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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

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und hat zur Absicht zu zeigen, welcher Krankheiten der Fe-
tus insbesondere fähig ist, oder mit andern Worten eine
Darstellung der pathologischen Eigenthümlich-
keiten desselben
(eine Therapie ist natürlich hierbei nicht
füglich denkbar) zu geben.

1. Allgemeine Pathologie des Fetuszustandes.
§. 1116.

Im entwickelten Menschen äußert sich das Leben durch
Bilden und Bestimmung der Gebilde (vegetatives und ani-
males Leben) und so auch zeigen sich die krankhaften Zustände
bald als abnorme Bildungsthätigkeit, bald als abnorme Zu-
stände des Seelenlebens in seinen Aeußerungen durch Empfin-
dung und Bewegung. In der Periode hingegen wo der sich
erst entwickelnde Menschenkörper, in tiefem Schlafe seiner
höhern Fähigkeiten befangen, im mütterlichen Körper verweilt,
lebt er auch nur im Bilden, und es ergiebt sich daraus,
daß Störungen seiner Lebensthätigkeit über-
haupt nur als krankhaft werdende Bildungsthä-
tigkeit erscheinen können
.

§. 1117.

Wir dürfen aber an der Bildungsthätigkeit des Embryo
zweierlei Formen unterscheiden, nämlich diejenige wodurch die
besondern Organe des Körpers zuerst aus der indifferenten
Einheit des ursprünglichen Keims, durch stets fortgesetzte
Differenzirung organischer Maße, sich hervorbilden, und dann
diejenige wodurch der organische Stoffwechsel in den bereits
vorhandenen Organen unterhalten wird. Man könnte die
erste die schaffende die zweite die erhaltende Bildungskraft
nennen, und muß bemerken, daß von diesen wieder die erstere
ganz dem Fetuszustande und besonders der frühern Periode
desselben eigenthümlich sey, in der spätern Periode dessel-
ben hingegen, so wie nach der Geburt bis zur Pubertätsent-
wickelung, nur noch durch das Wachsthum vorhandener, aber
nicht mehr durch die Erschaffung neuer Gebilde sich äußere.


und hat zur Abſicht zu zeigen, welcher Krankheiten der Fe-
tus insbeſondere faͤhig iſt, oder mit andern Worten eine
Darſtellung der pathologiſchen Eigenthuͤmlich-
keiten deſſelben
(eine Therapie iſt natuͤrlich hierbei nicht
fuͤglich denkbar) zu geben.

1. Allgemeine Pathologie des Fetuszuſtandes.
§. 1116.

Im entwickelten Menſchen aͤußert ſich das Leben durch
Bilden und Beſtimmung der Gebilde (vegetatives und ani-
males Leben) und ſo auch zeigen ſich die krankhaften Zuſtaͤnde
bald als abnorme Bildungsthaͤtigkeit, bald als abnorme Zu-
ſtaͤnde des Seelenlebens in ſeinen Aeußerungen durch Empfin-
dung und Bewegung. In der Periode hingegen wo der ſich
erſt entwickelnde Menſchenkoͤrper, in tiefem Schlafe ſeiner
hoͤhern Faͤhigkeiten befangen, im muͤtterlichen Koͤrper verweilt,
lebt er auch nur im Bilden, und es ergiebt ſich daraus,
daß Stoͤrungen ſeiner Lebensthaͤtigkeit uͤber-
haupt nur als krankhaft werdende Bildungsthaͤ-
tigkeit erſcheinen koͤnnen
.

§. 1117.

Wir duͤrfen aber an der Bildungsthaͤtigkeit des Embryo
zweierlei Formen unterſcheiden, naͤmlich diejenige wodurch die
beſondern Organe des Koͤrpers zuerſt aus der indifferenten
Einheit des urſpruͤnglichen Keims, durch ſtets fortgeſetzte
Differenzirung organiſcher Maße, ſich hervorbilden, und dann
diejenige wodurch der organiſche Stoffwechſel in den bereits
vorhandenen Organen unterhalten wird. Man koͤnnte die
erſte die ſchaffende die zweite die erhaltende Bildungskraft
nennen, und muß bemerken, daß von dieſen wieder die erſtere
ganz dem Fetuszuſtande und beſonders der fruͤhern Periode
deſſelben eigenthuͤmlich ſey, in der ſpaͤtern Periode deſſel-
ben hingegen, ſo wie nach der Geburt bis zur Pubertaͤtsent-
wickelung, nur noch durch das Wachsthum vorhandener, aber
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[276/0300] und hat zur Abſicht zu zeigen, welcher Krankheiten der Fe- tus insbeſondere faͤhig iſt, oder mit andern Worten eine Darſtellung der pathologiſchen Eigenthuͤmlich- keiten deſſelben (eine Therapie iſt natuͤrlich hierbei nicht fuͤglich denkbar) zu geben. 1. Allgemeine Pathologie des Fetuszuſtandes. §. 1116. Im entwickelten Menſchen aͤußert ſich das Leben durch Bilden und Beſtimmung der Gebilde (vegetatives und ani- males Leben) und ſo auch zeigen ſich die krankhaften Zuſtaͤnde bald als abnorme Bildungsthaͤtigkeit, bald als abnorme Zu- ſtaͤnde des Seelenlebens in ſeinen Aeußerungen durch Empfin- dung und Bewegung. In der Periode hingegen wo der ſich erſt entwickelnde Menſchenkoͤrper, in tiefem Schlafe ſeiner hoͤhern Faͤhigkeiten befangen, im muͤtterlichen Koͤrper verweilt, lebt er auch nur im Bilden, und es ergiebt ſich daraus, daß Stoͤrungen ſeiner Lebensthaͤtigkeit uͤber- haupt nur als krankhaft werdende Bildungsthaͤ- tigkeit erſcheinen koͤnnen. §. 1117. Wir duͤrfen aber an der Bildungsthaͤtigkeit des Embryo zweierlei Formen unterſcheiden, naͤmlich diejenige wodurch die beſondern Organe des Koͤrpers zuerſt aus der indifferenten Einheit des urſpruͤnglichen Keims, durch ſtets fortgeſetzte Differenzirung organiſcher Maße, ſich hervorbilden, und dann diejenige wodurch der organiſche Stoffwechſel in den bereits vorhandenen Organen unterhalten wird. Man koͤnnte die erſte die ſchaffende die zweite die erhaltende Bildungskraft nennen, und muß bemerken, daß von dieſen wieder die erſtere ganz dem Fetuszuſtande und beſonders der fruͤhern Periode deſſelben eigenthuͤmlich ſey, in der ſpaͤtern Periode deſſel- ben hingegen, ſo wie nach der Geburt bis zur Pubertaͤtsent- wickelung, nur noch durch das Wachsthum vorhandener, aber nicht mehr durch die Erſchaffung neuer Gebilde ſich aͤußere.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/300>, abgerufen am 22.12.2024.