Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

dieser Perioden selbst nicht nothwendig werde;
und wenn nicht zu läugnen ist, daß der Zweck der ärztli-
chen Kunst überhaupt dahin gerichtet seyn solle, Krankheiten
zu verhüten, und so gleichsam sich selbst überflüßig zu ma-
chen, so muß dieses von der hier abzuhandelnden Diätetik
ganz vorzüglich gelten, und wird auch hier leichter als in
der Heilkunst überhaupt, wenigstens zum Theil erreicht wer-
den können.

§. 892.

Alle Schädlichkeiten also, welche den Ver-
lauf von Schwangerschaft, Geburt, Wochen- und
Stitlungsperiode stören können, abzuwenden,
das diesen Perioden angemessene Verhalten vor-
zuschreiben, und diejenige Pflege der Mutter
und dem Kinde angedeihen zu lassen, welche die
Wichtigkeit dieser Zuständefordert, hierbei aber
immer sich streng an das möglichst Einfache und
Zweckgemäße zu halten, und der Natur dabei
ihre Freiheit auf alle Weise zu bewahren, die-
ses sey der Zweck, welchen die Kunst, überall wo
nicht bereits ein krankhafter Zustand vorhanden
ist, sich vorsetze, und in dessen Erreichung sie
ihre vollkommenste Befriedigung finde
.

I. Diätetik der Schwangerschaft.
§. 893.

Wenden wir die in den vorigen §§. aufgestellten Sätze
zunächst auf die Leitung und Behandlung des weiblichen
Körpers im Zustande der Schwangerschaft an, so ergiebt sich
vor allen andern, daß bei einem naturgemäßen glücklichen
Gange dieses Processes, es nicht nur völlig überflüßig, son-
dern in vieler Hinsicht schädlich seyn müsse, wenn durch An-
wendung von Aderlässen, Abführ- oder Brechmitteln und
ähnliche Eingriffe, auf den in keiner Hinsicht krank zu nen-
nenden Körper gewirkt wird. Vorzüglich hat hier die un-
vollkommne Einsicht in die Natur des Schwangerschaftspro-

dieſer Perioden ſelbſt nicht nothwendig werde;
und wenn nicht zu laͤugnen iſt, daß der Zweck der aͤrztli-
chen Kunſt uͤberhaupt dahin gerichtet ſeyn ſolle, Krankheiten
zu verhuͤten, und ſo gleichſam ſich ſelbſt uͤberfluͤßig zu ma-
chen, ſo muß dieſes von der hier abzuhandelnden Diaͤtetik
ganz vorzuͤglich gelten, und wird auch hier leichter als in
der Heilkunſt uͤberhaupt, wenigſtens zum Theil erreicht wer-
den koͤnnen.

§. 892.

Alle Schaͤdlichkeiten alſo, welche den Ver-
lauf von Schwangerſchaft, Geburt, Wochen- und
Stitlungsperiode ſtoͤren koͤnnen, abzuwenden,
das dieſen Perioden angemeſſene Verhalten vor-
zuſchreiben, und diejenige Pflege der Mutter
und dem Kinde angedeihen zu laſſen, welche die
Wichtigkeit dieſer Zuſtaͤndefordert, hierbei aber
immer ſich ſtreng an das moͤglichſt Einfache und
Zweckgemaͤße zu halten, und der Natur dabei
ihre Freiheit auf alle Weiſe zu bewahren, die-
ſes ſey der Zweck, welchen die Kunſt, uͤberall wo
nicht bereits ein krankhafter Zuſtand vorhanden
iſt, ſich vorſetze, und in deſſen Erreichung ſie
ihre vollkommenſte Befriedigung finde
.

