aus diesen Betrachtungen entnehmen; es läßt sich begreifen warum alle Versuche die Freude ins Uebermäßige auszu¬ dehnen, so sehr ins Gegentheil führen, warum allerdings zu rechter Zeit und am rechten Ort die angenehme Erregung der unbewußten Sphäre eine durch bewußte Vorstellungen begründete Freude steigern wird, warum aber alle Versuche die Freude bloß auf Erregung des unbewußten Lebens zu gründen, so sehr unvollkommene und schnell schwindende Resultate geben müssen, u. s. w.
Zu erwägen ist ferner das Verhältniß der Freude zu andern Gefühlen und zur gesammten Persönlichkeit des Menschen. In Bezug auf andere Gefühle ist sie theils ausschließend, theils gern sich verbindend. Nicht nur ihr Gegentheil nämlich, die Trauer, schließt sie natürlich aus, sondern auch der Haß ist mit der Freude eben so unver¬ träglich, als im Gegensatze eine liebevolle Gesinnung da¬ durch gerne herbeigeführt zu werden pflegt. -- Auch eine eigne Beziehung zur thätigen Seite des Lebens ist nicht zu verkennen. Die Productivität ist leichter, die täglichen Auf¬ gaben des Lebens werden rascher gelöst, und wenn auch die höhern Productionen der Seele eigentlich vorzugsweise dem ruhigen mittlern Zustande des Gefühlslebens angehö¬ ren, so ist doch die Freude besonders geeignet das Gerin¬ gere, ich möchte sagen, den Stoff des Lebens, woran die Seele, seiner Masse wegen, oft zu erlahmen droht, mit Leichtigkeit zu bewältigen. Merkwürdig ist sodann die Rück¬ wirkung freudiger Vorstellungen auf das Unbewußte und insbesondre auf gewisse Regionen desselben. Am entschie¬ densten bewegt wird durch bewußtes Empfinden des Glücks die Sphäre des Gefäßlebens und des mit ihm in so ge¬ nauer Beziehung stehenden Athmens. Lebhafterer Herzschlag, freieres Strömen des Blutes in seinen feinsten Wegen und leichteres schnelleres Athmen, so wie sie, im Unbewußten entstanden, das Bewußte zur Freude stimmen, werden auch wieder an sich erregt, wenn das Bewußte freudige Vor¬
aus dieſen Betrachtungen entnehmen; es läßt ſich begreifen warum alle Verſuche die Freude ins Uebermäßige auszu¬ dehnen, ſo ſehr ins Gegentheil führen, warum allerdings zu rechter Zeit und am rechten Ort die angenehme Erregung der unbewußten Sphäre eine durch bewußte Vorſtellungen begründete Freude ſteigern wird, warum aber alle Verſuche die Freude bloß auf Erregung des unbewußten Lebens zu gründen, ſo ſehr unvollkommene und ſchnell ſchwindende Reſultate geben müſſen, u. ſ. w.
Zu erwägen iſt ferner das Verhältniß der Freude zu andern Gefühlen und zur geſammten Perſönlichkeit des Menſchen. In Bezug auf andere Gefühle iſt ſie theils ausſchließend, theils gern ſich verbindend. Nicht nur ihr Gegentheil nämlich, die Trauer, ſchließt ſie natürlich aus, ſondern auch der Haß iſt mit der Freude eben ſo unver¬ träglich, als im Gegenſatze eine liebevolle Geſinnung da¬ durch gerne herbeigeführt zu werden pflegt. — Auch eine eigne Beziehung zur thätigen Seite des Lebens iſt nicht zu verkennen. Die Productivität iſt leichter, die täglichen Auf¬ gaben des Lebens werden raſcher gelöst, und wenn auch die höhern Productionen der Seele eigentlich vorzugsweiſe dem ruhigen mittlern Zuſtande des Gefühlslebens angehö¬ ren, ſo iſt doch die Freude beſonders geeignet das Gerin¬ gere, ich möchte ſagen, den Stoff des Lebens, woran die Seele, ſeiner Maſſe wegen, oft zu erlahmen droht, mit Leichtigkeit zu bewältigen. Merkwürdig iſt ſodann die Rück¬ wirkung freudiger Vorſtellungen auf das Unbewußte und insbeſondre auf gewiſſe Regionen deſſelben. Am entſchie¬ denſten bewegt wird durch bewußtes Empfinden des Glücks die Sphäre des Gefäßlebens und des mit ihm in ſo ge¬ nauer Beziehung ſtehenden Athmens. Lebhafterer Herzſchlag, freieres Strömen des Blutes in ſeinen feinſten Wegen und leichteres ſchnelleres Athmen, ſo wie ſie, im Unbewußten entſtanden, das Bewußte zur Freude ſtimmen, werden auch wieder an ſich erregt, wenn das Bewußte freudige Vor¬
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aus dieſen Betrachtungen entnehmen; es läßt ſich begreifen
warum alle Verſuche die Freude ins Uebermäßige auszu¬
dehnen, ſo ſehr ins Gegentheil führen, warum allerdings
zu rechter Zeit und am rechten Ort die angenehme Erregung
der unbewußten Sphäre eine durch bewußte Vorſtellungen
begründete Freude ſteigern wird, warum aber alle Verſuche
die Freude bloß auf Erregung des unbewußten Lebens zu
gründen, ſo ſehr unvollkommene und ſchnell ſchwindende
Reſultate geben müſſen, u. ſ. w.
Zu erwägen iſt ferner das Verhältniß der Freude zu
andern Gefühlen und zur geſammten Perſönlichkeit des
Menſchen. In Bezug auf andere Gefühle iſt ſie theils
ausſchließend, theils gern ſich verbindend. Nicht nur ihr
Gegentheil nämlich, die Trauer, ſchließt ſie natürlich aus,
ſondern auch der Haß iſt mit der Freude eben ſo unver¬
träglich, als im Gegenſatze eine liebevolle Geſinnung da¬
durch gerne herbeigeführt zu werden pflegt. — Auch eine
eigne Beziehung zur thätigen Seite des Lebens iſt nicht zu
verkennen. Die Productivität iſt leichter, die täglichen Auf¬
gaben des Lebens werden raſcher gelöst, und wenn auch
die höhern Productionen der Seele eigentlich vorzugsweiſe
dem ruhigen mittlern Zuſtande des Gefühlslebens angehö¬
ren, ſo iſt doch die Freude beſonders geeignet das Gerin¬
gere, ich möchte ſagen, den Stoff des Lebens, woran die
Seele, ſeiner Maſſe wegen, oft zu erlahmen droht, mit
Leichtigkeit zu bewältigen. Merkwürdig iſt ſodann die Rück¬
wirkung freudiger Vorſtellungen auf das Unbewußte und
insbeſondre auf gewiſſe Regionen deſſelben. Am entſchie¬
denſten bewegt wird durch bewußtes Empfinden des Glücks
die Sphäre des Gefäßlebens und des mit ihm in ſo ge¬
nauer Beziehung ſtehenden Athmens. Lebhafterer Herzſchlag,
freieres Strömen des Blutes in ſeinen feinſten Wegen und
leichteres ſchnelleres Athmen, ſo wie ſie, im Unbewußten
entſtanden, das Bewußte zur Freude ſtimmen, werden auch
wieder an ſich erregt, wenn das Bewußte freudige Vor¬
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/286>, abgerufen am 24.11.2024.
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