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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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noch werden, baß hier nicht ganz allein die Individualität
des Menschen, sondern daß (da eine Krankheit ein in sich
gewissermaßen geschlossenes organisches Ganzes ist) auch
die Individualität der Krankheit in Betracht kommt. Nicht
jede Krankheit wird daher von dem einen Individuum dem
andern mitgetheilt werden. Es kann vorkommen, daß zwei
Individuen, die einen nahen Rapport zu einander haben,
sich die eine Krankheit mittheilen, die andere aber nicht,
weil die eine Individualität zwar Anziehung gegen die eine
Krankheitsform hatte (das, was die Aerzte Prädisposition
nennen), aber keinesweges gegen die andere.

Eben so verdient auch, sowohl in Beziehung der Ueber¬
tragung von Ansteckung als Uebertragung von Heilswirkung,
hervorgehoben zu werden, daß nicht ausschließend und allein
die unmittelbare Berührung zwischen den Organismen sie
vermittle, sondern daß auch fremde Stoffe, in so fern
sie etwas von der Atmosphäre des mittheilenden Organis¬
mus aufgenommen haben, diese Ueberwirkung vermitteln
können. So kann ein Kind, welches ein Kranker getragen,
in einem andern Menschen die Krankheit erzeugen, und so
kann ein Tuch, was der Magnetiseur an sich trug, oder
das Wasser, das er berührt hat, die Somnambule erregen
und heilen helfen. In diesen Fällen scheint es zunächst
auffallend, daß eine unbewußte seelische Wirkung auch an
einem fremden unbelebten Körper zu haften im Stande sei.
Um diese Erscheinungen zu verstehen, muß zweierlei beachtet
werden: -- einmal nämlich kann, was Uebertragung der
Krankheiten betrifft, wirklich ein abgelöstes Urgebilde -- eine
Zelle -- des kranken Organismus auf einen andern durch
ein fremdes Mittelglied übergetragen werden und kann dann
dort fortkeimen und die gleiche Krankheit erzeugen. So
wirken z. B. die im Impfstoff der Pocken schwimmenden
Zellen, auch wenn sie auf Glas oder Fäden aufgetrocknet
waren, nachdem sie in einen impffähigen Organismus ein¬
gehen, indem sie dort wieder aufleben und sich verviel¬

noch werden, baß hier nicht ganz allein die Individualität
des Menſchen, ſondern daß (da eine Krankheit ein in ſich
gewiſſermaßen geſchloſſenes organiſches Ganzes iſt) auch
die Individualität der Krankheit in Betracht kommt. Nicht
jede Krankheit wird daher von dem einen Individuum dem
andern mitgetheilt werden. Es kann vorkommen, daß zwei
Individuen, die einen nahen Rapport zu einander haben,
ſich die eine Krankheit mittheilen, die andere aber nicht,
weil die eine Individualität zwar Anziehung gegen die eine
Krankheitsform hatte (das, was die Aerzte Prädispoſition
nennen), aber keinesweges gegen die andere.

Eben ſo verdient auch, ſowohl in Beziehung der Ueber¬
tragung von Anſteckung als Uebertragung von Heilswirkung,
hervorgehoben zu werden, daß nicht ausſchließend und allein
die unmittelbare Berührung zwiſchen den Organismen ſie
vermittle, ſondern daß auch fremde Stoffe, in ſo fern
ſie etwas von der Atmoſphäre des mittheilenden Organis¬
mus aufgenommen haben, dieſe Ueberwirkung vermitteln
können. So kann ein Kind, welches ein Kranker getragen,
in einem andern Menſchen die Krankheit erzeugen, und ſo
kann ein Tuch, was der Magnetiſeur an ſich trug, oder
das Waſſer, das er berührt hat, die Somnambule erregen
und heilen helfen. In dieſen Fällen ſcheint es zunächſt
auffallend, daß eine unbewußte ſeeliſche Wirkung auch an
einem fremden unbelebten Körper zu haften im Stande ſei.
Um dieſe Erſcheinungen zu verſtehen, muß zweierlei beachtet
werden: — einmal nämlich kann, was Uebertragung der
Krankheiten betrifft, wirklich ein abgelöſtes Urgebilde — eine
Zelle — des kranken Organismus auf einen andern durch
ein fremdes Mittelglied übergetragen werden und kann dann
dort fortkeimen und die gleiche Krankheit erzeugen. So
wirken z. B. die im Impfſtoff der Pocken ſchwimmenden
Zellen, auch wenn ſie auf Glas oder Fäden aufgetrocknet
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[384/0400] noch werden, baß hier nicht ganz allein die Individualität des Menſchen, ſondern daß (da eine Krankheit ein in ſich gewiſſermaßen geſchloſſenes organiſches Ganzes iſt) auch die Individualität der Krankheit in Betracht kommt. Nicht jede Krankheit wird daher von dem einen Individuum dem andern mitgetheilt werden. Es kann vorkommen, daß zwei Individuen, die einen nahen Rapport zu einander haben, ſich die eine Krankheit mittheilen, die andere aber nicht, weil die eine Individualität zwar Anziehung gegen die eine Krankheitsform hatte (das, was die Aerzte Prädispoſition nennen), aber keinesweges gegen die andere. Eben ſo verdient auch, ſowohl in Beziehung der Ueber¬ tragung von Anſteckung als Uebertragung von Heilswirkung, hervorgehoben zu werden, daß nicht ausſchließend und allein die unmittelbare Berührung zwiſchen den Organismen ſie vermittle, ſondern daß auch fremde Stoffe, in ſo fern ſie etwas von der Atmoſphäre des mittheilenden Organis¬ mus aufgenommen haben, dieſe Ueberwirkung vermitteln können. So kann ein Kind, welches ein Kranker getragen, in einem andern Menſchen die Krankheit erzeugen, und ſo kann ein Tuch, was der Magnetiſeur an ſich trug, oder das Waſſer, das er berührt hat, die Somnambule erregen und heilen helfen. In dieſen Fällen ſcheint es zunächſt auffallend, daß eine unbewußte ſeeliſche Wirkung auch an einem fremden unbelebten Körper zu haften im Stande ſei. Um dieſe Erſcheinungen zu verſtehen, muß zweierlei beachtet werden: — einmal nämlich kann, was Uebertragung der Krankheiten betrifft, wirklich ein abgelöſtes Urgebilde — eine Zelle — des kranken Organismus auf einen andern durch ein fremdes Mittelglied übergetragen werden und kann dann dort fortkeimen und die gleiche Krankheit erzeugen. So wirken z. B. die im Impfſtoff der Pocken ſchwimmenden Zellen, auch wenn ſie auf Glas oder Fäden aufgetrocknet waren, nachdem ſie in einen impffähigen Organismus ein¬ gehen, indem ſie dort wieder aufleben und ſich verviel¬

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/400>, abgerufen am 25.11.2024.