hinter dem Schambogen in der Gegend der Scham- und Darmverbindung; 3) durch Fiebersymptome, Durst, verminder- ten Harnabgang, belegte Zunge, Verstopfung, Unruhe, Kopf- schmerz u. s. w.; 4) vorzüglich durch Affectionen des gesamm- ten Nervensystems. Wir haben aber oben bereits die Mey- nung aufgestellt, daß die Nymphomanie wesentlich in chroni- scher Entzündung der Eyerstöcke begründet sey, und das, was man bey acuter Entzündung dieser Organe beobachtet hat, kann als ein neuer Beleg dafür gelten; die Kranken sind nämlich hierbey melancholisch, mit Gegenständen der Sinnlich- keit fast stets beschäftigt, machen dahin abzweckende Bewe- gungen, brechen auch wohl in Delirien aus, welche sich stets um verliebte Phantasien drehen; und hierzu gesellen sich eine Menge von andern Nervenzufällen, Krämpfe u. s. w., deren Erscheinung sich wohl leicht erklärt, wenn man bedenkt, wie bedeutend die Erregungen des Nervensystems sind, welche sich mit der normal erhöhten Produktivität der Ovarien (bey der Empfängniß) verbinden.
§. 535.
Uebrigens kann die Oophoritis sich leicht mit Entzün- dungen benachbarter Organe verbinden, und namentlich mit der Metritis, mit welcher ihre Aehnlichkeit überhaupt sehr groß ist, so daß wir hier noch die namentlich von H. Clarus für beide Krankheitsformen aufgestellten diagnostischen Merk- male nicht übergehen können, welche darin bestehen, daß bey der Metritis weit heftiger das Gefäßsystem, bey der Oopho- ritis mehr das Nervensystem in Mitleidenschaft gezogen wird, auch bey ersterer sowohl das Verdauungs-als das urinausson- dernde System in höherem Grade in Anspruch genommen wird; ferner, daß der Sitz der Schmerzhaftigkeit nach der Lage der Organe verschieden ist, und daß bey der Metritis die innere Untersuchung, so wie häufig die consensuelle Af- fection der Brüste das Uebel erkennen lehrt. -- Auch mit Schwangerschaften außer der Gebärmutter hat die Oophoritis zuweilen große Aehnlichkeit, worauf wir im zweyten Theile zurückkommen werden.
hinter dem Schambogen in der Gegend der Scham- und Darmverbindung; 3) durch Fieberſymptome, Durſt, verminder- ten Harnabgang, belegte Zunge, Verſtopfung, Unruhe, Kopf- ſchmerz u. ſ. w.; 4) vorzuͤglich durch Affectionen des geſamm- ten Nervenſyſtems. Wir haben aber oben bereits die Mey- nung aufgeſtellt, daß die Nymphomanie weſentlich in chroni- ſcher Entzuͤndung der Eyerſtoͤcke begruͤndet ſey, und das, was man bey acuter Entzuͤndung dieſer Organe beobachtet hat, kann als ein neuer Beleg dafuͤr gelten; die Kranken ſind naͤmlich hierbey melancholiſch, mit Gegenſtaͤnden der Sinnlich- keit faſt ſtets beſchaͤftigt, machen dahin abzweckende Bewe- gungen, brechen auch wohl in Delirien aus, welche ſich ſtets um verliebte Phantaſien drehen; und hierzu geſellen ſich eine Menge von andern Nervenzufaͤllen, Kraͤmpfe u. ſ. w., deren Erſcheinung ſich wohl leicht erklaͤrt, wenn man bedenkt, wie bedeutend die Erregungen des Nervenſyſtems ſind, welche ſich mit der normal erhoͤhten Produktivitaͤt der Ovarien (bey der Empfaͤngniß) verbinden.
§. 535.
Uebrigens kann die Oophoritis ſich leicht mit Entzuͤn- dungen benachbarter Organe verbinden, und namentlich mit der Metritis, mit welcher ihre Aehnlichkeit uͤberhaupt ſehr groß iſt, ſo daß wir hier noch die namentlich von H. Clarus fuͤr beide Krankheitsformen aufgeſtellten diagnoſtiſchen Merk- male nicht uͤbergehen koͤnnen, welche darin beſtehen, daß bey der Metritis weit heftiger das Gefaͤßſyſtem, bey der Oopho- ritis mehr das Nervenſyſtem in Mitleidenſchaft gezogen wird, auch bey erſterer ſowohl das Verdauungs-als das urinausſon- dernde Syſtem in hoͤherem Grade in Anſpruch genommen wird; ferner, daß der Sitz der Schmerzhaftigkeit nach der Lage der Organe verſchieden iſt, und daß bey der Metritis die innere Unterſuchung, ſo wie haͤufig die conſenſuelle Af- fection der Bruͤſte das Uebel erkennen lehrt. — Auch mit Schwangerſchaften außer der Gebaͤrmutter hat die Oophoritis zuweilen große Aehnlichkeit, worauf wir im zweyten Theile zuruͤckkommen werden.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0422"n="402"/>
hinter dem Schambogen in der Gegend der Scham- und<lb/>
Darmverbindung; 3) durch Fieberſymptome, Durſt, verminder-<lb/>
ten Harnabgang, belegte Zunge, Verſtopfung, Unruhe, Kopf-<lb/>ſchmerz u. ſ. w.; 4) vorzuͤglich durch Affectionen des geſamm-<lb/>
