Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

wärme entsprechenden Temperatur innerlich, und der große
Nutzen, welchen Theeaufgüße und Lavements (eigentlich nichts
als warme Bäder für Magen und Darmkanal) bey ähnlichen
Leiden gewähren, ist keinem Arzte unbekannt.

§. 266.

Zunächst an die allgemein indifferenzirende Wirkung des
Wassers schließt sich die nun schon mehr individuelle vieler
Produkte des Pflanzenreichs, welche, in wiefern sie auch im
thierischen Organismus die vegetative Seite (das ruhige in
sich gekehrte Bildungsleben der Pflanze) hervorrufen, die
übermäßigen Erregungen des animalen Lebens herabstimmen. --
Wir zählen hierher zunächst die milden Oehle, entweder rein
als solche innerlich oder äußerlich angewendet, oder in der Ver-
bindung mit Schleim und Wasser als Emulsionen; ferner den
Pflanzenschleim und Zucker, dann aber die betäubenden Mittle,
welche, obwohl oft anfänglich eine lebhafte Reaktion gegen
ihre Einwirkung bemerkt wird, doch in zureichender Quantität
bald den Organismus dem Pflanzenleben näher bringen, d. i.
beruhigen, einschläfern. Hierher gehört denn das Opium
vorzüglich, dessen vorsichtiger *) (insbesondre die Abwe-
senheit von Congestionen nach den Hirngefäßen, so wie von
Neigung zu Obstruktionen fordernder) Gebrauch, bey nervösem
Gliederschmerz und gesteigerter Empfindlichkeit einzelner Sin-
nesorgane oft großen Nutzen gewährt. Aehnlich ist ihm der
Crocus, das Extractum Hyoscyami **) und das bey
Brustkrämpfen vorzüglich wirksame Extractum Lactucae vi-
rosae
***). Weniger scheinen für diese Krankheiten zu pas-
sen: Aconitum, Stramonium, Cicuta und Fol. Lauro-

*) Zuweilen vertragen Mädchen, an verstimmter Sensibilität leidend,
diese Narcotica gar nicht. Ich sah einst schon nach 1/4 Gr. die aller-
heftigsten Krämpfe entstehen.
**) Diese Mittel sind es auch besonders, welche in mehrern dieser
Krankheiten in Rauchform mehr als geschieht, angewendet zu
werden verdienen. S. Hufeland, üb. d. Anwendung d. Heilmittel
als Rauch in dessen Journal f. d. pr. Heilk. 1809. 5s St.
***) S. darüber Schlesinger in Hufelands Journal f. d. pr. Heilk.
XXI. Bd. 1s St.

waͤrme entſprechenden Temperatur innerlich, und der große
Nutzen, welchen Theeaufguͤße und Lavements (eigentlich nichts
als warme Baͤder fuͤr Magen und Darmkanal) bey aͤhnlichen
Leiden gewaͤhren, iſt keinem Arzte unbekannt.

§. 266.

Zunaͤchſt an die allgemein indifferenzirende Wirkung des
Waſſers ſchließt ſich die nun ſchon mehr individuelle vieler
Produkte des Pflanzenreichs, welche, in wiefern ſie auch im
thieriſchen Organismus die vegetative Seite (das ruhige in
ſich gekehrte Bildungsleben der Pflanze) hervorrufen, die
uͤbermaͤßigen Erregungen des animalen Lebens herabſtimmen. —
Wir zaͤhlen hierher zunaͤchſt die milden Oehle, entweder rein
als ſolche innerlich oder aͤußerlich angewendet, oder in der Ver-
bindung mit Schleim und Waſſer als Emulſionen; ferner den
Pflanzenſchleim und Zucker, dann aber die betaͤubenden Mittle,
welche, obwohl oft anfaͤnglich eine lebhafte Reaktion gegen
ihre Einwirkung bemerkt wird, doch in zureichender Quantitaͤt
bald den Organismus dem Pflanzenleben naͤher bringen, d. i.
beruhigen, einſchlaͤfern. Hierher gehoͤrt denn das Opium
vorzuͤglich, deſſen vorſichtiger *) (insbeſondre die Abwe-
ſenheit von Congeſtionen nach den Hirngefaͤßen, ſo wie von
Neigung zu Obſtruktionen fordernder) Gebrauch, bey nervoͤſem
Gliederſchmerz und geſteigerter Empfindlichkeit einzelner Sin-
nesorgane oft großen Nutzen gewaͤhrt. Aehnlich iſt ihm der
Crocus, das Extractum Hyoscyami **) und das bey
Bruſtkraͤmpfen vorzuͤglich wirkſame Extractum Lactucae vi-
rosae
***). Weniger ſcheinen fuͤr dieſe Krankheiten zu paſ-
ſen: Aconitum, Stramonium, Cicuta und Fol. Lauro-