I. Diaͤtetik der Schwangerſchaft.
§. 893.

Wenden wir die in den vorigen §§. aufgeſtellten Saͤtze
zunaͤchſt auf die Leitung und Behandlung des weiblichen
Koͤrpers im Zuſtande der Schwangerſchaft an, ſo ergiebt ſich
vor allen andern, daß bei einem naturgemaͤßen gluͤcklichen
Gange dieſes Proceſſes, es nicht nur voͤllig uͤberfluͤßig, ſon-
dern in vieler Hinſicht ſchaͤdlich ſeyn muͤſſe, wenn durch An-
wendung von Aderlaͤſſen, Abfuͤhr- oder Brechmitteln und
aͤhnliche Eingriffe, auf den in keiner Hinſicht krank zu nen-
nenden Koͤrper gewirkt wird. Vorzuͤglich hat hier die un-
vollkommne Einſicht in die Natur des Schwangerſchaftspro-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><hi rendition="#g"><pb facs="#f0176" n="152"/>
die&#x017F;er Perioden &#x017F;elb&#x017F;t nicht nothwendig werde</hi>;<lb/>
und wenn nicht zu la&#x0364;ugnen i&#x017F;t, daß der Zweck der a&#x0364;rztli-<lb/>
chen Kun&#x017F;t u&#x0364;berhaupt dahin gerichtet &#x017F;eyn &#x017F;olle, Krankheiten<lb/>
zu verhu&#x0364;ten, und &#x017F;o gleich&#x017F;am &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t u&#x0364;berflu&#x0364;ßig zu ma-<lb/>
chen, &#x017F;o muß die&#x017F;es von der hier abzuhandelnden Dia&#x0364;tetik<lb/>
ganz vorzu&#x0364;glich gelten, und wird auch hier leichter als in<lb/>
der Heilkun&#x017F;t u&#x0364;berhaupt, wenig&#x017F;tens zum Theil erreicht wer-<lb/>
den ko&#x0364;nnen.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 892.</head><lb/>
              <p><hi rendition="#g">Alle Scha&#x0364;dlichkeiten al&#x017F;o, welche den Ver-<lb/>
lauf von Schwanger&#x017F;chaft, Geburt, Wochen- und<lb/>
Stitlungsperiode &#x017F;to&#x0364;ren ko&#x0364;nnen, abzuwenden,<lb/>
das die&#x017F;en Perioden angeme&#x017F;&#x017F;ene Verhalten vor-<lb/>
zu&#x017F;chreiben, und diejenige Pflege der Mutter<lb/>
und dem Kinde angedeihen zu la&#x017F;&#x017F;en, welche die<lb/>
Wichtigkeit die&#x017F;er Zu&#x017F;ta&#x0364;ndefordert, hierbei aber<lb/>
immer &#x017F;ich &#x017F;treng an das mo&#x0364;glich&#x017F;t Einfache und<lb/>
Zweckgema&#x0364;ße zu halten, und der Natur dabei<lb/>
ihre Freiheit auf alle Wei&#x017F;e zu bewahren, die-<lb/>
&#x017F;es &#x017F;ey der Zweck, welchen die Kun&#x017F;t, u&#x0364;berall wo<lb/>
nicht bereits ein krankhafter Zu&#x017F;tand vorhanden<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ich vor&#x017F;etze, und in de&#x017F;&#x017F;en Erreichung &#x017F;ie<lb/>
ihre vollkommen&#x017F;te Befriedigung finde</hi>.</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head><hi rendition="#aq">I.</hi> Dia&#x0364;tetik der Schwanger&#x017F;chaft.</head><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 893.</head><lb/>
                <p>Wenden wir die in den vorigen §§. aufge&#x017F;tellten Sa&#x0364;tze<lb/>
zuna&#x0364;ch&#x017F;t auf die Leitung und Behandlung des weiblichen<lb/>
Ko&#x0364;rpers im Zu&#x017F;tande der Schwanger&#x017F;chaft an, &#x017F;o ergiebt &#x017F;ich<lb/>
vor allen andern, daß bei einem naturgema&#x0364;ßen glu&#x0364;cklichen<lb/>
Gange die&#x017F;es Proce&#x017F;&#x017F;es, es nicht nur vo&#x0364;llig u&#x0364;berflu&#x0364;ßig, &#x017F;on-<lb/>
dern in vieler Hin&#x017F;icht &#x017F;cha&#x0364;dlich &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, wenn durch An-<lb/>
wendung von Aderla&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, Abfu&#x0364;hr- oder Brechmitteln und<lb/>
a&#x0364;hnliche Eingriffe, auf den in keiner Hin&#x017F;icht krank zu nen-<lb/>
nenden Ko&#x0364;rper gewirkt wird. Vorzu&#x0364;glich hat hier die un-<lb/>
vollkommne Ein&#x017F;icht in die Natur des Schwanger&#x017F;chaftspro-<lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[152/0176] dieſer Perioden ſelbſt nicht nothwendig werde; und wenn nicht zu laͤugnen iſt, daß der Zweck der aͤrztli- chen Kunſt uͤberhaupt dahin gerichtet ſeyn ſolle, Krankheiten zu verhuͤten, und ſo gleichſam ſich ſelbſt uͤberfluͤßig zu ma- chen, ſo muß dieſes von der hier abzuhandelnden Diaͤtetik ganz vorzuͤglich gelten, und wird auch hier leichter als in der Heilkunſt uͤberhaupt, wenigſtens zum Theil erreicht wer- den koͤnnen. §. 892. Alle Schaͤdlichkeiten alſo, welche den Ver- lauf von Schwangerſchaft, Geburt, Wochen- und Stitlungsperiode ſtoͤren koͤnnen, abzuwenden, das dieſen Perioden angemeſſene Verhalten vor- zuſchreiben, und diejenige Pflege der Mutter und dem Kinde angedeihen zu laſſen, welche die Wichtigkeit dieſer Zuſtaͤndefordert, hierbei aber immer ſich ſtreng an das moͤglichſt Einfache und Zweckgemaͤße zu halten, und der Natur dabei ihre Freiheit auf alle Weiſe zu bewahren, die- ſes ſey der Zweck, welchen die Kunſt, uͤberall wo nicht bereits ein krankhafter Zuſtand vorhanden iſt, ſich vorſetze, und in deſſen Erreichung ſie ihre vollkommenſte Befriedigung finde. I. Diaͤtetik der Schwangerſchaft. §. 893. Wenden wir die in den vorigen §§. aufgeſtellten Saͤtze zunaͤchſt auf die Leitung und Behandlung des weiblichen Koͤrpers im Zuſtande der Schwangerſchaft an, ſo ergiebt ſich vor allen andern, daß bei einem naturgemaͤßen gluͤcklichen Gange dieſes Proceſſes, es nicht nur voͤllig uͤberfluͤßig, ſon- dern in vieler Hinſicht ſchaͤdlich ſeyn muͤſſe, wenn durch An- wendung von Aderlaͤſſen, Abfuͤhr- oder Brechmitteln und aͤhnliche Eingriffe, auf den in keiner Hinſicht krank zu nen- nenden Koͤrper gewirkt wird. Vorzuͤglich hat hier die un- vollkommne Einſicht in die Natur des Schwangerſchaftspro-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/176
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 152. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/176>, abgerufen am 03.12.2024.