ten Nervenſyſtems. Wir haben aber oben bereits die Mey-<lb/>
nung aufgeſtellt, daß die Nymphomanie weſentlich in chroni-<lb/>ſcher Entzuͤndung der Eyerſtoͤcke begruͤndet ſey, und das, was<lb/>
man bey acuter Entzuͤndung dieſer Organe beobachtet hat,<lb/>
kann als ein neuer Beleg dafuͤr gelten; die Kranken ſind<lb/>
naͤmlich hierbey melancholiſch, mit Gegenſtaͤnden der Sinnlich-<lb/>
keit faſt ſtets beſchaͤftigt, machen dahin abzweckende Bewe-<lb/>
gungen, brechen auch wohl in Delirien aus, welche ſich ſtets<lb/>
um verliebte Phantaſien drehen; und hierzu geſellen ſich eine<lb/>
Menge von andern Nervenzufaͤllen, Kraͤmpfe u. ſ. w., deren<lb/>
Erſcheinung ſich wohl leicht erklaͤrt, wenn man bedenkt, wie<lb/>
bedeutend die Erregungen des Nervenſyſtems ſind, welche ſich<lb/>
mit der normal erhoͤhten Produktivitaͤt der Ovarien (bey der<lb/>
Empfaͤngniß) verbinden.</p></div><lb/><divn="9"><head>§. 535.</head><lb/><p>Uebrigens kann die Oophoritis ſich leicht mit Entzuͤn-<lb/>
dungen benachbarter Organe verbinden, und namentlich mit<lb/>
der Metritis, mit welcher ihre Aehnlichkeit uͤberhaupt ſehr groß<lb/>
iſt, ſo daß wir hier noch die namentlich von H. <hirendition="#g">Clarus</hi><lb/>
fuͤr beide Krankheitsformen aufgeſtellten diagnoſtiſchen Merk-<lb/>
male nicht uͤbergehen koͤnnen, welche darin beſtehen, daß bey<lb/>
der Metritis weit heftiger das Gefaͤßſyſtem, bey der Oopho-<lb/>
ritis mehr das Nervenſyſtem in Mitleidenſchaft gezogen wird,<lb/>
auch bey erſterer ſowohl das Verdauungs-als das urinausſon-<lb/>
dernde Syſtem in hoͤherem Grade in Anſpruch genommen<lb/>
wird; ferner, daß der Sitz der Schmerzhaftigkeit nach der<lb/>
Lage der Organe verſchieden iſt, und daß bey der Metritis<lb/>
die innere Unterſuchung, ſo wie haͤufig die conſenſuelle Af-<lb/>
fection der Bruͤſte das Uebel erkennen lehrt. — Auch mit<lb/>
Schwangerſchaften außer der Gebaͤrmutter hat die Oophoritis<lb/>
zuweilen große Aehnlichkeit, worauf wir im zweyten Theile<lb/>
zuruͤckkommen werden.</p></div><lb/></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[402/0422]
hinter dem Schambogen in der Gegend der Scham- und
Darmverbindung; 3) durch Fieberſymptome, Durſt, verminder-
ten Harnabgang, belegte Zunge, Verſtopfung, Unruhe, Kopf-
ſchmerz u. ſ. w.; 4) vorzuͤglich durch Affectionen des geſamm-
ten Nervenſyſtems. Wir haben aber oben bereits die Mey-
nung aufgeſtellt, daß die Nymphomanie weſentlich in chroni-
ſcher Entzuͤndung der Eyerſtoͤcke begruͤndet ſey, und das, was
man bey acuter Entzuͤndung dieſer Organe beobachtet hat,
kann als ein neuer Beleg dafuͤr gelten; die Kranken ſind
naͤmlich hierbey melancholiſch, mit Gegenſtaͤnden der Sinnlich-
keit faſt ſtets beſchaͤftigt, machen dahin abzweckende Bewe-
gungen, brechen auch wohl in Delirien aus, welche ſich ſtets
um verliebte Phantaſien drehen; und hierzu geſellen ſich eine
Menge von andern Nervenzufaͤllen, Kraͤmpfe u. ſ. w., deren
Erſcheinung ſich wohl leicht erklaͤrt, wenn man bedenkt, wie
bedeutend die Erregungen des Nervenſyſtems ſind, welche ſich
mit der normal erhoͤhten Produktivitaͤt der Ovarien (bey der
Empfaͤngniß) verbinden.
§. 535.
Uebrigens kann die Oophoritis ſich leicht mit Entzuͤn-
dungen benachbarter Organe verbinden, und namentlich mit
der Metritis, mit welcher ihre Aehnlichkeit uͤberhaupt ſehr groß
iſt, ſo daß wir hier noch die namentlich von H. Clarus
fuͤr beide Krankheitsformen aufgeſtellten diagnoſtiſchen Merk-
male nicht uͤbergehen koͤnnen, welche darin beſtehen, daß bey
der Metritis weit heftiger das Gefaͤßſyſtem, bey der Oopho-
ritis mehr das Nervenſyſtem in Mitleidenſchaft gezogen wird,
auch bey erſterer ſowohl das Verdauungs-als das urinausſon-
dernde Syſtem in hoͤherem Grade in Anſpruch genommen
wird; ferner, daß der Sitz der Schmerzhaftigkeit nach der
Lage der Organe verſchieden iſt, und daß bey der Metritis
die innere Unterſuchung, ſo wie haͤufig die conſenſuelle Af-
fection der Bruͤſte das Uebel erkennen lehrt. — Auch mit
Schwangerſchaften außer der Gebaͤrmutter hat die Oophoritis
zuweilen große Aehnlichkeit, worauf wir im zweyten Theile
zuruͤckkommen werden.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 402. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/422>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.