Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Zwilligen, Drillingen u. s. w. -- Man hat sich hier die
Bildung des Zwillingseies so zu denken, daß zwei Ei-
bläschen von den Ovarien abgelöst, und in den Uterus ge-
führt worden seyen, dort nun aber jedes neben dem andern
sich ganz so entwickele als wäre nur ein einziges vorhanden.
In der Regel hat daher jeder Zwilling seine besondern Eihäute,
sein besonderes Fruchtwasser, seinen besondern Nabelstrang und
Mutterkuchen, nur pflegen die Flächen beiderseitiger Leder-
häute, welche einander zugekehrt sind, mit einander zu verwach-
sen. Die Lage der Zwillinge selbst ist übrigens (wenn sie ganz
der Form des Uterus angemessen seyn soll,) so, daß das eine
mit dem Kopfe abwärts das andre mit den Füßen abwärts ge-
richtet sey *).

§. 724.

Von diesem Verhalten aber finden sich mehrere Abweichun-
gen. Eine der häufigsten ist, daß die Placenten untereinander
verwachsen, wobei dann Anastamosen zwischen beiderseitigen
Nabelgefäßen sich wohl bilden können. Hier haben also beide
Eier scheinbar nur eine Placenta. Weit seltner ist es dagegen,
daß die durch die doppelten Eihäute beider Zwillinge gebildete
Scheidewand entweder durch zu dichtes Aneinanderliegen oblite-
rirt, oder vielleicht auch auf mechanische Weise durch stärkere
Bewegung der Kinder (obwohl auch dann die Dünnheit der
Häute schon sehr groß seyn muß) zerstört wird, und folglich
beide Kinder in einer und derselben Eihöle liegen; ein Fall, wel-
cher indeß schon zu pathologischen Zuständen Veranlassung geben
kann indem dann leicht die Nabelstränge untereinander sich ver-
schlingen **) oder selbst die Kinder untereinander verwachsen. --
Auf ähnliche Weise verhalten sich die Theile des Eies auch wenn
Drillinge oder Vierlinge vorhanden sind.


*) S. Smellie Tabulae anat. fol. T. X.
**) S. v. Siebold's Lucina III. Bd. I. Stck. S. 19.

Zwilligen, Drillingen u. ſ. w. — Man hat ſich hier die
Bildung des Zwillingseies ſo zu denken, daß zwei Ei-
blaͤschen von den Ovarien abgeloͤſt, und in den Uterus ge-
fuͤhrt worden ſeyen, dort nun aber jedes neben dem andern
ſich ganz ſo entwickele als waͤre nur ein einziges vorhanden.
In der Regel hat daher jeder Zwilling ſeine beſondern Eihaͤute,
ſein beſonderes Fruchtwaſſer, ſeinen beſondern Nabelſtrang und
Mutterkuchen, nur pflegen die Flaͤchen beiderſeitiger Leder-
haͤute, welche einander zugekehrt ſind, mit einander zu verwach-
ſen. Die Lage der Zwillinge ſelbſt iſt uͤbrigens (wenn ſie ganz
der Form des Uterus angemeſſen ſeyn ſoll,) ſo, daß das eine
mit dem Kopfe abwaͤrts das andre mit den Fuͤßen abwaͤrts ge-
richtet ſey *).

§. 724.

Von dieſem Verhalten aber finden ſich mehrere Abweichun-
gen. Eine der haͤufigſten iſt, daß die Placenten untereinander
verwachſen, wobei dann Anaſtamoſen zwiſchen beiderſeitigen
Nabelgefaͤßen ſich wohl bilden koͤnnen. Hier haben alſo beide
Eier ſcheinbar nur eine Placenta. Weit ſeltner iſt es dagegen,
daß die durch die doppelten Eihaͤute beider Zwillinge gebildete
Scheidewand entweder durch zu dichtes Aneinanderliegen oblite-
rirt, oder vielleicht auch auf mechaniſche Weiſe durch ſtaͤrkere
Bewegung der Kinder (obwohl auch dann die Duͤnnheit der
Haͤute ſchon ſehr groß ſeyn muß) zerſtoͤrt wird, und folglich
beide Kinder in einer und derſelben Eihoͤle liegen; ein Fall, wel-
cher indeß ſchon zu pathologiſchen Zuſtaͤnden Veranlaſſung geben
kann indem dann leicht die Nabelſtraͤnge untereinander ſich ver-
ſchlingen **) oder ſelbſt die Kinder untereinander verwachſen. —
Auf aͤhnliche Weiſe verhalten ſich die Theile des Eies auch wenn
Drillinge oder Vierlinge vorhanden ſind.


