Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

Verhältnisse in völliger Ungewißheit bleiben. Merkwürdig ist
es, daß man in den meisten Fällen bei dem Sitze des Mut-
terkuchens auf dem Muttermunde auch falsche Lagen des
Kindes (wohl als Folgen jener abnormen Adhäsion), wahrnimmt.

§. 1495.

Die Folgen des aufsitzenden Mutterkuchens sind theils
schon in der Schwangerschaft, theils bei beginnender Geburts-
arbeit bemerklich. Während der Schwangerschaft bewirkt das
allmählige Verkürzen des Mutterhalses und die immer zuneh-
mende Ausdehnung des untersten Gebärmuttersegments, daß
die Placenta an einzelnen Stellen vom Uterus sich zu trennen
anfängt, und alsbald ergießen geöffnete Venenmündungen des
Uterus Blut. Es geschieht dieß gewöhnlich erst nach zurück-
gelegter erster Hälfte der Schwangerschaft und am häufigsten
in 7. 8. oder 9. Monate. Ist nun die Blutung nicht allzuheftig
so kommt sie gewöhnlich nach und nach, durch Bildung
geronnener Blutklumpen, welche tamponirend wirken, zum
Stillstand, die Schwangerschaft rückt weiter, bis in einiger
Zeit erneuerter Blutfluß eintritt. Durch einen starken Blut-
verlust dieser Art kann auch selbst die Schwangerschaft früh-
zeitig unterbrochen und eine Fehlgeburt veranlaßt werden.

§. 1496.

Vorzüglich gefährlich aber wirkt diese Regelwidrigkeit
immer bei eintretenden Wehen; indem nämlich der Mutter-
mund sich erweitert, muß nothwendig die Placenta immer
weiter sich abtrennen, und die Blutung welche gewöhnlich
schon mit den ersten Wehen eintritt, an Heftigkeit immer
mehr zunehmen, ja es kann, bei mitten auf dem Mutter-
munde aufsitzender Placenta, sogar dahinkommen, daß diese
vor dem Kinde ausgetrieben wird, wobei denn natürlich der
Blutverlust so bedeutend seyn muß, daß Kind und Mutter
gewöhnlich eine Beute des Todes werden. -- Die Prognose
wird daher stets um so übeler, je mehr centrisch der Mutter-
kuchen auf dem Muttermund aufgeheftet ist, je länger, wenn

Verhaͤltniſſe in voͤlliger Ungewißheit bleiben. Merkwuͤrdig iſt
es, daß man in den meiſten Faͤllen bei dem Sitze des Mut-
terkuchens auf dem Muttermunde auch falſche Lagen des
Kindes (wohl als Folgen jener abnormen Adhaͤſion), wahrnimmt.

§. 1495.

Die Folgen des aufſitzenden Mutterkuchens ſind theils
ſchon in der Schwangerſchaft, theils bei beginnender Geburts-
arbeit bemerklich. Waͤhrend der Schwangerſchaft bewirkt das
allmaͤhlige Verkuͤrzen des Mutterhalſes und die immer zuneh-
mende Ausdehnung des unterſten Gebaͤrmutterſegments, daß
die Placenta an einzelnen Stellen vom Uterus ſich zu trennen
anfaͤngt, und alsbald ergießen geoͤffnete Venenmuͤndungen des
Uterus Blut. Es geſchieht dieß gewoͤhnlich erſt nach zuruͤck-
gelegter erſter Haͤlfte der Schwangerſchaft und am haͤufigſten
in 7. 8. oder 9. Monate. Iſt nun die Blutung nicht allzuheftig
ſo kommt ſie gewoͤhnlich nach und nach, durch Bildung
geronnener Blutklumpen, welche tamponirend wirken, zum
Stillſtand, die Schwangerſchaft ruͤckt weiter, bis in einiger
Zeit erneuerter Blutfluß eintritt. Durch einen ſtarken Blut-
verluſt dieſer Art kann auch ſelbſt die Schwangerſchaft fruͤh-
zeitig unterbrochen und eine Fehlgeburt veranlaßt werden.

