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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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ben, und wir fügen daher schlüßlich nur noch zwey Bemer-
kungen bey: erstens, daß man nicht übersehen dürfe, wie
manche jener Zustände, welche in der Entwicklungsperiode
des weiblichen Geschlechts von Zeit zu Zeit beobachtet wor-
den sind, überhaupt gar keiner ärztlichen Behandlung unter-
worfen seyn können. -- Wer möchte die edle Begeisterung
einer Johanna von Orleans krankhaft nennen? wer die Ei-
geuthümlichkeit der rabdomantischen Sensibilität, welche in
das innerste Leben des Organismus verflochten seyn kann,
durch Arzneymittel heben wollen? -- Zweytens, daß viele
dieser Entwicklungszustände, durch das Fortschreiten des Le-
bens selbst gehoben werden, zu rasches ärztliches Einwirken
folglich, in wiefern es einen nothwendigen organischen Prozeß
stört, leicht zum Nachtheil der Kranken gerathen könne, und
daß daher, bevor überhaupt die ärztliche, oft allerdings
auch sehr nothwendige Behandlung Statt finden kann, die
genaueste Erforschung der Individualität des Falles besonders
wichtig, und stets die einfachere, die Natur mehr leitende
als zwingende Behandlung die angemessenste seyn werde.



§. 276.

Wir wenden uns jetzt zu einigen andern Krankheits-
erscheinungen, welche nun ganz besonders der Periode aus-
gebildeter Weiblichkeit angehören und entweder in dem mit
krankhafter Heftigkeit herrschenden Geschlechtstriebe, oder in
dem völlig gehemmten Fortpflanzungsvermögen, oder endlich
in dem verstimmten Verhältniß zwischen Sensibilität und
Reproduktion begründet sind, und in den Formen der
Nymphomanie, Unfruchtbarkeit und Hysterie er-
scheinen.

3) Mutterwuth, Manntollheit (Nymphomania,
Andromania, Furor uterinus).
§. 277.

Eine traurige, der auf Sitte und Schamhaftigkeit
gegründeten weiblichen Natur Hohn sprechende, und eben

ben, und wir fuͤgen daher ſchluͤßlich nur noch zwey Bemer-
kungen bey: erſtens, daß man nicht uͤberſehen duͤrfe, wie
manche jener Zuſtaͤnde, welche in der Entwicklungsperiode
des weiblichen Geſchlechts von Zeit zu Zeit beobachtet wor-
den ſind, uͤberhaupt gar keiner aͤrztlichen Behandlung unter-
worfen ſeyn koͤnnen. — Wer moͤchte die edle Begeiſterung
einer Johanna von Orleans krankhaft nennen? wer die Ei-
geuthuͤmlichkeit der rabdomantiſchen Senſibilitaͤt, welche in
das innerſte Leben des Organismus verflochten ſeyn kann,
durch Arzneymittel heben wollen? — Zweytens, daß viele
dieſer Entwicklungszuſtaͤnde, durch das Fortſchreiten des Le-
bens ſelbſt gehoben werden, zu raſches aͤrztliches Einwirken
folglich, in wiefern es einen nothwendigen organiſchen Prozeß
ſtoͤrt, leicht zum Nachtheil der Kranken gerathen koͤnne, und
daß daher, bevor uͤberhaupt die aͤrztliche, oft allerdings
auch ſehr nothwendige Behandlung Statt finden kann, die
genaueſte Erforſchung der Individualitaͤt des Falles beſonders
wichtig, und ſtets die einfachere, die Natur mehr leitende
als zwingende Behandlung die angemeſſenſte ſeyn werde.



§. 276.

Wir wenden uns jetzt zu einigen andern Krankheits-
erſcheinungen, welche nun ganz beſonders der Periode aus-
gebildeter Weiblichkeit angehoͤren und entweder in dem mit
krankhafter Heftigkeit herrſchenden Geſchlechtstriebe, oder in
dem voͤllig gehemmten Fortpflanzungsvermoͤgen, oder endlich
in dem verſtimmten Verhaͤltniß zwiſchen Senſibilitaͤt und
Reproduktion begruͤndet ſind, und in den Formen der
Nymphomanie, Unfruchtbarkeit und Hyſterie er-
ſcheinen.

3) Mutterwuth, Manntollheit (Nymphomania,
Andromania, Furor uterinus).
§. 277.

Eine traurige, der auf Sitte und Schamhaftigkeit
gegruͤndeten weiblichen Natur Hohn ſprechende, und eben

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[216/0236] ben, und wir fuͤgen daher ſchluͤßlich nur noch zwey Bemer- kungen bey: erſtens, daß man nicht uͤberſehen duͤrfe, wie manche jener Zuſtaͤnde, welche in der Entwicklungsperiode des weiblichen Geſchlechts von Zeit zu Zeit beobachtet wor- den ſind, uͤberhaupt gar keiner aͤrztlichen Behandlung unter- worfen ſeyn koͤnnen. — Wer moͤchte die edle Begeiſterung einer Johanna von Orleans krankhaft nennen? wer die Ei- geuthuͤmlichkeit der rabdomantiſchen Senſibilitaͤt, welche in das innerſte Leben des Organismus verflochten ſeyn kann, durch Arzneymittel heben wollen? — Zweytens, daß viele dieſer Entwicklungszuſtaͤnde, durch das Fortſchreiten des Le- bens ſelbſt gehoben werden, zu raſches aͤrztliches Einwirken folglich, in wiefern es einen nothwendigen organiſchen Prozeß ſtoͤrt, leicht zum Nachtheil der Kranken gerathen koͤnne, und daß daher, bevor uͤberhaupt die aͤrztliche, oft allerdings auch ſehr nothwendige Behandlung Statt finden kann, die genaueſte Erforſchung der Individualitaͤt des Falles beſonders wichtig, und ſtets die einfachere, die Natur mehr leitende als zwingende Behandlung die angemeſſenſte ſeyn werde. §. 276. Wir wenden uns jetzt zu einigen andern Krankheits- erſcheinungen, welche nun ganz beſonders der Periode aus- gebildeter Weiblichkeit angehoͤren und entweder in dem mit krankhafter Heftigkeit herrſchenden Geſchlechtstriebe, oder in dem voͤllig gehemmten Fortpflanzungsvermoͤgen, oder endlich in dem verſtimmten Verhaͤltniß zwiſchen Senſibilitaͤt und Reproduktion begruͤndet ſind, und in den Formen der Nymphomanie, Unfruchtbarkeit und Hyſterie er- ſcheinen. 3) Mutterwuth, Manntollheit (Nymphomania, Andromania, Furor uterinus). §. 277. Eine traurige, der auf Sitte und Schamhaftigkeit gegruͤndeten weiblichen Natur Hohn ſprechende, und eben

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 216. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/236>, abgerufen am 22.11.2024.