Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

niß gestanden habe, wie ein Fetus im weiblichen Körper
bey einer Schwangerschaft außerhalb der Gebärmutter. Fer-
ner können wir die Schwangerschaft auch nicht auf das
Tragen und Ernähren eines Kindes beschränken, da oft gar
kein wirklich gebildetes Kind vorhanden ist, oder auch der
Fall vorkommt, wo ein wirklicher Fetus zwar sich vorfindet,
aber als abgestorbene Frucht längere Zeit im Körper verweilt
und sonach nicht mehr ernährt wird.

1. Von der Empfängniß.
§. 638.

Auf welche Weise die Bildung eines neuen thierischen
und besonders eines neuen menschlichen Körpers zuerst be-
gründet werde, hat von jeher die Forschungen der Physiolo-
gen rege gemacht und zu den verschiedenartigsten Zeugungs-
theorien Veranlassung gegeben, welche hier durchzugehen
nicht der Ort ist, und welche man anderwärts *) ausführlich
zusammen gestellt vorfinden kann. Gewöhnlich schwankten diese
Meinungen ziemlich der Annahme eines entweder von jeher
im weiblichen Körper gegebenen Keimes, welcher nur durch
die Befruchtung zur Entwickelung gedeihe (Evolutionstheorie),
oder einer durch den Zeugungsakt angeregten allmähligen
Ausbildung einer vorher rohen und ungebildeten Masse, wel-
che entweder vom männlichen oder vom weiblichen Körper,
oder von beiden zugleich hergegeben werde (Epigenesis); der
schwierigste Punkt blieb indeß immer, daß man die neue
Entstehung
eines organischen Körpers erklären wollte,
und hier verfiel man offenbar in Irrthum.


*) Sehr vollständig ist die Uebersicht der Zeugungstheorien, welche
in Pierer's anatom. physiol. Real-Wörterbuche Th. III. S. 802.
gegeben wird.

niß geſtanden habe, wie ein Fetus im weiblichen Koͤrper
bey einer Schwangerſchaft außerhalb der Gebaͤrmutter. Fer-
ner koͤnnen wir die Schwangerſchaft auch nicht auf das
Tragen und Ernaͤhren eines Kindes beſchraͤnken, da oft gar
kein wirklich gebildetes Kind vorhanden iſt, oder auch der
Fall vorkommt, wo ein wirklicher Fetus zwar ſich vorfindet,
aber als abgeſtorbene Frucht laͤngere Zeit im Koͤrper verweilt
und ſonach nicht mehr ernaͤhrt wird.

1. Von der Empfaͤngniß.
§. 638.

Auf welche Weiſe die Bildung eines neuen thieriſchen
und beſonders eines neuen menſchlichen Koͤrpers zuerſt be-
gruͤndet werde, hat von jeher die Forſchungen der Phyſiolo-
gen rege gemacht und zu den verſchiedenartigſten Zeugungs-
theorien Veranlaſſung gegeben, welche hier durchzugehen
nicht der Ort iſt, und welche man anderwaͤrts *) ausfuͤhrlich
zuſammen geſtellt vorfinden kann. Gewoͤhnlich ſchwankten dieſe
Meinungen ziemlich der Annahme eines entweder von jeher
im weiblichen Koͤrper gegebenen Keimes, welcher nur durch
die Befruchtung zur Entwickelung gedeihe (Evolutionstheorie),
oder einer durch den Zeugungsakt angeregten allmaͤhligen
Ausbildung einer vorher rohen und ungebildeten Maſſe, wel-
che entweder vom maͤnnlichen oder vom weiblichen Koͤrper,
oder von beiden zugleich hergegeben werde (Epigenesis); der
ſchwierigſte Punkt blieb indeß immer, daß man die neue
Entſtehung
eines organiſchen Koͤrpers erklaͤren wollte,
und hier verfiel man offenbar in Irrthum.


