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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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10. Angeborener Hirnbruch (Encephalocele).
§. 1665.

In seltnen Fällen bemerkt man, daß durch regelwidrig
offen gebliebene Stellen des Schädels entweder in den Nä-
then oder Fontanellen, oder auch in den größern Kopfknochen
(vorzüglich den Scheitelbeinen) ein Theil der Hirnmasse sich
hervordrängt und eine Geschwulst am Kopfe verursacht, bei
welcher, je größer sie ist, um so kleiner der Umfang des Kopfs
gefunden wird. Der Hirnbruch charakterisirt sich durch das teigige
Gefühl der Geschwulst, durch ihre Pulsation, durch die wenig oder
nicht veränderte Beschaffenheit der Hautbedeckungen und vor-
züglich dadurch, daß er durch gelinden fortgesetzten Druck ent-
weder zum Theil oder völlig zurückgebracht werden kann, auch
an der Basis desselben der Rand der Oeffnung deutlich ge-
fühlt wird. Besonders groß ist die Aehnlichkeit der Blutge-
schwulst, welche nach schweren Geburten entsieht, mit dem
Hirnbruche, da das Pericranium hierbei gewöhnlich so ring-
förmig aufgetrieben wird, daß man den Rand der Knochen-
öffnung zu fühlen glaubt; allein die Fluktuation, und daß sie
nicht zurückgebracht werden kann, so wie daß sie erst später
entsteht, unterscheiden sie hinlänglich.

§. 1666.

Der Hirnbruch von bedeutendem Umfange wird stets
unter Zufällen von Sopor, Zuckungen, Lähmungen u. s. w.
in Kurzem tödtlich, und läßt eine besondere Behandlung folg-
lich nicht zu, außer daß man die Geschwulst behutsam un-
terstützt und warm hält. Kleinere Geschwülste machen einen
Versuch zur Heilung möglich, welcher durch Compressen mit
spirituösen Mitteln befeuchtet und Anwendung gelinden fort-
währenden Druckes von einer der Größe des Bruchs ange-
messenen, ausgehöhlten, hörnernen oder bleiernen Blatte auszu-
führen ist.

Wir haben ferner mehrere abnorme Verschließungen und
Verwachsungen zu betrachten: --


10. Angeborener Hirnbruch (Encephalocele).
§. 1665.

In ſeltnen Faͤllen bemerkt man, daß durch regelwidrig
offen gebliebene Stellen des Schaͤdels entweder in den Naͤ-
then oder Fontanellen, oder auch in den groͤßern Kopfknochen
(vorzuͤglich den Scheitelbeinen) ein Theil der Hirnmaſſe ſich
hervordraͤngt und eine Geſchwulſt am Kopfe verurſacht, bei
welcher, je groͤßer ſie iſt, um ſo kleiner der Umfang des Kopfs
gefunden wird. Der Hirnbruch charakteriſirt ſich durch das teigige
Gefuͤhl der Geſchwulſt, durch ihre Pulſation, durch die wenig oder
nicht veraͤnderte Beſchaffenheit der Hautbedeckungen und vor-
zuͤglich dadurch, daß er durch gelinden fortgeſetzten Druck ent-
weder zum Theil oder voͤllig zuruͤckgebracht werden kann, auch
an der Basis deſſelben der Rand der Oeffnung deutlich ge-
fuͤhlt wird. Beſonders groß iſt die Aehnlichkeit der Blutge-
ſchwulſt, welche nach ſchweren Geburten entſieht, mit dem
Hirnbruche, da das Pericranium hierbei gewoͤhnlich ſo ring-
foͤrmig aufgetrieben wird, daß man den Rand der Knochen-
oͤffnung zu fuͤhlen glaubt; allein die Fluktuation, und daß ſie
nicht zuruͤckgebracht werden kann, ſo wie daß ſie erſt ſpaͤter
entſteht, unterſcheiden ſie hinlaͤnglich.

§. 1666.

Der Hirnbruch von bedeutendem Umfange wird ſtets
unter Zufaͤllen von Sopor, Zuckungen, Laͤhmungen u. ſ. w.
in Kurzem toͤdtlich, und laͤßt eine beſondere Behandlung folg-
lich nicht zu, außer daß man die Geſchwulſt behutſam un-
terſtuͤtzt und warm haͤlt. Kleinere Geſchwuͤlſte machen einen
Verſuch zur Heilung moͤglich, welcher durch Compreſſen mit
ſpirituoͤſen Mitteln befeuchtet und Anwendung gelinden fort-
waͤhrenden Druckes von einer der Groͤße des Bruchs ange-
meſſenen, ausgehoͤhlten, hoͤrnernen oder bleiernen Blatte auszu-
fuͤhren iſt.

Wir haben ferner mehrere abnorme Verſchließungen und
Verwachſungen zu betrachten: —


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[608/0634] 10. Angeborener Hirnbruch (Encephalocele). §. 1665. In ſeltnen Faͤllen bemerkt man, daß durch regelwidrig offen gebliebene Stellen des Schaͤdels entweder in den Naͤ- then oder Fontanellen, oder auch in den groͤßern Kopfknochen (vorzuͤglich den Scheitelbeinen) ein Theil der Hirnmaſſe ſich hervordraͤngt und eine Geſchwulſt am Kopfe verurſacht, bei welcher, je groͤßer ſie iſt, um ſo kleiner der Umfang des Kopfs gefunden wird. Der Hirnbruch charakteriſirt ſich durch das teigige Gefuͤhl der Geſchwulſt, durch ihre Pulſation, durch die wenig oder nicht veraͤnderte Beſchaffenheit der Hautbedeckungen und vor- zuͤglich dadurch, daß er durch gelinden fortgeſetzten Druck ent- weder zum Theil oder voͤllig zuruͤckgebracht werden kann, auch an der Basis deſſelben der Rand der Oeffnung deutlich ge- fuͤhlt wird. Beſonders groß iſt die Aehnlichkeit der Blutge- ſchwulſt, welche nach ſchweren Geburten entſieht, mit dem Hirnbruche, da das Pericranium hierbei gewoͤhnlich ſo ring- foͤrmig aufgetrieben wird, daß man den Rand der Knochen- oͤffnung zu fuͤhlen glaubt; allein die Fluktuation, und daß ſie nicht zuruͤckgebracht werden kann, ſo wie daß ſie erſt ſpaͤter entſteht, unterſcheiden ſie hinlaͤnglich. §. 1666. Der Hirnbruch von bedeutendem Umfange wird ſtets unter Zufaͤllen von Sopor, Zuckungen, Laͤhmungen u. ſ. w. in Kurzem toͤdtlich, und laͤßt eine beſondere Behandlung folg- lich nicht zu, außer daß man die Geſchwulſt behutſam un- terſtuͤtzt und warm haͤlt. Kleinere Geſchwuͤlſte machen einen Verſuch zur Heilung moͤglich, welcher durch Compreſſen mit ſpirituoͤſen Mitteln befeuchtet und Anwendung gelinden fort- waͤhrenden Druckes von einer der Groͤße des Bruchs ange- meſſenen, ausgehoͤhlten, hoͤrnernen oder bleiernen Blatte auszu- fuͤhren iſt. Wir haben ferner mehrere abnorme Verſchließungen und Verwachſungen zu betrachten: —

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 608. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/634>, abgerufen am 22.11.2024.