Verhält¬ niſſes der Seele zur Natur. Streng genommen hätten wir dieſen Abſchnitt gleich mit dem nächſtfolgenden vom Verhältniß der Seele zu Gott zuſammenziehen ſollen, denn was wir Natur nennen, die Welt die uns umgibt, der Boden auf dem wir leben, das Waſſer das uns tränkt und trägt, die Luft die wir athmen und die in tauſend¬ fältigen Spiegelungen und Wolkenformen uns entzücken kann, der Wald der uns beſchattet, die Blume die uns duftet, es ſind doch zuhöchſt nur unendlich wechſelnde Er¬ ſcheinungen ewiger Gedanken jenes einen höchſten Myſterium welches wir Gott nennen. — Freilich würde das aber auch noch weiter führen, denn am Ende iſt Alles, wir ſelbſt, die Menſchheit die auf uns wirkt und für und durch welche wir uns entwickeln, auch wieder nur Offenbarung der Gedanken dieſes Einen, Höchſten, in deſſen tiefſtem Weſen aller Unter¬ ſchied und alle Mannichfaltigkeit zuletzt zur bloßen Einheit des Abſoluten zuſammenſchwindet. Hier aber, wo es uns gerade darum zu thun iſt, das Leben, die Offenbarung der Seele in ihren verſchiedenſten Farbenbrechungen zu ver¬ folgen, müſſen wir dieſen metaphyſiſchen Standpunkt ver¬ meiden, wir müſſen den zumeiſt menſchlichen feſthalten, und wir werden bald erkennen, daß allerdings in dieſem Sinne genommen, eine merkwürdige und höchſt mächtige Wechſel¬ wirkung zwiſchen unſerer Seele und der uns umgebenden Natur beſteht.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/407>, abgerufen am 22.11.2024.