weiblicher Temperamente und Leidenschaften beziehen, so ist auch hier das Psychische ein wahrer Spiegel des Körperli- chen, ja vielmehr die ideale Seite des Organismus selbst. Wenn daher überhaupt im Reiche des geistigen Lebens (ganz gemäß den drei Richtungen oder Systemen im Organischen der animalen Sphäre) unterschieden werden kann zwischen Gemüth (Empfindungs-, Gefühlsvermögen), Geist (Re- flexions-, Erkenntnißvermögen) und Willen (Thatkraft, Vermögen zur freien Bestimmung), so wird sich nun bereits aus dem Vorhergegangenen abnehmen lassen, welche Seiten im Weibe hervorgehoben, welche weniger ausgebildet seyn müssen. Wenn nämlich im Weibe überhaupt Animalität, und folglich schärfere Individualität so wie Selbstständigkeit weniger vorherrscht, so wird sich dieß auch im Psychischen äu- ßern, und wir finden daher die Energie der Geisteskraft im Weibe nicht, welche dem Manne möglich ist. Das eigent- liche Feld der Wissenschaft und Spekulation, die Schärfe des Urtheils, die Tiefe der männlichen Vernunft, sind der weib- lichen Seele unzugänglich; dahingegen ist der Geist des Wei- bes feiner, schneller in der Auffassung, zur richtigen Erkennt- niß der einzelnen und näheren Verhältnisse des menschlichen Lebens mehr geeignet, und ein gewisser Scharfsinn, Neigung zur List, so wie Fertigkeit im Uebergehen aus einer Vorstel- lungsreihe in die andere, ist ihm natürlich.
§. 63.
Im Gemüth hinwiederum ist die größere Reitzbar- keit, die Weichheit, Lebendigkeit des Gefühls, die Regsam- keit der Phantasie allerdings diesem Geschlechte charakteristisch, allein eben diese zu große Beweglichkeit läßt die Tiefe des Gefühls, die schöpferische Kraft der Phantasie, welche die Seele fähig macht zur Hervorbringung großer und hoher Werke der Dichtung und bildenden Kunst, vermissen. Ueber- dieß ist hierin die vorherrschende Neigung zum Anmuthigen, Zierlichen und Kleinen begründet, da große und erhabene Ge- genstände zu gewaltsam die Seele des Weibes erschüttern, als daß ein reines Wohlgefallen hieran ihm wenigstens ganz natürlich seyn könnte. -- Vorzüglich endlich werden die Aeu-
weiblicher Temperamente und Leidenſchaften beziehen, ſo iſt auch hier das Pſychiſche ein wahrer Spiegel des Koͤrperli- chen, ja vielmehr die ideale Seite des Organismus ſelbſt. Wenn daher uͤberhaupt im Reiche des geiſtigen Lebens (ganz gemaͤß den drei Richtungen oder Syſtemen im Organiſchen der animalen Sphaͤre) unterſchieden werden kann zwiſchen Gemuͤth (Empfindungs-, Gefuͤhlsvermoͤgen), Geiſt (Re- flexions-, Erkenntnißvermoͤgen) und Willen (Thatkraft, Vermoͤgen zur freien Beſtimmung), ſo wird ſich nun bereits aus dem Vorhergegangenen abnehmen laſſen, welche Seiten im Weibe hervorgehoben, welche weniger ausgebildet ſeyn muͤſſen. Wenn naͤmlich im Weibe uͤberhaupt Animalitaͤt, und folglich ſchaͤrfere Individualitaͤt ſo wie Selbſtſtaͤndigkeit weniger vorherrſcht, ſo wird ſich dieß auch im Pſychiſchen aͤu- ßern, und wir finden daher die Energie der Geiſteskraft im Weibe nicht, welche dem Manne moͤglich iſt. Das eigent- liche Feld der Wiſſenſchaft und Spekulation, die Schaͤrfe des Urtheils, die Tiefe der maͤnnlichen Vernunft, ſind der weib- lichen Seele unzugaͤnglich; dahingegen iſt der Geiſt des Wei- bes feiner, ſchneller in der Auffaſſung, zur richtigen Erkennt- niß der einzelnen und naͤheren Verhaͤltniſſe des menſchlichen Lebens mehr geeignet, und ein gewiſſer Scharfſinn, Neigung zur Liſt, ſo wie Fertigkeit im Uebergehen aus einer Vorſtel- lungsreihe in die andere, iſt ihm natuͤrlich.
