Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.Melancholie oder selbst soporöser Zustand. Gewöhnlich pflegt §. 279. Ueber das eigentliche Wesentliche dieser traurigen *) Ueber Literatur und die verschiedenen Ansichten von dieser Krank-
heit darf folgende kleine Schrift empfohlen werden: F. A. Peschek Diss. in. de furore uterino. Lips. 1810. -- Nur daß der Verfasser den eigentlichen Sitz der Krankheit in die äußern Genitalien ver- legt, ist wohl eben so wenig zu billigen, als wenn man den Sitz des Hungers in die Mundhöhle verlegen wollte. Melancholie oder ſelbſt ſoporoͤſer Zuſtand. Gewoͤhnlich pflegt §. 279. Ueber das eigentliche Weſentliche dieſer traurigen *) Ueber Literatur und die verſchiedenen Anſichten von dieſer Krank-
heit darf folgende kleine Schrift empfohlen werden: F. A. Peschek Diss. in. de furore uterino. Lips. 1810. — Nur daß der Verfaſſer den eigentlichen Sitz der Krankheit in die aͤußern Genitalien ver- legt, iſt wohl eben ſo wenig zu billigen, als wenn man den Sitz des Hungers in die Mundhoͤhle verlegen wollte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <p><pb facs="#f0238" n="218"/> Melancholie oder ſelbſt ſoporoͤſer Zuſtand. Gewoͤhnlich pflegt<lb/> uͤbrigens der dritte Grad, wenn er nicht bald gehoben wird,<lb/> den Tod zu beſchleunigen, indem dabey die Reproduktion<lb/> immer mehr ſinkt, Bloͤdſinn, Auszehrung, Waſſerſucht oder<lb/> Apoplexie eintritt und das hier gewiß wuͤnſchenswerthe Ende<lb/> herbeyfuͤhrt; auch Selbſtmord iſt hier nicht ungewoͤhnlich.</p> </div><lb/> <div n="8"> <head>§. 279.</head><lb/> <p>Ueber das eigentliche <hi rendition="#g">Weſentliche</hi> dieſer traurigen<lb/> Krankheit (die ſogenannte naͤchſte Urſache) haben bisherige<lb/> Unterſuchungen noch zu wenig Aufſchluß gegeben. Die aͤltern<lb/> Aerzte ſuchten ſie in der Schaͤrfe und Gaͤhrung des weibli-<lb/> chen Samens, die Neuern gewoͤhnlich in uͤbermaͤßigem Ge-<lb/> ſchlechtstriebe, mit Wahnſinn oder Melancholie verbunden <note place="foot" n="*)">Ueber Literatur und die verſchiedenen Anſichten von dieſer Krank-<lb/> heit darf folgende kleine Schrift empfohlen werden: <hi rendition="#aq">F. A. Peschek<lb/> Diss. in. de furore uterino. Lips.</hi> 1810. — Nur daß der Verfaſſer<lb/> den eigentlichen Sitz der Krankheit in die <hi rendition="#g">aͤußern</hi> Genitalien ver-<lb/> legt, iſt wohl eben ſo wenig zu billigen, als wenn man den Sitz<lb/> des Hungers in die Mundhoͤhle verlegen wollte.</note>.<lb/> Betrachtet man indeß theils die disponirenden, theils die Ge-<lb/> legenheitsurſachen der Nymphomanie, theils was die Erwaͤ-<lb/> gung der verſchiedenen Ausgaͤnge der Krankheit zeigt, theils<lb/> endlich was die Phyſiologie uͤber den Sitz der Geſchlechtsluſt<lb/> im weiblichen Koͤrper lehrt, ſo wird es mehr als wahrſchein-<lb/> lich, daß namentlich <hi rendition="#g">chroniſche Entzuͤndungen der<lb/> Ovarien</hi> die Urſache aller jener Erſcheinungen darſtellen,<lb/> welche den Begriff der Nymphomanie geben. — Nicht zu<lb/> laͤugnen naͤmlich iſt es, daß die Ovarien eben ſo der erſte Grund<lb/> der weiblichen Zeugungsfaͤhigkeit, und ſomit auch des Zeu-<lb/> gungstriebes ſind als die Hoden der maͤnnlichen. Viele der<lb/> niedern weiblichen Thiere entbehren daher alle Geſchlechtsor-<lb/> gane, nur die Ovarien nicht, ja daß ſelbſt im Menſchen<lb/> die Ovarien allein der Erzeugung und Ausbildung eines neuen<lb/> Individuums faͤhig ſind, beweiſen die ſpaͤter zu betrachtenden<lb/> Eyerſtocksſchwangerſchaften. — Nun ſehen wir aber aller-<lb/> dings, wie ſich dieſes in der ausfuͤhrlichen Geſchichte der<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [218/0238]
Melancholie oder ſelbſt ſoporoͤſer Zuſtand. Gewoͤhnlich pflegt
uͤbrigens der dritte Grad, wenn er nicht bald gehoben wird,
den Tod zu beſchleunigen, indem dabey die Reproduktion
immer mehr ſinkt, Bloͤdſinn, Auszehrung, Waſſerſucht oder
Apoplexie eintritt und das hier gewiß wuͤnſchenswerthe Ende
herbeyfuͤhrt; auch Selbſtmord iſt hier nicht ungewoͤhnlich.
§. 279.
Ueber das eigentliche Weſentliche dieſer traurigen
Krankheit (die ſogenannte naͤchſte Urſache) haben bisherige
Unterſuchungen noch zu wenig Aufſchluß gegeben. Die aͤltern
Aerzte ſuchten ſie in der Schaͤrfe und Gaͤhrung des weibli-
chen Samens, die Neuern gewoͤhnlich in uͤbermaͤßigem Ge-
ſchlechtstriebe, mit Wahnſinn oder Melancholie verbunden *).
Betrachtet man indeß theils die disponirenden, theils die Ge-
legenheitsurſachen der Nymphomanie, theils was die Erwaͤ-
gung der verſchiedenen Ausgaͤnge der Krankheit zeigt, theils
endlich was die Phyſiologie uͤber den Sitz der Geſchlechtsluſt
im weiblichen Koͤrper lehrt, ſo wird es mehr als wahrſchein-
lich, daß namentlich chroniſche Entzuͤndungen der
Ovarien die Urſache aller jener Erſcheinungen darſtellen,
welche den Begriff der Nymphomanie geben. — Nicht zu
laͤugnen naͤmlich iſt es, daß die Ovarien eben ſo der erſte Grund
der weiblichen Zeugungsfaͤhigkeit, und ſomit auch des Zeu-
gungstriebes ſind als die Hoden der maͤnnlichen. Viele der
niedern weiblichen Thiere entbehren daher alle Geſchlechtsor-
gane, nur die Ovarien nicht, ja daß ſelbſt im Menſchen
die Ovarien allein der Erzeugung und Ausbildung eines neuen
Individuums faͤhig ſind, beweiſen die ſpaͤter zu betrachtenden
Eyerſtocksſchwangerſchaften. — Nun ſehen wir aber aller-
dings, wie ſich dieſes in der ausfuͤhrlichen Geſchichte der
*) Ueber Literatur und die verſchiedenen Anſichten von dieſer Krank-
heit darf folgende kleine Schrift empfohlen werden: F. A. Peschek
Diss. in. de furore uterino. Lips. 1810. — Nur daß der Verfaſſer
den eigentlichen Sitz der Krankheit in die aͤußern Genitalien ver-
legt, iſt wohl eben ſo wenig zu billigen, als wenn man den Sitz
des Hungers in die Mundhoͤhle verlegen wollte.
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