gekünstelt nicht mit Unrecht genannt und auch durch die Er- fahrung noch nicht hinlänglich bestätigt worden ist. -- Weit einfacher dagegen ist das von M. Coze*) beschriebene Ver- fahren, welcher, indem er von der Ausführung des Stein- schnittes durch die Vagina spricht, bemerkt, daß die hierbei entstandene Communication zwischen Blasenhals und Mutter- scheide, durch bloße hinlängliche Ausfüllung des Scheidenka- nals mittelst eines starken, Zusammendrückung der vordern Schei- denwand bewirkenden Scheidencylinders, bei längere Zeit inne- liegendem Katheter sehr gut zur Heilung gebracht werden könne, und dieses Verfahren auch zur Heilung der Harnfisteln nach vorausgegangener Scarification der Fistelöffnung em- pfiehlt. -- Da übrigens nach jeder, fortwährendes Auströp- feln von Harn verursachenden Harnfistel große Zusammenge- zogenheit der Blase entstehen muß, so wird die Anwendung von öhligen oder schleimigen Injektionen welche einige Zeit zurückgehalten werden müssen, als Nachkur meistens unent- behrlich seyn.
§. 1559.
4. Verrenkung des Schwanzknochens. Dieser Zufall welcher eigentlich, wie schon Bernstein**) bemerkt, nicht eigentlich Verrenkung genannt werden kann, da das Steisbein mit dem Kreuzbein durch Knorpel verbunden ist, gehört zu den seltensten Zufällen nach der Entbindung. Er kann vorzüglich bei ältlichen Erstgebärenden mit starker Bek- kenkrümmung, bei gewaltsamer Durchführung eines starken Kindeskopfs, oder bei starkem Zurückdrücken des Steisknochens durch eine übergeschäftige unwissende Hebamme eintreten. Man erkennt die (hier allein vorkommende) Abweichung die- ses Knochens nach außen, durch das Schmerzgefühl am leidenden Theile, in der Gegend des Dammes und Afters, und am Zunehmen dieses Schmerzes durch Bewegung der
*)Journal univers. des Sciences medic. Septbr. 1819.
**) Ueber Verrenkungen und Beinbrüche. 1802. S. 102.
gekuͤnſtelt nicht mit Unrecht genannt und auch durch die Er- fahrung noch nicht hinlaͤnglich beſtaͤtigt worden iſt. — Weit einfacher dagegen iſt das von M. Coze*) beſchriebene Ver- fahren, welcher, indem er von der Ausfuͤhrung des Stein- ſchnittes durch die Vagina ſpricht, bemerkt, daß die hierbei entſtandene Communication zwiſchen Blaſenhals und Mutter- ſcheide, durch bloße hinlaͤngliche Ausfuͤllung des Scheidenka- nals mittelſt eines ſtarken, Zuſammendruͤckung der vordern Schei- denwand bewirkenden Scheidencylinders, bei laͤngere Zeit inne- liegendem Katheter ſehr gut zur Heilung gebracht werden koͤnne, und dieſes Verfahren auch zur Heilung der Harnfiſteln nach vorausgegangener Scarification der Fiſteloͤffnung em- pfiehlt. — Da uͤbrigens nach jeder, fortwaͤhrendes Austroͤp- feln von Harn verurſachenden Harnfiſtel große Zuſammenge- zogenheit der Blaſe entſtehen muß, ſo wird die Anwendung von oͤhligen oder ſchleimigen Injektionen welche einige Zeit zuruͤckgehalten werden muͤſſen, als Nachkur meiſtens unent- behrlich ſeyn.
§. 1559.
4. Verrenkung des Schwanzknochens. Dieſer Zufall welcher eigentlich, wie ſchon Bernſtein**) bemerkt, nicht eigentlich Verrenkung genannt werden kann, da das Steisbein mit dem Kreuzbein durch Knorpel verbunden iſt, gehoͤrt zu den ſeltenſten Zufaͤllen nach der Entbindung. Er kann vorzuͤglich bei aͤltlichen Erſtgebaͤrenden mit ſtarker Bek- kenkruͤmmung, bei gewaltſamer Durchfuͤhrung eines ſtarken Kindeskopfs, oder bei ſtarkem Zuruͤckdruͤcken des Steisknochens durch eine uͤbergeſchaͤftige unwiſſende Hebamme eintreten. Man erkennt die (hier allein vorkommende) Abweichung die- ſes Knochens nach außen, durch das Schmerzgefuͤhl am leidenden Theile, in der Gegend des Dammes und Afters, und am Zunehmen dieſes Schmerzes durch Bewegung der
*)Journal univers. des Sciences médic. Septbr. 1819.
