eine Art von Vermählung zweier Nervenleben nennen, und in so fern hat auch das magnetische Verhältniß allerdings etwas mit der Geschlechtsliebe gemein, welche letztere eben¬ falls in ihren höchsten Stimmungen das Bewußte in das Unbewußte eintaucht und versenkt. Indem nun also das Magnetisiren die Strömungen der Innervation stark nach der Peripherie leitet und dort sie in andern Gebilden sich erschöpfen läßt (eben deßhalb beruhigen sich dabei Zuckungen oder Schmerzen die von relativ zu starker Innervation be¬ dingt wurden, und eben deßhalb erfolgen dabei peripherische Absonderungen, namentlich Schweiß), so ermüdet dabei das bewußte Seelenleben und das Unbewußte tritt in seine primitiven Rechte -- der Mensch schläft ein. Es ist nun merkwürdig zu beobachten, indeß auch deutlich einzusehen und zu verstehen, daß ein Schlaf auf diese Weise hervor¬ gerufen doch auch in mancher Beziehung sich von dem bloß durch natürliche Ermüdung hervorgerufenen Schlafe wesent¬ lich unterscheiden wird. Ich kann hier nicht zu tief ins Einzelne eingehen, allein ich brauche nur auf die Geschichte des Lebensmagnetismus selbst zu verweisen; das jedoch will ich noch hervorheben, daß der magnetische Schlaf ent¬ schieden mehr für das erwähnte Fernsehen geeignet mache als der natürliche, und der Grund hiervon ist dieser: Wie gezeigt wurde, entsteht der Schlaf des Somnambulen und das sich Absorbiren der Innervation, welches diesen Schlaf bedingt, in Folge einer vorhergegangenen so zu sagen Vermählung zweier Nervenleben. Das Nervenleben des Magnetisirten wird durch die Einwirkung eines andern Stärkern gewissermaßen gewaltsam aus seiner Individualität herausgezogen und aus seinem Einzel-sein gegen ein Aeußeres hingedrängt, so daß daher diejenige Verallgemeinerung des Daseins, welche wir der unbewußten Seele und dem Schlafe überhaupt vindicirten, hier, indem ein stärkeres Nerven¬ leben ein schwächeres gewissermaßen überwältigt und an sich zieht, in diesem Ueberwältigten nothwendig erhöht und
eine Art von Vermählung zweier Nervenleben nennen, und in ſo fern hat auch das magnetiſche Verhältniß allerdings etwas mit der Geſchlechtsliebe gemein, welche letztere eben¬ falls in ihren höchſten Stimmungen das Bewußte in das Unbewußte eintaucht und verſenkt. Indem nun alſo das Magnetiſiren die Strömungen der Innervation ſtark nach der Peripherie leitet und dort ſie in andern Gebilden ſich erſchöpfen läßt (eben deßhalb beruhigen ſich dabei Zuckungen oder Schmerzen die von relativ zu ſtarker Innervation be¬ dingt wurden, und eben deßhalb erfolgen dabei peripheriſche Abſonderungen, namentlich Schweiß), ſo ermüdet dabei das bewußte Seelenleben und das Unbewußte tritt in ſeine primitiven Rechte — der Menſch ſchläft ein. Es iſt nun merkwürdig zu beobachten, indeß auch deutlich einzuſehen und zu verſtehen, daß ein Schlaf auf dieſe Weiſe hervor¬ gerufen doch auch in mancher Beziehung ſich von dem bloß durch natürliche Ermüdung hervorgerufenen Schlafe weſent¬ lich unterſcheiden wird. Ich kann hier nicht zu tief ins Einzelne eingehen, allein ich brauche nur auf die Geſchichte des Lebensmagnetismus ſelbſt zu verweiſen; das jedoch will ich noch hervorheben, daß der magnetiſche Schlaf ent¬ ſchieden mehr für das erwähnte Fernſehen geeignet mache als der natürliche, und der Grund hiervon iſt dieſer: Wie gezeigt wurde, entſteht der Schlaf des Somnambulen und das ſich Abſorbiren der Innervation, welches dieſen Schlaf bedingt, in Folge einer vorhergegangenen ſo zu ſagen Vermählung zweier Nervenleben. Das Nervenleben des Magnetiſirten wird durch die Einwirkung eines andern Stärkern gewiſſermaßen gewaltſam aus ſeiner Individualität herausgezogen und aus ſeinem Einzel-ſein gegen ein Aeußeres hingedrängt, ſo daß daher diejenige Verallgemeinerung des Daſeins, welche wir der unbewußten Seele und dem Schlafe überhaupt vindicirten, hier, indem ein ſtärkeres Nerven¬ leben ein ſchwächeres gewiſſermaßen überwältigt und an ſich zieht, in dieſem Ueberwältigten nothwendig erhöht und
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eine Art von Vermählung zweier Nervenleben nennen, und
in ſo fern hat auch das magnetiſche Verhältniß allerdings
etwas mit der Geſchlechtsliebe gemein, welche letztere eben¬
falls in ihren höchſten Stimmungen das Bewußte in das
Unbewußte eintaucht und verſenkt. Indem nun alſo das
Magnetiſiren die Strömungen der Innervation ſtark nach
der Peripherie leitet und dort ſie in andern Gebilden ſich
erſchöpfen läßt (eben deßhalb beruhigen ſich dabei Zuckungen
oder Schmerzen die von relativ zu ſtarker Innervation be¬
dingt wurden, und eben deßhalb erfolgen dabei peripheriſche
Abſonderungen, namentlich Schweiß), ſo ermüdet dabei das
bewußte Seelenleben und das Unbewußte tritt in ſeine
primitiven Rechte — der Menſch ſchläft ein. Es iſt nun
merkwürdig zu beobachten, indeß auch deutlich einzuſehen
und zu verſtehen, daß ein Schlaf auf dieſe Weiſe hervor¬
gerufen doch auch in mancher Beziehung ſich von dem bloß
durch natürliche Ermüdung hervorgerufenen Schlafe weſent¬
lich unterſcheiden wird. Ich kann hier nicht zu tief ins
Einzelne eingehen, allein ich brauche nur auf die Geſchichte
des Lebensmagnetismus ſelbſt zu verweiſen; das jedoch
will ich noch hervorheben, daß der magnetiſche Schlaf ent¬
ſchieden mehr für das erwähnte Fernſehen geeignet mache
als der natürliche, und der Grund hiervon iſt dieſer: Wie
gezeigt wurde, entſteht der Schlaf des Somnambulen und
das ſich Abſorbiren der Innervation, welches dieſen Schlaf
bedingt, in Folge einer vorhergegangenen ſo zu ſagen
Vermählung zweier Nervenleben. Das Nervenleben des
Magnetiſirten wird durch die Einwirkung eines andern
Stärkern gewiſſermaßen gewaltſam aus ſeiner Individualität
herausgezogen und aus ſeinem Einzel-ſein gegen ein Aeußeres
hingedrängt, ſo daß daher diejenige Verallgemeinerung des
Daſeins, welche wir der unbewußten Seele und dem Schlafe
überhaupt vindicirten, hier, indem ein ſtärkeres Nerven¬
leben ein ſchwächeres gewiſſermaßen überwältigt und an
ſich zieht, in dieſem Ueberwältigten nothwendig erhöht und
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 222. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/238>, abgerufen am 29.11.2024.
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