*) Zuweilen vertragen Maͤdchen, an verſtimmter Senſibilitaͤt leidend,
dieſe Narcotica gar nicht. Ich ſah einſt ſchon nach ¼ Gr. die aller-
heftigſten Kraͤmpfe entſtehen.
**) Dieſe Mittel ſind es auch beſonders, welche in mehrern dieſer
Krankheiten in Rauchform mehr als geſchieht, angewendet zu
werden verdienen. S. Hufeland, uͤb. d. Anwendung d. Heilmittel
als Rauch in deſſen Journal f. d. pr. Heilk. 1809. 5s St.
***) S. daruͤber Schleſinger in Hufelands Journal f. d. pr. Heilk.
XXI. Bd. 1s St.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0225" n="205"/>
wa&#x0364;rme ent&#x017F;prechenden Temperatur innerlich, und der große<lb/>
Nutzen, welchen Theeaufgu&#x0364;ße und Lavements (eigentlich nichts<lb/>
als warme Ba&#x0364;der fu&#x0364;r Magen und Darmkanal) bey a&#x0364;hnlichen<lb/>
Leiden gewa&#x0364;hren, i&#x017F;t keinem Arzte unbekannt.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 266.</head><lb/>
                        <p>Zuna&#x0364;ch&#x017F;t an die allgemein indifferenzirende Wirkung des<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;ers &#x017F;chließt &#x017F;ich die nun &#x017F;chon mehr individuelle vieler<lb/>
Produkte des Pflanzenreichs, welche, in wiefern &#x017F;ie auch im<lb/>
thieri&#x017F;chen Organismus die vegetative Seite (das ruhige in<lb/>
&#x017F;ich gekehrte Bildungsleben der Pflanze) hervorrufen, die<lb/>
u&#x0364;berma&#x0364;ßigen Erregungen des animalen Lebens herab&#x017F;timmen. &#x2014;<lb/>
Wir za&#x0364;hlen hierher zuna&#x0364;ch&#x017F;t die milden Oehle, entweder rein<lb/>
als &#x017F;olche innerlich oder a&#x0364;ußerlich angewendet, oder in der Ver-<lb/>
bindung mit Schleim und Wa&#x017F;&#x017F;er als Emul&#x017F;ionen; ferner den<lb/>
Pflanzen&#x017F;chleim und Zucker, dann aber die beta&#x0364;ubenden Mittle,<lb/>
welche, obwohl oft anfa&#x0364;nglich eine lebhafte Reaktion gegen<lb/>
ihre Einwirkung bemerkt wird, doch in zureichender Quantita&#x0364;t<lb/>
bald den Organismus dem Pflanzenleben na&#x0364;her bringen, d. i.<lb/>
beruhigen, <hi rendition="#g">ein&#x017F;chla&#x0364;fern</hi>. Hierher geho&#x0364;rt denn das Opium<lb/>
vorzu&#x0364;glich, de&#x017F;&#x017F;en <hi rendition="#g">vor&#x017F;ichtiger</hi> <note place="foot" n="*)">Zuweilen vertragen Ma&#x0364;dchen, an ver&#x017F;timmter Sen&#x017F;ibilita&#x0364;t leidend,<lb/>
die&#x017F;e <hi rendition="#aq">Narcotica</hi> gar nicht. Ich &#x017F;ah ein&#x017F;t &#x017F;chon nach ¼ Gr. die aller-<lb/>
heftig&#x017F;ten Kra&#x0364;mpfe ent&#x017F;tehen.</note> (insbe&#x017F;ondre die Abwe-<lb/>
&#x017F;enheit von Conge&#x017F;tionen nach den Hirngefa&#x0364;ßen, &#x017F;o wie von<lb/>
Neigung zu Ob&#x017F;truktionen fordernder) Gebrauch, bey nervo&#x0364;&#x017F;em<lb/>