*) S. Smellie Tabulae anat. fol. T. X.
**) S. v. Siebold’s Lucina III. Bd. I. Stck. S. 19.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <p><pb facs="#f0072" n="50"/>
Zwilligen, Drillingen u. &#x017F;. w. &#x2014; Man hat &#x017F;ich hier die<lb/>
Bildung des Zwillingseies &#x017F;o zu denken, daß zwei Ei-<lb/>
bla&#x0364;schen von den Ovarien abgelo&#x0364;&#x017F;t, und in den Uterus ge-<lb/>
fu&#x0364;hrt worden &#x017F;eyen, dort nun aber jedes neben dem andern<lb/>
&#x017F;ich ganz &#x017F;o entwickele als wa&#x0364;re nur ein einziges vorhanden.<lb/>
In der Regel hat daher jeder Zwilling &#x017F;eine be&#x017F;ondern Eiha&#x0364;ute,<lb/>
&#x017F;ein be&#x017F;onderes Fruchtwa&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;einen be&#x017F;ondern Nabel&#x017F;trang und<lb/>
Mutterkuchen, nur pflegen die Fla&#x0364;chen beider&#x017F;eitiger Leder-<lb/>
ha&#x0364;ute, welche einander zugekehrt &#x017F;ind, mit einander zu verwach-<lb/>
&#x017F;en. Die Lage der Zwillinge &#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t u&#x0364;brigens (wenn &#x017F;ie ganz<lb/>
der Form des Uterus angeme&#x017F;&#x017F;en &#x017F;eyn &#x017F;oll,) &#x017F;o, daß das eine<lb/>
mit dem Kopfe abwa&#x0364;rts das andre mit den Fu&#x0364;ßen abwa&#x0364;rts ge-<lb/>
richtet &#x017F;ey <note place="foot" n="*)">S. <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Smellie</hi> Tabulae anat. fol. T. X.</hi></note>.</p>
                  </div><lb/>
                  <div n="7">
                    <head>§. 724.</head><lb/>
                    <p>Von die&#x017F;em Verhalten aber finden &#x017F;ich mehrere Abweichun-<lb/>
gen. Eine der ha&#x0364;ufig&#x017F;ten i&#x017F;t, daß die Placenten untereinander<lb/>
verwach&#x017F;en, wobei dann Ana&#x017F;tamo&#x017F;en zwi&#x017F;chen beider&#x017F;eitigen<lb/>
Nabelgefa&#x0364;ßen &#x017F;ich wohl bilden ko&#x0364;nnen. Hier haben al&#x017F;o beide<lb/>
Eier &#x017F;cheinbar nur eine Placenta. Weit &#x017F;eltner i&#x017F;t es dagegen,<lb/>
daß die durch die doppelten Eiha&#x0364;ute beider Zwillinge gebildete<lb/>
Scheidewand entweder durch zu dichtes Aneinanderliegen oblite-<lb/>
rirt, oder vielleicht auch auf mechani&#x017F;che Wei&#x017F;e durch &#x017F;ta&#x0364;rkere<lb/>
Bewegung der Kinder (obwohl auch dann die Du&#x0364;nnheit der<lb/>
Ha&#x0364;ute &#x017F;chon &#x017F;ehr groß &#x017F;eyn muß) zer&#x017F;to&#x0364;rt wird, und folglich<lb/>
beide Kinder in einer und der&#x017F;elben Eiho&#x0364;le liegen; ein Fall, wel-<lb/>
cher indeß &#x017F;chon zu pathologi&#x017F;chen Zu&#x017F;ta&#x0364;nden Veranla&#x017F;&#x017F;ung geben<lb/>
kann indem dann leicht die Nabel&#x017F;tra&#x0364;nge untereinander &#x017F;ich ver-<lb/>
&#x017F;chlingen <note place="foot" n="**)">S. v. <hi rendition="#g">Siebold&#x2019;s</hi> Lucina <hi rendition="#aq">III.</hi> Bd. <hi rendition="#aq">I.</hi> Stck. S. 19.</note> oder &#x017F;elb&#x017F;t die Kinder untereinander verwach&#x017F;en. &#x2014;<lb/>
Auf a&#x0364;hnliche Wei&#x017F;e verhalten &#x017F;ich die Theile des Eies auch wenn<lb/>
Drillinge oder Vierlinge vorhanden &#x017F;ind.</p>
                  </div><lb/>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[50/0072] Zwilligen, Drillingen u. ſ. w. — Man hat ſich hier die Bildung des Zwillingseies ſo zu denken, daß zwei Ei- blaͤschen von den Ovarien abgeloͤſt, und in den Uterus ge- fuͤhrt worden ſeyen, dort nun aber jedes neben dem andern ſich ganz ſo entwickele als waͤre nur ein einziges vorhanden. In der Regel hat daher jeder Zwilling ſeine beſondern Eihaͤute, ſein beſonderes Fruchtwaſſer, ſeinen beſondern Nabelſtrang und Mutterkuchen, nur pflegen die Flaͤchen beiderſeitiger Leder- haͤute, welche einander zugekehrt ſind, mit einander zu verwach- ſen. Die Lage der Zwillinge ſelbſt iſt uͤbrigens (wenn ſie ganz der Form des Uterus angemeſſen ſeyn ſoll,) ſo, daß das eine mit dem Kopfe abwaͤrts das andre mit den Fuͤßen abwaͤrts ge- richtet ſey *). §. 724. Von dieſem Verhalten aber finden ſich mehrere Abweichun- gen. Eine der haͤufigſten iſt, daß die Placenten untereinander verwachſen, wobei dann Anaſtamoſen zwiſchen beiderſeitigen Nabelgefaͤßen ſich wohl bilden koͤnnen. Hier haben alſo beide Eier ſcheinbar nur eine Placenta. Weit ſeltner iſt es dagegen, daß die durch die doppelten Eihaͤute beider Zwillinge gebildete Scheidewand entweder durch zu dichtes Aneinanderliegen oblite- rirt, oder vielleicht auch auf mechaniſche Weiſe durch ſtaͤrkere Bewegung der Kinder (obwohl auch dann die Duͤnnheit der Haͤute ſchon ſehr groß ſeyn muß) zerſtoͤrt wird, und folglich beide Kinder in einer und derſelben Eihoͤle liegen; ein Fall, wel- cher indeß ſchon zu pathologiſchen Zuſtaͤnden Veranlaſſung geben kann indem dann leicht die Nabelſtraͤnge untereinander ſich ver- ſchlingen **) oder ſelbſt die Kinder untereinander verwachſen. — Auf aͤhnliche Weiſe verhalten ſich die Theile des Eies auch wenn Drillinge oder Vierlinge vorhanden ſind. *) S. Smellie Tabulae anat. fol. T. X. **) S. v. Siebold’s Lucina III. Bd. I. Stck. S. 19.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/72
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/72>, abgerufen am 22.12.2024.