§. 1496.

Vorzuͤglich gefaͤhrlich aber wirkt dieſe Regelwidrigkeit
immer bei eintretenden Wehen; indem naͤmlich der Mutter-
mund ſich erweitert, muß nothwendig die Placenta immer
weiter ſich abtrennen, und die Blutung welche gewoͤhnlich
ſchon mit den erſten Wehen eintritt, an Heftigkeit immer
mehr zunehmen, ja es kann, bei mitten auf dem Mutter-
munde aufſitzender Placenta, ſogar dahinkommen, daß dieſe
vor dem Kinde ausgetrieben wird, wobei denn natuͤrlich der
Blutverluſt ſo bedeutend ſeyn muß, daß Kind und Mutter
gewoͤhnlich eine Beute des Todes werden. — Die Prognoſe
wird daher ſtets um ſo uͤbeler, je mehr centriſch der Mutter-
kuchen auf dem Muttermund aufgeheftet iſt, je laͤnger, wenn

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0529" n="503"/>
Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e in vo&#x0364;lliger Ungewißheit bleiben. Merkwu&#x0364;rdig i&#x017F;t<lb/>
es, daß man in den mei&#x017F;ten Fa&#x0364;llen bei dem Sitze des Mut-<lb/>
terkuchens auf dem Muttermunde auch fal&#x017F;che Lagen des<lb/>
Kindes (wohl als Folgen jener abnormen Adha&#x0364;&#x017F;ion), wahrnimmt.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 1495.</head><lb/>
                        <p>Die <hi rendition="#g">Folgen</hi> des auf&#x017F;itzenden Mutterkuchens &#x017F;ind theils<lb/>
&#x017F;chon in der Schwanger&#x017F;chaft, theils bei beginnender Geburts-<lb/>
arbeit bemerklich. Wa&#x0364;hrend der Schwanger&#x017F;chaft bewirkt das<lb/>
allma&#x0364;hlige Verku&#x0364;rzen des Mutterhal&#x017F;es und die immer zuneh-<lb/>
mende Ausdehnung des unter&#x017F;ten Geba&#x0364;rmutter&#x017F;egments, daß<lb/>
die Placenta an einzelnen Stellen vom Uterus &#x017F;ich zu trennen<lb/>
anfa&#x0364;ngt, und alsbald ergießen geo&#x0364;ffnete Venenmu&#x0364;ndungen des<lb/>
Uterus Blut. Es ge&#x017F;chieht dieß gewo&#x0364;hnlich er&#x017F;t nach zuru&#x0364;ck-<lb/>
gelegter er&#x017F;ter Ha&#x0364;lfte der Schwanger&#x017F;chaft und am ha&#x0364;ufig&#x017F;ten<lb/>
in 7. 8. oder 9. Monate. I&#x017F;t nun die Blutung nicht allzuheftig<lb/>
&#x017F;o kommt &#x017F;ie gewo&#x0364;hnlich nach und nach, durch Bildung<lb/>
geronnener Blutklumpen, welche tamponirend wirken, zum<lb/>
Still&#x017F;tand, die Schwanger&#x017F;chaft ru&#x0364;ckt weiter, bis in einiger<lb/>
Zeit erneuerter Blutfluß eintritt. Durch einen &#x017F;tarken Blut-<lb/>
verlu&#x017F;t die&#x017F;er Art kann auch &#x017F;elb&#x017F;t die Schwanger&#x017F;chaft fru&#x0364;h-<lb/>
zeitig unterbrochen und eine Fehlgeburt veranlaßt werden.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 1496.</head><lb/>
                        <p>Vorzu&#x0364;glich gefa&#x0364;hrlich aber wirkt die&#x017F;e Regelwidrigkeit<lb/>
immer bei eintretenden Wehen; indem na&#x0364;mlich der Mutter-<lb/>
mund &#x017F;ich erweitert, muß nothwendig die Placenta immer<lb/>
