Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.und für sich unbewußt vollzogen werde, damit es eben so Was die Möglichkeit der direkten Einwirkung des 1 Es ist ein völliges Mißverstehen, wenn man von einigen Thieren
gesagt hat, auch sie seien des Selbstmordes fähig; wenn z. B. die ge¬ quälte Klapperschlange um sich beißt und sich selbst mit beißt und am eignen Gifte stirbt, so ist dies natürlich nicht mit der überlegten Selbst¬ tödtung des Menschen zu vergleichen. und für ſich unbewußt vollzogen werde, damit es eben ſo Was die Möglichkeit der direkten Einwirkung des 1 Es iſt ein völliges Mißverſtehen, wenn man von einigen Thieren
geſagt hat, auch ſie ſeien des Selbſtmordes fähig; wenn z. B. die ge¬ quälte Klapperſchlange um ſich beißt und ſich ſelbſt mit beißt und am eignen Gifte ſtirbt, ſo iſt dies natürlich nicht mit der überlegten Selbſt¬ tödtung des Menſchen zu vergleichen. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0217" n="201"/> und für ſich unbewußt vollzogen werde, damit es eben <hi rendition="#g">ſo</hi><lb/> erſt die höchſte Leichtigkeit der Production begünſtige.“ Es<lb/> muß alſo auch die Lebenkunſt deßhalb nicht ein bloßes Be¬<lb/> rechnen und abſichtliches Bedenken bleiben, ſondern ſie muß<lb/> eben auch wieder zum Theil unbewußt werden, wenn ſie<lb/> den Namen der <hi rendition="#g">Kunſt</hi> wahrhaft verdienen und wirklich<lb/> die höchſten Reſultate gewähren ſoll.</p><lb/> <p>Was die Möglichkeit der <hi rendition="#g">direkten</hi> Einwirkung des<lb/> Bewußten auf das Unbewußte betrifft, ſo beſchränkt ſie ſich<lb/> eigentlich im Weſentlichen auf die Möglichkeit dem Lebens¬<lb/> gange <hi rendition="#g">das Unbewußte und mit ihm dem Leben<lb/> überhaupt gewaltſam hemmend entgegenzutre¬<lb/> ten</hi>, <hi rendition="#g">es geradezu zu verletzen</hi>, <hi rendition="#g">ja zu vernichten</hi>.<lb/> Daß das Bewußte jedoch ſich in <hi rendition="#g">ſo</hi> weit der Macht des<lb/> Unbewußten entziehen, in <hi rendition="#g">ſo</hi> weit ſich geradezu in Oppo¬<lb/> ſition zu ihm ſtellen kann, dazu gehört durchaus die Ent¬<lb/> wicklung der vollen <hi rendition="#g">Freiheit des Selbſtbewußtſeins</hi>,<lb/> und darum iſt alſo einzig und allein der zum Selbſtbe¬<lb/> wußtſein gereifte Menſch <hi rendition="#g">des Selbſtmordes</hi> fähig. <note place="foot" n="1">Es iſt ein völliges Mißverſtehen, wenn man von einigen Thieren<lb/> geſagt hat, auch ſie ſeien des Selbſtmordes fähig; wenn z. B. die ge¬<lb/> quälte Klapperſchlange um ſich beißt und ſich ſelbſt mit beißt und am<lb/> eignen Gifte ſtirbt, ſo iſt dies natürlich nicht mit der überlegten Selbſt¬<lb/> tödtung des Menſchen zu vergleichen.</note><lb/> Es liegt hierin ein außerordentlich merkwürdiges Verhält¬<lb/> niß. Nämlich keinesweges als ſollte der Selbſtmord wirk¬<lb/> lich und nothwendig geübt werden, aber daß die Möglich¬<lb/> keit <hi rendition="#g">da</hi> ſei, daß das Leben, dieſe Schöpfung zuerſt doch<lb/> nur des Unbewußten aufgehoben werden könne wenn <hi rendition="#g">hin¬<lb/> reichende</hi> Gründe dafür vorhanden ſind, damit iſt erſt<lb/> jene Nothwendigkeit, jener Zwang, welche recht eigentlich<lb/> das Zeichen und der Bereich des Unbewußten ſind, gebro¬<lb/> chen und gänzlich aufgehoben — und damit erſt iſt ſonach<lb/> auch erſt die unbedingte Freiheit des Bewußtſeins völlig<lb/> hergeſtellt. — Das iſt es worauf in jenen großen Worten<lb/> Shakespeare's gedeutet wird:</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [201/0217]
und für ſich unbewußt vollzogen werde, damit es eben ſo
erſt die höchſte Leichtigkeit der Production begünſtige.“ Es
muß alſo auch die Lebenkunſt deßhalb nicht ein bloßes Be¬
rechnen und abſichtliches Bedenken bleiben, ſondern ſie muß
eben auch wieder zum Theil unbewußt werden, wenn ſie
den Namen der Kunſt wahrhaft verdienen und wirklich
die höchſten Reſultate gewähren ſoll.
Was die Möglichkeit der direkten Einwirkung des
Bewußten auf das Unbewußte betrifft, ſo beſchränkt ſie ſich
eigentlich im Weſentlichen auf die Möglichkeit dem Lebens¬
gange das Unbewußte und mit ihm dem Leben
überhaupt gewaltſam hemmend entgegenzutre¬
ten, es geradezu zu verletzen, ja zu vernichten.
Daß das Bewußte jedoch ſich in ſo weit der Macht des
Unbewußten entziehen, in ſo weit ſich geradezu in Oppo¬
ſition zu ihm ſtellen kann, dazu gehört durchaus die Ent¬
wicklung der vollen Freiheit des Selbſtbewußtſeins,
und darum iſt alſo einzig und allein der zum Selbſtbe¬
wußtſein gereifte Menſch des Selbſtmordes fähig. 1
Es liegt hierin ein außerordentlich merkwürdiges Verhält¬
niß. Nämlich keinesweges als ſollte der Selbſtmord wirk¬
lich und nothwendig geübt werden, aber daß die Möglich¬
keit da ſei, daß das Leben, dieſe Schöpfung zuerſt doch
nur des Unbewußten aufgehoben werden könne wenn hin¬
reichende Gründe dafür vorhanden ſind, damit iſt erſt
jene Nothwendigkeit, jener Zwang, welche recht eigentlich
das Zeichen und der Bereich des Unbewußten ſind, gebro¬
chen und gänzlich aufgehoben — und damit erſt iſt ſonach
auch erſt die unbedingte Freiheit des Bewußtſeins völlig
hergeſtellt. — Das iſt es worauf in jenen großen Worten
Shakespeare's gedeutet wird:
1 Es iſt ein völliges Mißverſtehen, wenn man von einigen Thieren
geſagt hat, auch ſie ſeien des Selbſtmordes fähig; wenn z. B. die ge¬
quälte Klapperſchlange um ſich beißt und ſich ſelbſt mit beißt und am
eignen Gifte ſtirbt, ſo iſt dies natürlich nicht mit der überlegten Selbſt¬
tödtung des Menſchen zu vergleichen.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |