und in wiefern es im Ganzen ist, besteht und lebt. -- An diese Sätze glauben wir erinnern zu müssen, insbesondre wenn man in das Wesen einer so viel Eigenthümliches darbieten- den Krankheit, wie Skirrhus und Krebs, einzudringen hofft.
§. 449.
So viel ist nun aber hierbey sicher, die Wurzel des Uebels ist krankhafte Verdichtung einer organischen Substanz. Diese Verdichtung selbst entsteht aber offenbar auf mehrfache Weise, theils durch vorausgegangene Entzün- dung und erfolgte Ausschwitzung, theils durch eine ohne wahre Entzündungszufälle eintretende krankhafte Metamorphose, durch Degeneration (s. §. 328.), theils wohl auch durch anhalten- den Druck, durch Zusammenpressung und mechanische Ver- dichtung der Substanz unmittelbar, welches der Fall zu seyn scheint, wenn durch drückende Schnürbrüste sich Krebsknoten in den Brüsten, und zwar den Kranken oft völlig unbemerkt, bis sie dieselben zufällig entdecken, bilden, wenn durch Druck von falsch gelegten oder unpassenden Mutterkränzen, oder durch Druck von in den Muttermund gedrängten Polypen nach und nach Scirrhus uteri entsteht. -- Durch eine be- deutende krankhafte Verdichtung organischer Masse muß die- selbe nothwendig dem lebendigen Stoffwechsel mit der Ge- sammtheit des Organismus entzogen werden; es wird eine solche Stelle für den übrigen Körper oft ein wahrhaft frem- der Theil. Ein solcher fremder Körper aber innerhalb der Gränzen des Organismus ist dem Wesen desselben, wo alles ineinander greifen, alles durch und in einander bestehen soll, zuwider; es wird daher die Reaction des Allgemeinen gegen dieses Besondere angeregt, es vermehrt sich der Zudrang von Säften, um diese Stelle entweder wieder aufzulösen oder durch irgend einen andern Weg auszusondern, ja zu zer- stören.
§. 450.
Ist nun die allgemeine Reproduction kräftig und nicht durch anderweitige Krankheitsspuren gestört, so gelingt wohl
und in wiefern es im Ganzen iſt, beſteht und lebt. — An dieſe Saͤtze glauben wir erinnern zu muͤſſen, insbeſondre wenn man in das Weſen einer ſo viel Eigenthuͤmliches darbieten- den Krankheit, wie Skirrhus und Krebs, einzudringen hofft.
§. 449.
So viel iſt nun aber hierbey ſicher, die Wurzel des Uebels iſt krankhafte Verdichtung einer organiſchen Subſtanz. Dieſe Verdichtung ſelbſt entſteht aber offenbar auf mehrfache Weiſe, theils durch vorausgegangene Entzuͤn- dung und erfolgte Ausſchwitzung, theils durch eine ohne wahre Entzuͤndungszufaͤlle eintretende krankhafte Metamorphoſe, durch Degeneration (ſ. §. 328.), theils wohl auch durch anhalten- den Druck, durch Zuſammenpreſſung und mechaniſche Ver- dichtung der Subſtanz unmittelbar, welches der Fall zu ſeyn ſcheint, wenn durch druͤckende Schnuͤrbruͤſte ſich Krebsknoten in den Bruͤſten, und zwar den Kranken oft voͤllig unbemerkt, bis ſie dieſelben zufaͤllig entdecken, bilden, wenn durch Druck von falſch gelegten oder unpaſſenden Mutterkraͤnzen, oder durch Druck von in den Muttermund gedraͤngten Polypen nach und nach Scirrhus uteri entſteht. — Durch eine be- deutende krankhafte Verdichtung organiſcher Maſſe muß die- ſelbe nothwendig dem lebendigen Stoffwechſel mit der Ge- ſammtheit des Organismus entzogen werden; es wird eine ſolche Stelle fuͤr den uͤbrigen Koͤrper oft ein wahrhaft frem- der Theil. Ein ſolcher fremder Koͤrper aber innerhalb der Graͤnzen des Organismus iſt dem Weſen deſſelben, wo alles ineinander greifen, alles durch und in einander beſtehen ſoll, zuwider; es wird daher die Reaction des Allgemeinen gegen dieſes Beſondere angeregt, es vermehrt ſich der Zudrang von Saͤften, um dieſe Stelle entweder wieder aufzuloͤſen oder durch irgend einen andern Weg auszuſondern, ja zu zer- ſtoͤren.
§. 450.
