Das periodische Wiederkehren der Zusammen- ziehungen betreffend, so ist es eine Folge der im Allge- meinen der Reproduktion angehörigen Natur des Uterus, denn alles productive Leben erscheint seiner Natur nach periodisch und wechselnd, so wie das geistige Leben seinem Wesen nach be- harrend. Das erstere zeigt sich im Großen im periodischen Umlauf der Himmelskörper, im Wechsel der Jahreszeiten u. s. w., im Einzelnen in periodischer Thätigkeit der reproduk- tiven Gebilde, im Pulsschlag, im Athemholen, in der abwech- selnden Zusammenziehung des Darmkanals. Diesem Gesetz nun ist auch die Thätigkeit des Uterus unterworfen, nur durch abwechselnde Erschlaffungen und Zusammenziehungen seine Bewegung zu üben. Eine Erscheinung, deren Wohl- thätigkeit für das Geburtsgeschäft ganz unverkennbar ist, in- dem nur dadurch, daß zwischen den oft so schmerzhaften und anstrengenden Contraktionen, Zwischenräume völliger Ruhe und Erholung eintreten, das Ueberstehen des Geburtsgeschäfts ohne Störung der Gesundheit möglich wird.
§. 794.
Die Schmerzhaftigkeit der Wehen ferner, wird erklärlich aus dem was im I. Theil (§. 30.) über die Sen- sibilität und die Nerven des Uterus gesagt worden ist; denn wenn die Nerven vorzüglich in der Gegend des Mut- termundes sich vorfinden, und hier die Sensibilität des Or- gans vorzüglich ihren Sitz hat, so ist wohl klar, daß bei der Wehe wo eben der Muttermund überwältigt werden soll, und sich so beträchtlich ausdehnen muß, Schmerz allerdings eintreten müsse; daher denn auch nicht nur Wilde und Thiere ebenfalls immer mit einigem Schmerz gebären, sondern na- mentlich der Grad des Schmerzes auch von der Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Eröffnung des Muttermundes abhängt, und daher der derbere Muttermund einer Erstgebärenden mehr Schmerz verursacht, als der erschlaffte Muttermund einer Person, welche schon oft geboren hat, und eben so der di- ckere menschliche Uterus mehr Schmerz empfindet, als der
§. 793.
Das periodiſche Wiederkehren der Zuſammen- ziehungen betreffend, ſo iſt es eine Folge der im Allge- meinen der Reproduktion angehoͤrigen Natur des Uterus, denn alles productive Leben erſcheint ſeiner Natur nach periodiſch und wechſelnd, ſo wie das geiſtige Leben ſeinem Weſen nach be- harrend. Das erſtere zeigt ſich im Großen im periodiſchen Umlauf der Himmelskoͤrper, im Wechſel der Jahreszeiten u. ſ. w., im Einzelnen in periodiſcher Thaͤtigkeit der reproduk- tiven Gebilde, im Pulsſchlag, im Athemholen, in der abwech- ſelnden Zuſammenziehung des Darmkanals. Dieſem Geſetz nun iſt auch die Thaͤtigkeit des Uterus unterworfen, nur durch abwechſelnde Erſchlaffungen und Zuſammenziehungen ſeine Bewegung zu uͤben. Eine Erſcheinung, deren Wohl- thaͤtigkeit fuͤr das Geburtsgeſchaͤft ganz unverkennbar iſt, in- dem nur dadurch, daß zwiſchen den oft ſo ſchmerzhaften und anſtrengenden Contraktionen, Zwiſchenraͤume voͤlliger Ruhe und Erholung eintreten, das Ueberſtehen des Geburtsgeſchaͤfts ohne Stoͤrung der Geſundheit moͤglich wird.
§. 794.
