Wesentlich ist demnach dieser Krankheitserscheinung im Allgemeinen: Mißverhältniß einer im Uterus Statt findenden Blutsekretion*)zu dem Stande allgemeiner Gefäßthatigkeit und der Repro- duktion überhaupt, durch welche Bestimmung denn alle Arten normaler Blutergießungen dieses Organs am sichersien ausgeschlossen werden. Die entfernten Ursachen sind nach den verschiedenen Arten der Blutung verschieden. Für den aktiven Blutfluß sowohl als für den passiven geben 1) ge- wisse abnorme Erregungen der allgemeinen Ge- fäßthätigkeit (des einen Faktors der Krankheit) die Veran- lassung. Sie werden bedingt durch: a) sehr reichliche Diät, besonders den Genuß stark nährender Getränke, z. B. starker Biere; b) sitzende Lebensweise; c) Nahrungs- oder Arzney- mittel, welche die Nerven und Gefäße des Unterleibes und namentlich der Geschlechtsorgane, heftig anregen, als geistige oder überhaupt erhitzende Getränke, Wein, Chokolade, grü- ner Thee, stark gewürzte Speisen, drastische Abführmittel, zur Unzeit angewendete Emmenagoga u. s. w.; d) psychische Reize, als heftige Leidenschaften, Zorn, Schreck, Freude u. s. w., bey welchen die Blutbewegung entweder überhaupt aus- nehmend gesteigert oder auch momentan gehemmt und An- häufung in den Venen dadurch begünstigt wird; e) sehr heiße Temperatur der Luft und ähnliche Bäder.
§. 354.
2) Für den aktiven Blutfluß insbesondre wir- ken vorzüglich außer den genannten folgende, mehr örtliche Bedingungen erregend: a) ein hoher Grad von Reizbarkeit
*) Man darf bey den Ergießungen des Uterus diesen Namen wohl sehr mit Recht brauchen, da dieselben höchst wahrscheinlich zum Theil für das Weib mit wahren Sekretionen des männlichen Körpers gleichbedeutend sind, und wir H. Dollinger (s. Meckels Arch. für Phys. Bd. II.) ganz beytreten, wenn er sagt: das Weib zeuge namentlich durch Blut, wie der Mann durch Samen.
§. 353.
Weſentlich iſt demnach dieſer Krankheitserſcheinung im Allgemeinen: Mißverhaͤltniß einer im Uterus Statt findenden Blutſekretion*)zu dem Stande allgemeiner Gefaͤßthatigkeit und der Repro- duktion uͤberhaupt, durch welche Beſtimmung denn alle Arten normaler Blutergießungen dieſes Organs am ſicherſien ausgeſchloſſen werden. Die entfernten Urſachen ſind nach den verſchiedenen Arten der Blutung verſchieden. Fuͤr den aktiven Blutfluß ſowohl als fuͤr den paſſiven geben 1) ge- wiſſe abnorme Erregungen der allgemeinen Ge- faͤßthaͤtigkeit (des einen Faktors der Krankheit) die Veran- laſſung. Sie werden bedingt durch: a) ſehr reichliche Diaͤt, beſonders den Genuß ſtark naͤhrender Getraͤnke, z. B. ſtarker Biere; b) ſitzende Lebensweiſe; c) Nahrungs- oder Arzney- mittel, welche die Nerven und Gefaͤße des Unterleibes und namentlich der Geſchlechtsorgane, heftig anregen, als geiſtige oder uͤberhaupt erhitzende Getraͤnke, Wein, Chokolade, gruͤ- ner Thee, ſtark gewuͤrzte Speiſen, draſtiſche Abfuͤhrmittel, zur Unzeit angewendete Emmenagoga u. ſ. w.; d) pſychiſche Reize, als heftige Leidenſchaften, Zorn, Schreck, Freude u. ſ. w., bey welchen die Blutbewegung entweder uͤberhaupt aus- nehmend geſteigert oder auch momentan gehemmt und An- haͤufung in den Venen dadurch beguͤnſtigt wird; e) ſehr heiße Temperatur der Luft und aͤhnliche Baͤder.
§. 354.
2) Fuͤr den aktiven Blutfluß insbeſondre wir- ken vorzuͤglich außer den genannten folgende, mehr oͤrtliche Bedingungen erregend: a) ein hoher Grad von Reizbarkeit
*) Man darf bey den Ergießungen des Uterus dieſen Namen wohl ſehr mit Recht brauchen, da dieſelben hoͤchſt wahrſcheinlich zum Theil fuͤr das Weib mit wahren Sekretionen des maͤnnlichen Koͤrpers gleichbedeutend ſind, und wir H. Dollinger (ſ. Meckels Arch. fuͤr Phyſ. Bd. II.) ganz beytreten, wenn er ſagt: das Weib zeuge namentlich durch Blut, wie der Mann durch Samen.
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§. 353.
Weſentlich iſt demnach dieſer Krankheitserſcheinung
im Allgemeinen: Mißverhaͤltniß einer im Uterus
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allgemeiner Gefaͤßthatigkeit und der Repro-
duktion uͤberhaupt, durch welche Beſtimmung denn alle
Arten normaler Blutergießungen dieſes Organs am ſicherſien
ausgeſchloſſen werden. Die entfernten Urſachen ſind
nach den verſchiedenen Arten der Blutung verſchieden. Fuͤr
den aktiven Blutfluß ſowohl als fuͤr den paſſiven geben 1) ge-
wiſſe abnorme Erregungen der allgemeinen Ge-
faͤßthaͤtigkeit (des einen Faktors der Krankheit) die Veran-
laſſung. Sie werden bedingt durch: a) ſehr reichliche Diaͤt,
beſonders den Genuß ſtark naͤhrender Getraͤnke, z. B. ſtarker
Biere; b) ſitzende Lebensweiſe; c) Nahrungs- oder Arzney-
mittel, welche die Nerven und Gefaͤße des Unterleibes und
namentlich der Geſchlechtsorgane, heftig anregen, als geiſtige
oder uͤberhaupt erhitzende Getraͤnke, Wein, Chokolade, gruͤ-
ner Thee, ſtark gewuͤrzte Speiſen, draſtiſche Abfuͤhrmittel,
zur Unzeit angewendete Emmenagoga u. ſ. w.; d) pſychiſche
Reize, als heftige Leidenſchaften, Zorn, Schreck, Freude u.
ſ. w., bey welchen die Blutbewegung entweder uͤberhaupt aus-
nehmend geſteigert oder auch momentan gehemmt und An-
haͤufung in den Venen dadurch beguͤnſtigt wird; e) ſehr
heiße Temperatur der Luft und aͤhnliche Baͤder.
§. 354.
2) Fuͤr den aktiven Blutfluß insbeſondre wir-
ken vorzuͤglich außer den genannten folgende, mehr oͤrtliche
Bedingungen erregend: a) ein hoher Grad von Reizbarkeit
*) Man darf bey den Ergießungen des Uterus dieſen Namen wohl
ſehr mit Recht brauchen, da dieſelben hoͤchſt wahrſcheinlich zum Theil
fuͤr das Weib mit wahren Sekretionen des maͤnnlichen Koͤrpers
gleichbedeutend ſind, und wir H. Dollinger (ſ. Meckels Arch.
fuͤr Phyſ. Bd. II.) ganz beytreten, wenn er ſagt: das Weib zeuge
namentlich durch Blut, wie der Mann durch Samen.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 275. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/295>, abgerufen am 16.02.2025.
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