**) Ueber Verrenkungen und Beinbruͤche. 1802. S. 102.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0568"n="542"/>
gekuͤnſtelt nicht mit Unrecht genannt und auch durch die Er-<lb/>
fahrung noch nicht hinlaͤnglich beſtaͤtigt worden iſt. — Weit<lb/>
einfacher dagegen iſt das von <hirendition="#aq">M. Coze</hi><noteplace="foot"n="*)"><hirendition="#aq">Journal univers. des Sciences médic. Septbr.</hi> 1819.</note> beſchriebene Ver-<lb/>
fahren, welcher, indem er von der Ausfuͤhrung des Stein-<lb/>ſchnittes durch die Vagina ſpricht, bemerkt, daß die hierbei<lb/>
entſtandene Communication zwiſchen Blaſenhals und Mutter-<lb/>ſcheide, durch bloße hinlaͤngliche Ausfuͤllung des Scheidenka-<lb/>
nals mittelſt eines ſtarken, Zuſammendruͤckung der vordern Schei-<lb/>
denwand bewirkenden Scheidencylinders, bei laͤngere Zeit inne-<lb/>
liegendem Katheter ſehr gut zur Heilung gebracht werden<lb/>
koͤnne, und dieſes Verfahren auch zur Heilung der Harnfiſteln<lb/>
nach vorausgegangener Scarification der Fiſteloͤffnung em-<lb/>
pfiehlt. — Da uͤbrigens nach jeder, fortwaͤhrendes Austroͤp-<lb/>
feln von Harn verurſachenden Harnfiſtel große Zuſammenge-<lb/>
zogenheit der Blaſe entſtehen muß, ſo wird die Anwendung<lb/>
von oͤhligen oder ſchleimigen Injektionen welche einige Zeit<lb/>
zuruͤckgehalten werden muͤſſen, als Nachkur meiſtens unent-<lb/>
behrlich ſeyn.</p></div><lb/><divn="9"><head>§. 1559.</head><lb/><p>4. <hirendition="#g">Verrenkung des Schwanzknochens</hi>. Dieſer<lb/>
Zufall welcher eigentlich, wie ſchon <hirendition="#g">Bernſtein</hi><noteplace="foot"n="**)">Ueber Verrenkungen und Beinbruͤche. 1802. S. 102.</note> bemerkt,<lb/>
nicht eigentlich Verrenkung genannt werden kann, da das<lb/>
Steisbein mit dem Kreuzbein durch Knorpel verbunden iſt,<lb/>
gehoͤrt zu den ſeltenſten Zufaͤllen nach der Entbindung. Er<lb/>
kann vorzuͤglich bei aͤltlichen Erſtgebaͤrenden mit ſtarker Bek-<lb/>
kenkruͤmmung, bei gewaltſamer Durchfuͤhrung eines ſtarken<lb/>
Kindeskopfs, oder bei ſtarkem Zuruͤckdruͤcken des Steisknochens<lb/>
durch eine uͤbergeſchaͤftige unwiſſende Hebamme eintreten.<lb/>
Man erkennt die (hier allein vorkommende) Abweichung die-<lb/>ſes Knochens <hirendition="#g">nach außen</hi>, durch das Schmerzgefuͤhl am<lb/>
leidenden Theile, in der Gegend des Dammes und Afters,<lb/>
und am Zunehmen dieſes Schmerzes durch Bewegung der<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[542/0568]
gekuͤnſtelt nicht mit Unrecht genannt und auch durch die Er-
fahrung noch nicht hinlaͤnglich beſtaͤtigt worden iſt. — Weit
einfacher dagegen iſt das von M. Coze *) beſchriebene Ver-
fahren, welcher, indem er von der Ausfuͤhrung des Stein-
ſchnittes durch die Vagina ſpricht, bemerkt, daß die hierbei
entſtandene Communication zwiſchen Blaſenhals und Mutter-
ſcheide, durch bloße hinlaͤngliche Ausfuͤllung des Scheidenka-
nals mittelſt eines ſtarken, Zuſammendruͤckung der vordern Schei-
denwand bewirkenden Scheidencylinders, bei laͤngere Zeit inne-
liegendem Katheter ſehr gut zur Heilung gebracht werden
koͤnne, und dieſes Verfahren auch zur Heilung der Harnfiſteln
nach vorausgegangener Scarification der Fiſteloͤffnung em-
pfiehlt. — Da uͤbrigens nach jeder, fortwaͤhrendes Austroͤp-
feln von Harn verurſachenden Harnfiſtel große Zuſammenge-
zogenheit der Blaſe entſtehen muß, ſo wird die Anwendung
von oͤhligen oder ſchleimigen Injektionen welche einige Zeit
zuruͤckgehalten werden muͤſſen, als Nachkur meiſtens unent-
behrlich ſeyn.
§. 1559.
4. Verrenkung des Schwanzknochens. Dieſer
Zufall welcher eigentlich, wie ſchon Bernſtein **) bemerkt,
nicht eigentlich Verrenkung genannt werden kann, da das
Steisbein mit dem Kreuzbein durch Knorpel verbunden iſt,
gehoͤrt zu den ſeltenſten Zufaͤllen nach der Entbindung. Er
kann vorzuͤglich bei aͤltlichen Erſtgebaͤrenden mit ſtarker Bek-
kenkruͤmmung, bei gewaltſamer Durchfuͤhrung eines ſtarken
Kindeskopfs, oder bei ſtarkem Zuruͤckdruͤcken des Steisknochens
durch eine uͤbergeſchaͤftige unwiſſende Hebamme eintreten.
Man erkennt die (hier allein vorkommende) Abweichung die-
ſes Knochens nach außen, durch das Schmerzgefuͤhl am
leidenden Theile, in der Gegend des Dammes und Afters,
und am Zunehmen dieſes Schmerzes durch Bewegung der
*) Journal univers. des Sciences médic. Septbr. 1819.
**) Ueber Verrenkungen und Beinbruͤche. 1802. S. 102.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 542. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/568>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.