weiter &#x017F;ich abtrennen, und die Blutung welche gewo&#x0364;hnlich<lb/>
&#x017F;chon mit den er&#x017F;ten Wehen eintritt, an Heftigkeit immer<lb/>
mehr zunehmen, ja es kann, bei mitten auf dem Mutter-<lb/>
munde auf&#x017F;itzender Placenta, &#x017F;ogar dahinkommen, daß die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#g">vor</hi> dem Kinde ausgetrieben wird, wobei denn natu&#x0364;rlich der<lb/>
Blutverlu&#x017F;t &#x017F;o bedeutend &#x017F;eyn muß, daß Kind und Mutter<lb/>
gewo&#x0364;hnlich eine Beute des Todes werden. &#x2014; Die <hi rendition="#g">Progno&#x017F;e</hi><lb/>
wird daher &#x017F;tets um &#x017F;o u&#x0364;beler, je mehr centri&#x017F;ch der Mutter-<lb/>
kuchen auf dem Muttermund aufgeheftet i&#x017F;t, je la&#x0364;nger, wenn<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[503/0529] Verhaͤltniſſe in voͤlliger Ungewißheit bleiben. Merkwuͤrdig iſt es, daß man in den meiſten Faͤllen bei dem Sitze des Mut- terkuchens auf dem Muttermunde auch falſche Lagen des Kindes (wohl als Folgen jener abnormen Adhaͤſion), wahrnimmt. §. 1495. Die Folgen des aufſitzenden Mutterkuchens ſind theils ſchon in der Schwangerſchaft, theils bei beginnender Geburts- arbeit bemerklich. Waͤhrend der Schwangerſchaft bewirkt das allmaͤhlige Verkuͤrzen des Mutterhalſes und die immer zuneh- mende Ausdehnung des unterſten Gebaͤrmutterſegments, daß die Placenta an einzelnen Stellen vom Uterus ſich zu trennen anfaͤngt, und alsbald ergießen geoͤffnete Venenmuͤndungen des Uterus Blut. Es geſchieht dieß gewoͤhnlich erſt nach zuruͤck- gelegter erſter Haͤlfte der Schwangerſchaft und am haͤufigſten in 7. 8. oder 9. Monate. Iſt nun die Blutung nicht allzuheftig ſo kommt ſie gewoͤhnlich nach und nach, durch Bildung geronnener Blutklumpen, welche tamponirend wirken, zum Stillſtand, die Schwangerſchaft ruͤckt weiter, bis in einiger Zeit erneuerter Blutfluß eintritt. Durch einen ſtarken Blut- verluſt dieſer Art kann auch ſelbſt die Schwangerſchaft fruͤh- zeitig unterbrochen und eine Fehlgeburt veranlaßt werden. §. 1496. Vorzuͤglich gefaͤhrlich aber wirkt dieſe Regelwidrigkeit immer bei eintretenden Wehen; indem naͤmlich der Mutter- mund ſich erweitert, muß nothwendig die Placenta immer weiter ſich abtrennen, und die Blutung welche gewoͤhnlich ſchon mit den erſten Wehen eintritt, an Heftigkeit immer mehr zunehmen, ja es kann, bei mitten auf dem Mutter- munde aufſitzender Placenta, ſogar dahinkommen, daß dieſe vor dem Kinde ausgetrieben wird, wobei denn natuͤrlich der Blutverluſt ſo bedeutend ſeyn muß, daß Kind und Mutter gewoͤhnlich eine Beute des Todes werden. — Die Prognoſe wird daher ſtets um ſo uͤbeler, je mehr centriſch der Mutter- kuchen auf dem Muttermund aufgeheftet iſt, je laͤnger, wenn

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/529
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 503. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/529>, abgerufen am 25.11.2024.