Natur diese Regelwidrigkeit öfters beseitigt. Man bemerkt aber ziemlich oft, daß bei so großer Wasseransammlung schon mit den ersten Wehen oder bald nach beginnender Eröffnung des Muttermundes die Häute zerreißen und Wasser anfängt zu fließen, daß dadurch nach und nach der Uterus sich ver- kleinert, sich dichter an das Kind anschließt und dann die Geburt regelmäßig verläuft. -- Es ergiebt sich hieraus, wel- ches Verfahren die Kunst einzuschlagen habe; nämlich sobald in der zweiten Periode die Zeichen der zu großen Frucht- wassermenge deutlich sich zu erkennen geben, und die Folgen derselben durch ungewöhnliche Verzögerung der Erweiterung des Muttermundes, Schmerzen u. s. w. sichtbar werden, das künst- liche Sprengen der Häute nicht zu unterlassen, sobald die Eröff- nung des Muttermundes wenigstens bis zum Durchmesser von 1 oder 11/2 Zoll vorgeschritten ist. Bleiben jedoch nach dem Was- serabgange die Folgen der zu starken Ausdehnung demungeach- tet zurück, durch Atonie in der dritten, vierten und fünften Pe- riode sich äußernd, so muß sodann die bei der Schwäche des Uterus näher erörterte Behandlung eintreten.
2. Zu weniges Fruchtwasser.
§. 1514.
Der Regel nach soll allerdings in der letzten Periode der Schwangerschaft das Fruchtwasser nach und nach sich vermindern, allein mitunter nimmt es so sehr ab, daß zur Zeit der eintretenden Geburt dasselbe soweit verschwunden ist, daß davon bei Trennung der Häute nur eine höchst geringe Quantität, oder auch gar nichts bemerkt wird. Man nennt eine solche Geburt eine trockne Geburt, und beobachtet davon mehrere nachtheilige Folgen. Es gehört dahin eine, wegen sich nicht stellender Blase, schwierigere Eröffnung des Muttermundes mit allen ihren Folgen (Entzündung, Krampf u. s. w.), stärkeres Anspannen der Häute und leichter eintre- tende partielle Trennung des Mutterkuchens; ja es ist nicht
Natur dieſe Regelwidrigkeit oͤfters beſeitigt. Man bemerkt aber ziemlich oft, daß bei ſo großer Waſſeranſammlung ſchon mit den erſten Wehen oder bald nach beginnender Eroͤffnung des Muttermundes die Haͤute zerreißen und Waſſer anfaͤngt zu fließen, daß dadurch nach und nach der Uterus ſich ver- kleinert, ſich dichter an das Kind anſchließt und dann die Geburt regelmaͤßig verlaͤuft. — Es ergiebt ſich hieraus, wel- ches Verfahren die Kunſt einzuſchlagen habe; naͤmlich ſobald in der zweiten Periode die Zeichen der zu großen Frucht- waſſermenge deutlich ſich zu erkennen geben, und die Folgen derſelben durch ungewoͤhnliche Verzoͤgerung der Erweiterung des Muttermundes, Schmerzen u. ſ. w. ſichtbar werden, das kuͤnſt- liche Sprengen der Haͤute nicht zu unterlaſſen, ſobald die Eroͤff- nung des Muttermundes wenigſtens bis zum Durchmeſſer von 1 oder 1½ Zoll vorgeſchritten iſt. Bleiben jedoch nach dem Waſ- ſerabgange die Folgen der zu ſtarken Ausdehnung demungeach- tet zuruͤck, durch Atonie in der dritten, vierten und fuͤnften Pe- riode ſich aͤußernd, ſo muß ſodann die bei der Schwaͤche des Uterus naͤher eroͤrterte Behandlung eintreten.
2. Zu weniges Fruchtwaſſer.
§. 1514.
Der Regel nach ſoll allerdings in der letzten Periode der Schwangerſchaft das Fruchtwaſſer nach und nach ſich vermindern, allein mitunter nimmt es ſo ſehr ab, daß zur Zeit der eintretenden Geburt daſſelbe ſoweit verſchwunden iſt, daß davon bei Trennung der Haͤute nur eine hoͤchſt geringe Quantitaͤt, oder auch gar nichts bemerkt wird. Man nennt eine ſolche Geburt eine trockne Geburt, und beobachtet davon mehrere nachtheilige Folgen. Es gehoͤrt dahin eine, wegen ſich nicht ſtellender Blaſe, ſchwierigere Eroͤffnung des Muttermundes mit allen ihren Folgen (Entzuͤndung, Krampf u. ſ. w.), ſtaͤrkeres Anſpannen der Haͤute und leichter eintre- tende partielle Trennung des Mutterkuchens; ja es iſt nicht
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0540"n="514"/>
Natur dieſe Regelwidrigkeit oͤfters beſeitigt. Man bemerkt<lb/>
aber ziemlich oft, daß bei ſo großer Waſſeranſammlung ſchon<lb/>
mit den erſten Wehen oder bald nach beginnender Eroͤffnung<lb/>
des Muttermundes die Haͤute zerreißen und Waſſer anfaͤngt<lb/>
zu fließen, daß dadurch nach und nach der Uterus ſich ver-<lb/>
kleinert, ſich dichter an das Kind anſchließt und dann die<lb/>
Geburt regelmaͤßig verlaͤuft. — Es ergiebt ſich hieraus, wel-<lb/>
ches Verfahren die Kunſt einzuſchlagen habe; naͤmlich ſobald<lb/>
in der zweiten Periode die Zeichen der zu großen Frucht-<lb/>
waſſermenge deutlich ſich zu erkennen geben, und die Folgen<lb/>
derſelben durch ungewoͤhnliche Verzoͤgerung der Erweiterung des<lb/>
Muttermundes, Schmerzen u. ſ. w. ſichtbar werden, das kuͤnſt-<lb/>
liche Sprengen der Haͤute nicht zu unterlaſſen, ſobald die Eroͤff-<lb/>
nung des Muttermundes wenigſtens bis zum Durchmeſſer von<lb/>
1 oder 1½ Zoll vorgeſchritten iſt. Bleiben jedoch nach dem Waſ-<lb/>ſerabgange die Folgen der zu ſtarken Ausdehnung demungeach-<lb/>
tet zuruͤck, durch Atonie in der dritten, vierten und fuͤnften Pe-<lb/>
riode ſich aͤußernd, ſo muß ſodann die bei der Schwaͤche des<lb/>
Uterus naͤher eroͤrterte Behandlung eintreten.</p></div></div><lb/><divn="8"><head>2.<lb/><hirendition="#g">Zu weniges Fruchtwaſſer</hi>.</head><lb/><divn="9"><head>§. 1514.</head><lb/><p>Der Regel nach ſoll allerdings in der letzten Periode<lb/>
der Schwangerſchaft das Fruchtwaſſer nach und nach ſich<lb/>
vermindern, allein mitunter nimmt es ſo ſehr ab, daß zur<lb/>
Zeit der eintretenden Geburt daſſelbe ſoweit verſchwunden iſt,<lb/>
daß davon bei Trennung der Haͤute nur eine hoͤchſt geringe<lb/>
Quantitaͤt, oder auch gar nichts bemerkt wird. Man nennt<lb/>
eine ſolche Geburt eine <hirendition="#g">trockne Geburt</hi>, und beobachtet<lb/>
davon mehrere nachtheilige <hirendition="#g">Folgen</hi>. Es gehoͤrt dahin eine,<lb/>
wegen ſich nicht ſtellender Blaſe, ſchwierigere Eroͤffnung des<lb/>
Muttermundes mit allen ihren Folgen (Entzuͤndung, Krampf<lb/>
u. ſ. w.), ſtaͤrkeres Anſpannen der Haͤute und leichter eintre-<lb/>
tende partielle Trennung des Mutterkuchens; ja es iſt nicht<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[514/0540]
Natur dieſe Regelwidrigkeit oͤfters beſeitigt. Man bemerkt
aber ziemlich oft, daß bei ſo großer Waſſeranſammlung ſchon
mit den erſten Wehen oder bald nach beginnender Eroͤffnung
des Muttermundes die Haͤute zerreißen und Waſſer anfaͤngt
zu fließen, daß dadurch nach und nach der Uterus ſich ver-
kleinert, ſich dichter an das Kind anſchließt und dann die
Geburt regelmaͤßig verlaͤuft. — Es ergiebt ſich hieraus, wel-
ches Verfahren die Kunſt einzuſchlagen habe; naͤmlich ſobald
in der zweiten Periode die Zeichen der zu großen Frucht-
waſſermenge deutlich ſich zu erkennen geben, und die Folgen
derſelben durch ungewoͤhnliche Verzoͤgerung der Erweiterung des
Muttermundes, Schmerzen u. ſ. w. ſichtbar werden, das kuͤnſt-
liche Sprengen der Haͤute nicht zu unterlaſſen, ſobald die Eroͤff-
nung des Muttermundes wenigſtens bis zum Durchmeſſer von
1 oder 1½ Zoll vorgeſchritten iſt. Bleiben jedoch nach dem Waſ-
ſerabgange die Folgen der zu ſtarken Ausdehnung demungeach-
tet zuruͤck, durch Atonie in der dritten, vierten und fuͤnften Pe-
riode ſich aͤußernd, ſo muß ſodann die bei der Schwaͤche des
Uterus naͤher eroͤrterte Behandlung eintreten.
2.
Zu weniges Fruchtwaſſer.
§. 1514.
Der Regel nach ſoll allerdings in der letzten Periode
der Schwangerſchaft das Fruchtwaſſer nach und nach ſich
vermindern, allein mitunter nimmt es ſo ſehr ab, daß zur
Zeit der eintretenden Geburt daſſelbe ſoweit verſchwunden iſt,
daß davon bei Trennung der Haͤute nur eine hoͤchſt geringe
Quantitaͤt, oder auch gar nichts bemerkt wird. Man nennt
eine ſolche Geburt eine trockne Geburt, und beobachtet
davon mehrere nachtheilige Folgen. Es gehoͤrt dahin eine,
wegen ſich nicht ſtellender Blaſe, ſchwierigere Eroͤffnung des
Muttermundes mit allen ihren Folgen (Entzuͤndung, Krampf
u. ſ. w.), ſtaͤrkeres Anſpannen der Haͤute und leichter eintre-
tende partielle Trennung des Mutterkuchens; ja es iſt nicht
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/540>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.