Iſt nun die allgemeine Reproduction kraͤftig und nicht durch anderweitige Krankheitsſpuren geſtoͤrt, ſo gelingt wohl
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><divn="10"><p><pbfacs="#f0365"n="345"/>
und in wiefern es im Ganzen iſt, beſteht und lebt. — An<lb/>
dieſe Saͤtze glauben wir erinnern zu muͤſſen, insbeſondre wenn<lb/>
man in das Weſen einer ſo viel Eigenthuͤmliches darbieten-<lb/>
den Krankheit, wie Skirrhus und Krebs, einzudringen hofft.</p></div><lb/><divn="10"><head>§. 449.</head><lb/><p>So viel iſt nun aber hierbey ſicher, die Wurzel des<lb/>
Uebels iſt <hirendition="#g">krankhafte Verdichtung einer organiſchen<lb/>
Subſtanz</hi>. Dieſe Verdichtung ſelbſt entſteht aber offenbar<lb/>
auf mehrfache Weiſe, theils durch vora<choice><sic>n</sic><corr>u</corr></choice>sgegangene Entzuͤn-<lb/>
dung und erfolgte Ausſchwitzung, theils durch eine ohne wahre<lb/>
Entzuͤndungszufaͤlle eintretende krankhafte Metamorphoſe, durch<lb/>
Degeneration (ſ. §. 328.), theils wohl auch durch anhalten-<lb/>
den Druck, durch Zuſammenpreſſung und mechaniſche Ver-<lb/>
dichtung der Subſtanz unmittelbar, welches der Fall zu ſeyn<lb/>ſcheint, wenn durch druͤckende Schnuͤrbruͤſte ſich Krebsknoten<lb/>
in den Bruͤſten, und zwar den Kranken oft voͤllig unbemerkt,<lb/>
bis ſie dieſelben zufaͤllig entdecken, bilden, wenn durch Druck<lb/>
von falſch gelegten oder unpaſſenden Mutterkraͤnzen, oder<lb/>
durch Druck von in den Muttermund gedraͤngten Polypen<lb/>
nach und nach <hirendition="#aq">Scirrhus uteri</hi> entſteht. — Durch eine be-<lb/>
deutende krankhafte Verdichtung organiſcher Maſſe muß die-<lb/>ſelbe nothwendig dem lebendigen Stoffwechſel mit der Ge-<lb/>ſammtheit des Organismus entzogen werden; es wird eine<lb/>ſolche Stelle fuͤr den uͤbrigen Koͤrper oft ein wahrhaft frem-<lb/>
der Theil. Ein ſolcher fremder Koͤrper aber innerhalb der<lb/>
Graͤnzen des Organismus iſt dem Weſen deſſelben, wo alles<lb/>
ineinander greifen, alles durch und in einander beſtehen ſoll,<lb/>
zuwider; es wird daher die Reaction des Allgemeinen gegen<lb/>
dieſes Beſondere angeregt, es vermehrt ſich der Zudrang von<lb/>
Saͤften, um dieſe Stelle entweder wieder aufzuloͤſen oder<lb/>
durch irgend einen andern Weg auszuſondern, ja zu zer-<lb/>ſtoͤren.</p></div><lb/><divn="10"><head>§. 450.</head><lb/><p>Iſt nun die allgemeine Reproduction kraͤftig und nicht<lb/>
durch anderweitige Krankheitsſpuren geſtoͤrt, ſo gelingt wohl<lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[345/0365]
und in wiefern es im Ganzen iſt, beſteht und lebt. — An
dieſe Saͤtze glauben wir erinnern zu muͤſſen, insbeſondre wenn
man in das Weſen einer ſo viel Eigenthuͤmliches darbieten-
den Krankheit, wie Skirrhus und Krebs, einzudringen hofft.
§. 449.
So viel iſt nun aber hierbey ſicher, die Wurzel des
Uebels iſt krankhafte Verdichtung einer organiſchen
Subſtanz. Dieſe Verdichtung ſelbſt entſteht aber offenbar
auf mehrfache Weiſe, theils durch vorausgegangene Entzuͤn-
dung und erfolgte Ausſchwitzung, theils durch eine ohne wahre
Entzuͤndungszufaͤlle eintretende krankhafte Metamorphoſe, durch
Degeneration (ſ. §. 328.), theils wohl auch durch anhalten-
den Druck, durch Zuſammenpreſſung und mechaniſche Ver-
dichtung der Subſtanz unmittelbar, welches der Fall zu ſeyn
ſcheint, wenn durch druͤckende Schnuͤrbruͤſte ſich Krebsknoten
in den Bruͤſten, und zwar den Kranken oft voͤllig unbemerkt,
bis ſie dieſelben zufaͤllig entdecken, bilden, wenn durch Druck
von falſch gelegten oder unpaſſenden Mutterkraͤnzen, oder
durch Druck von in den Muttermund gedraͤngten Polypen
nach und nach Scirrhus uteri entſteht. — Durch eine be-
deutende krankhafte Verdichtung organiſcher Maſſe muß die-
ſelbe nothwendig dem lebendigen Stoffwechſel mit der Ge-
ſammtheit des Organismus entzogen werden; es wird eine
ſolche Stelle fuͤr den uͤbrigen Koͤrper oft ein wahrhaft frem-
der Theil. Ein ſolcher fremder Koͤrper aber innerhalb der
Graͤnzen des Organismus iſt dem Weſen deſſelben, wo alles
ineinander greifen, alles durch und in einander beſtehen ſoll,
zuwider; es wird daher die Reaction des Allgemeinen gegen
dieſes Beſondere angeregt, es vermehrt ſich der Zudrang von
Saͤften, um dieſe Stelle entweder wieder aufzuloͤſen oder
durch irgend einen andern Weg auszuſondern, ja zu zer-
ſtoͤren.
§. 450.
Iſt nun die allgemeine Reproduction kraͤftig und nicht
durch anderweitige Krankheitsſpuren geſtoͤrt, ſo gelingt wohl
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/365>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.