§. 63.
Im Gemuͤth hinwiederum iſt die groͤßere Reitzbar- keit, die Weichheit, Lebendigkeit des Gefuͤhls, die Regſam- keit der Phantaſie allerdings dieſem Geſchlechte charakteriſtiſch, allein eben dieſe zu große Beweglichkeit laͤßt die Tiefe des Gefuͤhls, die ſchoͤpferiſche Kraft der Phantaſie, welche die Seele faͤhig macht zur Hervorbringung großer und hoher Werke der Dichtung und bildenden Kunſt, vermiſſen. Ueber- dieß iſt hierin die vorherrſchende Neigung zum Anmuthigen, Zierlichen und Kleinen begruͤndet, da große und erhabene Ge- genſtaͤnde zu gewaltſam die Seele des Weibes erſchuͤttern, als daß ein reines Wohlgefallen hieran ihm wenigſtens ganz natuͤrlich ſeyn koͤnnte. — Vorzuͤglich endlich werden die Aeu-
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weiblicher Temperamente und Leidenſchaften beziehen, ſo iſt
auch hier das Pſychiſche ein wahrer Spiegel des Koͤrperli-
chen, ja vielmehr die ideale Seite des Organismus ſelbſt.
Wenn daher uͤberhaupt im Reiche des geiſtigen Lebens (ganz
gemaͤß den drei Richtungen oder Syſtemen im Organiſchen
der animalen Sphaͤre) unterſchieden werden kann zwiſchen
Gemuͤth (Empfindungs-, Gefuͤhlsvermoͤgen), Geiſt (Re-
flexions-, Erkenntnißvermoͤgen) und Willen (Thatkraft,
Vermoͤgen zur freien Beſtimmung), ſo wird ſich nun bereits
aus dem Vorhergegangenen abnehmen laſſen, welche Seiten
im Weibe hervorgehoben, welche weniger ausgebildet ſeyn
muͤſſen. Wenn naͤmlich im Weibe uͤberhaupt Animalitaͤt,
und folglich ſchaͤrfere Individualitaͤt ſo wie Selbſtſtaͤndigkeit
weniger vorherrſcht, ſo wird ſich dieß auch im Pſychiſchen aͤu-
ßern, und wir finden daher die Energie der Geiſteskraft im
Weibe nicht, welche dem Manne moͤglich iſt. Das eigent-
liche Feld der Wiſſenſchaft und Spekulation, die Schaͤrfe des
Urtheils, die Tiefe der maͤnnlichen Vernunft, ſind der weib-
lichen Seele unzugaͤnglich; dahingegen iſt der Geiſt des Wei-
bes feiner, ſchneller in der Auffaſſung, zur richtigen Erkennt-
niß der einzelnen und naͤheren Verhaͤltniſſe des menſchlichen
Lebens mehr geeignet, und ein gewiſſer Scharfſinn, Neigung
zur Liſt, ſo wie Fertigkeit im Uebergehen aus einer Vorſtel-
lungsreihe in die andere, iſt ihm natuͤrlich.
§. 63.
Im Gemuͤth hinwiederum iſt die groͤßere Reitzbar-
keit, die Weichheit, Lebendigkeit des Gefuͤhls, die Regſam-
keit der Phantaſie allerdings dieſem Geſchlechte charakteriſtiſch,
allein eben dieſe zu große Beweglichkeit laͤßt die Tiefe des
Gefuͤhls, die ſchoͤpferiſche Kraft der Phantaſie, welche die
Seele faͤhig macht zur Hervorbringung großer und hoher
Werke der Dichtung und bildenden Kunſt, vermiſſen. Ueber-
dieß iſt hierin die vorherrſchende Neigung zum Anmuthigen,
Zierlichen und Kleinen begruͤndet, da große und erhabene Ge-
genſtaͤnde zu gewaltſam die Seele des Weibes erſchuͤttern,
als daß ein reines Wohlgefallen hieran ihm wenigſtens ganz
natuͤrlich ſeyn koͤnnte. — Vorzuͤglich endlich werden die Aeu-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/66>, abgerufen am 22.11.2024.
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