Individualitäten der weiblichen Form uns im Voraus die wichtigern Eigenthümlichkeiten dieses Lebens andeuten können, unter welchen letztern wir übrigens die allgemeinern Momente wieder zuerst einer nähern Betrachtung unterwer- fen. -- So wie aber in der Natur überhaupt eine zwey- fache Richtung allgemeiner Thätigkeit bemerkbar ist, eine näm- lich, welche auf die Gestaltung des Einzelnen, auf Individua- lität abzweckt, und eine zweite, welche auf das Allgemeine und Gesetzmäßige sich bezieht, als Bestreben nach Einheit, nach Totalität erscheint, so wiederholt sich auch ein solcher Gegensatz von Kräften in den besondern Naturwesen auf die mannigfaltigste Weise. So nämlich sehen wir das Reich der Pflanzen und Thiere sich entgegengesetzt, wo im erstern die Existenz selbst der Hauptzweck der Lebensverrichtungen ist, und daher alle einzelnen Thätigkeiten der Pflanzen nur auf Nähren und Aussondern, Wachsen, Fortpflanzen und Ab- nehmen gerichtet sind, wenn hingegen der Zweck des thierischen Organismus mehr das Bestimmen der Existenz in Em- pfindung und Bewegung, die Willkühr ist. Eben so wieder- holt sich dieser Gegensatz in der physischen und psychischen Natur des Menschen selbst, indem die erstere auf Bildung, Erhaltung und Wechsel des Stoffes gerichtet, die zweite aber auf Einheit und Freyheit gegründet ist, und will man diese Unterscheidung endlich noch mehr auf das körperliche des Or- ganismus beziehen, so beruht auch darin der Gegensatz der vegetativen oder produktiven, und der animalen Sphäre, wo wir zur erstern die gleichsam aus der Pflanzenwelt entlehn- ten Organe der Assimilation, Cirkulation, Respiration und Secretion so wie der geschlechtlichen Reproduktion rechnen, wenn wir unter der zweiten die Gebilde der Sinneswerk- zeuge, Bewegungswerkzeuge und des Nervensystems begreifen.
§. 56.
Endlich aber wiederholt sich dieser Gegensatz auch auf das Bestimmteste in dem Verhältniße der beiden Geschlechter. Wie nämlich das Universum eben nur durch die wechselseitige Durchdringung von gesetzmäßiger Einheit und Mannigfaltig- keit, von Ewigkeit zu Ewigkeit besteht, und in einer stäten
Individualitaͤten der weiblichen Form uns im Voraus die wichtigern Eigenthuͤmlichkeiten dieſes Lebens andeuten koͤnnen, unter welchen letztern wir uͤbrigens die allgemeinern Momente wieder zuerſt einer naͤhern Betrachtung unterwer- fen. — So wie aber in der Natur uͤberhaupt eine zwey- fache Richtung allgemeiner Thaͤtigkeit bemerkbar iſt, eine naͤm- lich, welche auf die Geſtaltung des Einzelnen, auf Individua- litaͤt abzweckt, und eine zweite, welche auf das Allgemeine und Geſetzmaͤßige ſich bezieht, als Beſtreben nach Einheit, nach Totalitaͤt erſcheint, ſo wiederholt ſich auch ein ſolcher Gegenſatz von Kraͤften in den beſondern Naturweſen auf die mannigfaltigſte Weiſe. So naͤmlich ſehen wir das Reich der Pflanzen und Thiere ſich entgegengeſetzt, wo im erſtern die Exiſtenz ſelbſt der Hauptzweck der Lebensverrichtungen iſt, und daher alle einzelnen Thaͤtigkeiten der Pflanzen nur auf Naͤhren und Ausſondern, Wachſen, Fortpflanzen und Ab- nehmen gerichtet ſind, wenn hingegen der Zweck des thieriſchen Organismus mehr das Beſtimmen der Exiſtenz in Em- pfindung und Bewegung, die Willkuͤhr iſt. Eben ſo wieder- holt ſich dieſer Gegenſatz in der phyſiſchen und pſychiſchen Natur des Menſchen ſelbſt, indem die erſtere auf Bildung, Erhaltung und Wechſel des Stoffes gerichtet, die zweite aber auf Einheit und Freyheit gegruͤndet iſt, und will man dieſe Unterſcheidung endlich noch mehr auf das koͤrperliche des Or- ganismus beziehen, ſo beruht auch darin der Gegenſatz der vegetativen oder produktiven, und der animalen Sphaͤre, wo wir zur erſtern die gleichſam aus der Pflanzenwelt entlehn- ten Organe der Aſſimilation, Cirkulation, Reſpiration und Secretion ſo wie der geſchlechtlichen Reproduktion rechnen, wenn wir unter der zweiten die Gebilde der Sinneswerk- zeuge, Bewegungswerkzeuge und des Nervenſyſtems begreifen.