*) Sehr vollſtaͤndig iſt die Ueberſicht der Zeugungstheorien, welche
in Pierer’s anatom. phyſiol. Real-Woͤrterbuche Th. III. S. 802.
gegeben wird.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0027" n="5"/>
niß ge&#x017F;tanden habe, wie ein Fetus im weiblichen Ko&#x0364;rper<lb/>
bey einer Schwanger&#x017F;chaft außerhalb der Geba&#x0364;rmutter. Fer-<lb/>
ner ko&#x0364;nnen wir die Schwanger&#x017F;chaft auch nicht auf das<lb/>
Tragen und Erna&#x0364;hren eines Kindes be&#x017F;chra&#x0364;nken, da oft gar<lb/>
kein wirklich gebildetes Kind vorhanden i&#x017F;t, oder auch der<lb/>
Fall vorkommt, wo ein wirklicher Fetus zwar &#x017F;ich vorfindet,<lb/>
aber als abge&#x017F;torbene Frucht la&#x0364;ngere Zeit im Ko&#x0364;rper verweilt<lb/>
und &#x017F;onach nicht mehr erna&#x0364;hrt wird.</p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>1. <hi rendition="#g">Von der Empfa&#x0364;ngniß</hi>.</head><lb/>
                <div n="6">
                  <head>§. 638.</head><lb/>
                  <p>Auf welche Wei&#x017F;e die Bildung eines neuen thieri&#x017F;chen<lb/>
und be&#x017F;onders eines neuen men&#x017F;chlichen Ko&#x0364;rpers zuer&#x017F;t be-<lb/>
gru&#x0364;ndet werde, hat von jeher die For&#x017F;chungen der Phy&#x017F;iolo-<lb/>
gen rege gemacht und zu den ver&#x017F;chiedenartig&#x017F;ten Zeugungs-<lb/>
theorien Veranla&#x017F;&#x017F;ung gegeben, welche hier durchzugehen<lb/>
nicht der Ort i&#x017F;t, und welche man anderwa&#x0364;rts <note place="foot" n="*)">Sehr voll&#x017F;ta&#x0364;ndig i&#x017F;t die Ueber&#x017F;icht der Zeugungstheorien, welche<lb/>
in <hi rendition="#g">Pierer&#x2019;s</hi> anatom. phy&#x017F;iol. Real-Wo&#x0364;rterbuche Th. <hi rendition="#aq">III.</hi> S. 802.<lb/>
gegeben wird.</note> ausfu&#x0364;hrlich<lb/>
zu&#x017F;ammen ge&#x017F;tellt vorfinden kann. Gewo&#x0364;hnlich &#x017F;chwankten die&#x017F;e<lb/>
Meinungen ziemlich der Annahme eines entweder von jeher<lb/>
im weiblichen Ko&#x0364;rper gegebenen Keimes, welcher nur durch<lb/>
die Befruchtung zur Entwickelung gedeihe (Evolutionstheorie),<lb/>
oder einer durch den Zeugungsakt angeregten allma&#x0364;hligen<lb/>
Ausbildung einer vorher rohen und ungebildeten Ma&#x017F;&#x017F;e, wel-<lb/>
che entweder vom ma&#x0364;nnlichen oder vom weiblichen Ko&#x0364;rper,<lb/>
oder von beiden zugleich hergegeben werde <hi rendition="#aq">(Epigenesis);</hi> der<lb/>
&#x017F;chwierig&#x017F;te Punkt blieb indeß immer, daß man die <hi rendition="#g">neue<lb/>
Ent&#x017F;tehung</hi> eines organi&#x017F;chen Ko&#x0364;rpers erkla&#x0364;ren wollte,<lb/>
und hier verfiel man offenbar in Irrthum.</p>
                </div><lb/>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[5/0027] niß geſtanden habe, wie ein Fetus im weiblichen Koͤrper bey einer Schwangerſchaft außerhalb der Gebaͤrmutter. Fer- ner koͤnnen wir die Schwangerſchaft auch nicht auf das Tragen und Ernaͤhren eines Kindes beſchraͤnken, da oft gar kein wirklich gebildetes Kind vorhanden iſt, oder auch der Fall vorkommt, wo ein wirklicher Fetus zwar ſich vorfindet, aber als abgeſtorbene Frucht laͤngere Zeit im Koͤrper verweilt und ſonach nicht mehr ernaͤhrt wird. 1. Von der Empfaͤngniß. §. 638. Auf welche Weiſe die Bildung eines neuen thieriſchen und beſonders eines neuen menſchlichen Koͤrpers zuerſt be- gruͤndet werde, hat von jeher die Forſchungen der Phyſiolo- gen rege gemacht und zu den verſchiedenartigſten Zeugungs- theorien Veranlaſſung gegeben, welche hier durchzugehen nicht der Ort iſt, und welche man anderwaͤrts *) ausfuͤhrlich zuſammen geſtellt vorfinden kann. Gewoͤhnlich ſchwankten dieſe Meinungen ziemlich der Annahme eines entweder von jeher im weiblichen Koͤrper gegebenen Keimes, welcher nur durch die Befruchtung zur Entwickelung gedeihe (Evolutionstheorie), oder einer durch den Zeugungsakt angeregten allmaͤhligen Ausbildung einer vorher rohen und ungebildeten Maſſe, wel- che entweder vom maͤnnlichen oder vom weiblichen Koͤrper, oder von beiden zugleich hergegeben werde (Epigenesis); der ſchwierigſte Punkt blieb indeß immer, daß man die neue Entſtehung eines organiſchen Koͤrpers erklaͤren wollte, und hier verfiel man offenbar in Irrthum. *) Sehr vollſtaͤndig iſt die Ueberſicht der Zeugungstheorien, welche in Pierer’s anatom. phyſiol. Real-Woͤrterbuche Th. III. S. 802. gegeben wird.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/27
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 5. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/27>, abgerufen am 23.11.2024.