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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.

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die innerste Idee unsers Daseins -- Das, was allein
ewig in uns sein kann, durch dieses besondere zeitliche sich
Darleben eine gewisse Modification, eine wirkliche Um¬
stimmung, eine Steigerung oder Minderung nothwendig
erfahren müsse, so ist nun zuerst im Allgemeinen, welcher
Art
solche Modifikationen sein können, ausführlicher dar¬
zuthun.

Schwer ist es hier Dem, was nicht bloß über allem
Zeitlichen, sondern selbst noch über dem eigentlich Geistigen
steht, mit dem ganz im Zeitlichen sich bewegenden Element
der Sprache nachzugehen, und wie ungefähr schon Dante
eigne neue Worte schaffen mußte, um das Eindringen des
Geistes in Gott, das tief innerliche sich Aneignen der Idee,
einigermaßen auszudrücken (daher die Worte: "Inluiare"--
"Inmiare"), so muß auch hier, wenn wir so tiefe Ge¬
heimnisse aufzuschließen wagen, der Leser mit eignem tiefern
Geiste den Andeutungen selbst weiter nachgehen, die wir
hier nur in beschränktem Maße zu geben im Stande sind.

Aufmerksames tieferes Schauen in diese Verhältnisse
muß uns aber zuerst darthun: jede besondere Idee und so
auch die zum Selbstbewußtsein entwickelte höhere Idee einer
menschlichen Individualität, befinde sich eines Theils gegen¬
über dem höchsten göttlichen Mysterium -- Gott, -- und
andern Theils gegenüber der unendlichen Vielheit derjenigen
Ideen, zu denen sie selbst gehört und deren Dasein Das
begründet, was wir mit dem Namen des All, -- der Welt,
bezeichnen. Je nach diesen beiden Richtungen also, wird
nun schon eine Möglichkeit hervorgehen, daß das innerste
Wesen einer zur freien Selbstbestimmung wiedergebornen
Idee sich mehr oder weniger entwickle, und eine zwiefache
Art des sich Annäherns oder Entfernens gegen andre Wesen¬
heit wird hieraus schon resultiren. Die Richtung der Idee
gegen das höchste Mysterium dürfen wir als Gottinnig¬
keit
, das sich Abwenden von demselben als Gottlosig¬
keit
bezeichnen; das mehrere Angezogenwerden von der

die innerſte Idee unſers Daſeins — Das, was allein
ewig in uns ſein kann, durch dieſes beſondere zeitliche ſich
Darleben eine gewiſſe Modification, eine wirkliche Um¬
ſtimmung, eine Steigerung oder Minderung nothwendig
erfahren müſſe, ſo iſt nun zuerſt im Allgemeinen, welcher
Art
ſolche Modifikationen ſein können, ausführlicher dar¬
zuthun.

Schwer iſt es hier Dem, was nicht bloß über allem
Zeitlichen, ſondern ſelbſt noch über dem eigentlich Geiſtigen
ſteht, mit dem ganz im Zeitlichen ſich bewegenden Element
der Sprache nachzugehen, und wie ungefähr ſchon Dante
eigne neue Worte ſchaffen mußte, um das Eindringen des
Geiſtes in Gott, das tief innerliche ſich Aneignen der Idee,
einigermaßen auszudrücken (daher die Worte: „Inluiare“—
Inmiare“), ſo muß auch hier, wenn wir ſo tiefe Ge¬
heimniſſe aufzuſchließen wagen, der Leſer mit eignem tiefern
Geiſte den Andeutungen ſelbſt weiter nachgehen, die wir
hier nur in beſchränktem Maße zu geben im Stande ſind.

Aufmerkſames tieferes Schauen in dieſe Verhältniſſe
muß uns aber zuerſt darthun: jede beſondere Idee und ſo
auch die zum Selbſtbewußtſein entwickelte höhere Idee einer
menſchlichen Individualität, befinde ſich eines Theils gegen¬
über dem höchſten göttlichen Myſterium — Gott, — und
andern Theils gegenüber der unendlichen Vielheit derjenigen
Ideen, zu denen ſie ſelbſt gehört und deren Daſein Das
begründet, was wir mit dem Namen des All, — der Welt,
bezeichnen. Je nach dieſen beiden Richtungen alſo, wird
nun ſchon eine Möglichkeit hervorgehen, daß das innerſte
Weſen einer zur freien Selbſtbeſtimmung wiedergebornen
Idee ſich mehr oder weniger entwickle, und eine zwiefache
Art des ſich Annäherns oder Entfernens gegen andre Weſen¬
heit wird hieraus ſchon reſultiren. Die Richtung der Idee
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, das ſich Abwenden von demſelben als Gottloſig¬
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[230/0246] die innerſte Idee unſers Daſeins — Das, was allein ewig in uns ſein kann, durch dieſes beſondere zeitliche ſich Darleben eine gewiſſe Modification, eine wirkliche Um¬ ſtimmung, eine Steigerung oder Minderung nothwendig erfahren müſſe, ſo iſt nun zuerſt im Allgemeinen, welcher Art ſolche Modifikationen ſein können, ausführlicher dar¬ zuthun. Schwer iſt es hier Dem, was nicht bloß über allem Zeitlichen, ſondern ſelbſt noch über dem eigentlich Geiſtigen ſteht, mit dem ganz im Zeitlichen ſich bewegenden Element der Sprache nachzugehen, und wie ungefähr ſchon Dante eigne neue Worte ſchaffen mußte, um das Eindringen des Geiſtes in Gott, das tief innerliche ſich Aneignen der Idee, einigermaßen auszudrücken (daher die Worte: „Inluiare“— „Inmiare“), ſo muß auch hier, wenn wir ſo tiefe Ge¬ heimniſſe aufzuſchließen wagen, der Leſer mit eignem tiefern Geiſte den Andeutungen ſelbſt weiter nachgehen, die wir hier nur in beſchränktem Maße zu geben im Stande ſind. Aufmerkſames tieferes Schauen in dieſe Verhältniſſe muß uns aber zuerſt darthun: jede beſondere Idee und ſo auch die zum Selbſtbewußtſein entwickelte höhere Idee einer menſchlichen Individualität, befinde ſich eines Theils gegen¬ über dem höchſten göttlichen Myſterium — Gott, — und andern Theils gegenüber der unendlichen Vielheit derjenigen Ideen, zu denen ſie ſelbſt gehört und deren Daſein Das begründet, was wir mit dem Namen des All, — der Welt, bezeichnen. Je nach dieſen beiden Richtungen alſo, wird nun ſchon eine Möglichkeit hervorgehen, daß das innerſte Weſen einer zur freien Selbſtbeſtimmung wiedergebornen Idee ſich mehr oder weniger entwickle, und eine zwiefache Art des ſich Annäherns oder Entfernens gegen andre Weſen¬ heit wird hieraus ſchon reſultiren. Die Richtung der Idee gegen das höchſte Myſterium dürfen wir als Gottinnig¬ keit, das ſich Abwenden von demſelben als Gottloſig¬ keit bezeichnen; das mehrere Angezogenwerden von der

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/246>, abgerufen am 22.11.2024.