§. 56.
Endlich aber wiederholt ſich dieſer Gegenſatz auch auf das Beſtimmteſte in dem Verhaͤltniße der beiden Geſchlechter. Wie naͤmlich das Univerſum eben nur durch die wechſelſeitige Durchdringung von geſetzmaͤßiger Einheit und Mannigfaltig- keit, von Ewigkeit zu Ewigkeit beſteht, und in einer ſtaͤten
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[41/0061]
Individualitaͤten der weiblichen Form uns im Voraus die
wichtigern Eigenthuͤmlichkeiten dieſes Lebens andeuten koͤnnen,
unter welchen letztern wir uͤbrigens die allgemeinern
Momente wieder zuerſt einer naͤhern Betrachtung unterwer-
fen. — So wie aber in der Natur uͤberhaupt eine zwey-
fache Richtung allgemeiner Thaͤtigkeit bemerkbar iſt, eine naͤm-
lich, welche auf die Geſtaltung des Einzelnen, auf Individua-
litaͤt abzweckt, und eine zweite, welche auf das Allgemeine
und Geſetzmaͤßige ſich bezieht, als Beſtreben nach Einheit,
nach Totalitaͤt erſcheint, ſo wiederholt ſich auch ein ſolcher
Gegenſatz von Kraͤften in den beſondern Naturweſen auf die
mannigfaltigſte Weiſe. So naͤmlich ſehen wir das Reich der
Pflanzen und Thiere ſich entgegengeſetzt, wo im erſtern die
Exiſtenz ſelbſt der Hauptzweck der Lebensverrichtungen iſt,
und daher alle einzelnen Thaͤtigkeiten der Pflanzen nur auf
Naͤhren und Ausſondern, Wachſen, Fortpflanzen und Ab-
nehmen gerichtet ſind, wenn hingegen der Zweck des thieriſchen
Organismus mehr das Beſtimmen der Exiſtenz in Em-
pfindung und Bewegung, die Willkuͤhr iſt. Eben ſo wieder-
holt ſich dieſer Gegenſatz in der phyſiſchen und pſychiſchen
Natur des Menſchen ſelbſt, indem die erſtere auf Bildung,
Erhaltung und Wechſel des Stoffes gerichtet, die zweite aber
auf Einheit und Freyheit gegruͤndet iſt, und will man dieſe
Unterſcheidung endlich noch mehr auf das koͤrperliche des Or-
ganismus beziehen, ſo beruht auch darin der Gegenſatz der
vegetativen oder produktiven, und der animalen Sphaͤre, wo
wir zur erſtern die gleichſam aus der Pflanzenwelt entlehn-
ten Organe der Aſſimilation, Cirkulation, Reſpiration und
Secretion ſo wie der geſchlechtlichen Reproduktion rechnen,
wenn wir unter der zweiten die Gebilde der Sinneswerk-
zeuge, Bewegungswerkzeuge und des Nervenſyſtems begreifen.
§. 56.
Endlich aber wiederholt ſich dieſer Gegenſatz auch auf
das Beſtimmteſte in dem Verhaͤltniße der beiden Geſchlechter.
Wie naͤmlich das Univerſum eben nur durch die wechſelſeitige
Durchdringung von geſetzmaͤßiger Einheit und Mannigfaltig-
keit, von Ewigkeit zu Ewigkeit beſteht, und in einer ſtaͤten
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/61>, abgerufen am 24.11.2024.
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