Die Schmerzhaftigkeit der Wehen ferner, wird erklaͤrlich aus dem was im I. Theil (§. 30.) uͤber die Sen- ſibilitaͤt und die Nerven des Uterus geſagt worden iſt; denn wenn die Nerven vorzuͤglich in der Gegend des Mut- termundes ſich vorfinden, und hier die Senſibilitaͤt des Or- gans vorzuͤglich ihren Sitz hat, ſo iſt wohl klar, daß bei der Wehe wo eben der Muttermund uͤberwaͤltigt werden ſoll, und ſich ſo betraͤchtlich ausdehnen muß, Schmerz allerdings eintreten muͤſſe; daher denn auch nicht nur Wilde und Thiere ebenfalls immer mit einigem Schmerz gebaͤren, ſondern na- mentlich der Grad des Schmerzes auch von der Leichtigkeit oder Schwierigkeit der Eroͤffnung des Muttermundes abhaͤngt, und daher der derbere Muttermund einer Erſtgebaͤrenden mehr Schmerz verurſacht, als der erſchlaffte Muttermund einer Perſon, welche ſchon oft geboren hat, und eben ſo der di- ckere menſchliche Uterus mehr Schmerz empfindet, als der
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§. 793.
Das periodiſche Wiederkehren der Zuſammen-
ziehungen betreffend, ſo iſt es eine Folge der im Allge-
meinen der Reproduktion angehoͤrigen Natur des Uterus, denn
alles productive Leben erſcheint ſeiner Natur nach periodiſch und
wechſelnd, ſo wie das geiſtige Leben ſeinem Weſen nach be-
harrend. Das erſtere zeigt ſich im Großen im periodiſchen
Umlauf der Himmelskoͤrper, im Wechſel der Jahreszeiten u.
ſ. w., im Einzelnen in periodiſcher Thaͤtigkeit der reproduk-
tiven Gebilde, im Pulsſchlag, im Athemholen, in der abwech-
ſelnden Zuſammenziehung des Darmkanals. Dieſem Geſetz
nun iſt auch die Thaͤtigkeit des Uterus unterworfen, nur
durch abwechſelnde Erſchlaffungen und Zuſammenziehungen
ſeine Bewegung zu uͤben. Eine Erſcheinung, deren Wohl-
thaͤtigkeit fuͤr das Geburtsgeſchaͤft ganz unverkennbar iſt, in-
dem nur dadurch, daß zwiſchen den oft ſo ſchmerzhaften und
anſtrengenden Contraktionen, Zwiſchenraͤume voͤlliger Ruhe und
Erholung eintreten, das Ueberſtehen des Geburtsgeſchaͤfts ohne
Stoͤrung der Geſundheit moͤglich wird.
§. 794.
Die Schmerzhaftigkeit der Wehen ferner, wird
erklaͤrlich aus dem was im I. Theil (§. 30.) uͤber die Sen-
ſibilitaͤt und die Nerven des Uterus geſagt worden iſt;
denn wenn die Nerven vorzuͤglich in der Gegend des Mut-
termundes ſich vorfinden, und hier die Senſibilitaͤt des Or-
gans vorzuͤglich ihren Sitz hat, ſo iſt wohl klar, daß bei der
Wehe wo eben der Muttermund uͤberwaͤltigt werden ſoll,
und ſich ſo betraͤchtlich ausdehnen muß, Schmerz allerdings
eintreten muͤſſe; daher denn auch nicht nur Wilde und Thiere
ebenfalls immer mit einigem Schmerz gebaͤren, ſondern na-
mentlich der Grad des Schmerzes auch von der Leichtigkeit
oder Schwierigkeit der Eroͤffnung des Muttermundes abhaͤngt,
und daher der derbere Muttermund einer Erſtgebaͤrenden mehr
Schmerz verurſacht, als der erſchlaffte Muttermund einer
Perſon, welche ſchon oft geboren hat, und eben ſo der di-
ckere menſchliche Uterus mehr Schmerz empfindet, als der
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 2. Leipzig, 1820, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie02_1820/116>, abgerufen am 26.11.2024.
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