Glieder&#x017F;chmerz und ge&#x017F;teigerter Empfindlichkeit einzelner Sin-<lb/>
nesorgane oft großen Nutzen gewa&#x0364;hrt. Aehnlich i&#x017F;t ihm der<lb/><hi rendition="#aq">Crocus,</hi> das <hi rendition="#aq">Extractum Hyoscyami</hi> <note place="foot" n="**)">Die&#x017F;e Mittel &#x017F;ind es auch be&#x017F;onders, welche in mehrern die&#x017F;er<lb/>
Krankheiten in <hi rendition="#g">Rauchform</hi> mehr als ge&#x017F;chieht, angewendet zu<lb/>
werden verdienen. S. <hi rendition="#g">Hufeland</hi>, u&#x0364;b. d. Anwendung d. Heilmittel<lb/>
als Rauch in de&#x017F;&#x017F;en Journal f. d. pr. Heilk. 1809. 5s St.</note> und das bey<lb/>
Bru&#x017F;tkra&#x0364;mpfen vorzu&#x0364;glich wirk&#x017F;ame <hi rendition="#aq">Extractum Lactucae vi-<lb/>
rosae</hi> <note place="foot" n="***)">S. daru&#x0364;ber <hi rendition="#g">Schle&#x017F;inger</hi> in Hufelands Journal f. d. pr. Heilk.<lb/><hi rendition="#aq">XXI.</hi> Bd. 1s St.</note>. Weniger &#x017F;cheinen fu&#x0364;r die&#x017F;e Krankheiten zu pa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en: <hi rendition="#aq">Aconitum, Stramonium, Cicuta</hi> und <hi rendition="#aq">Fol. Lauro-<lb/></hi></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[205/0225] waͤrme entſprechenden Temperatur innerlich, und der große Nutzen, welchen Theeaufguͤße und Lavements (eigentlich nichts als warme Baͤder fuͤr Magen und Darmkanal) bey aͤhnlichen Leiden gewaͤhren, iſt keinem Arzte unbekannt. §. 266. Zunaͤchſt an die allgemein indifferenzirende Wirkung des Waſſers ſchließt ſich die nun ſchon mehr individuelle vieler Produkte des Pflanzenreichs, welche, in wiefern ſie auch im thieriſchen Organismus die vegetative Seite (das ruhige in ſich gekehrte Bildungsleben der Pflanze) hervorrufen, die uͤbermaͤßigen Erregungen des animalen Lebens herabſtimmen. — Wir zaͤhlen hierher zunaͤchſt die milden Oehle, entweder rein als ſolche innerlich oder aͤußerlich angewendet, oder in der Ver- bindung mit Schleim und Waſſer als Emulſionen; ferner den Pflanzenſchleim und Zucker, dann aber die betaͤubenden Mittle, welche, obwohl oft anfaͤnglich eine lebhafte Reaktion gegen ihre Einwirkung bemerkt wird, doch in zureichender Quantitaͤt bald den Organismus dem Pflanzenleben naͤher bringen, d. i. beruhigen, einſchlaͤfern. Hierher gehoͤrt denn das Opium vorzuͤglich, deſſen vorſichtiger *) (insbeſondre die Abwe- ſenheit von Congeſtionen nach den Hirngefaͤßen, ſo wie von Neigung zu Obſtruktionen fordernder) Gebrauch, bey nervoͤſem Gliederſchmerz und geſteigerter Empfindlichkeit einzelner Sin- nesorgane oft großen Nutzen gewaͤhrt. Aehnlich iſt ihm der Crocus, das Extractum Hyoscyami **) und das bey Bruſtkraͤmpfen vorzuͤglich wirkſame Extractum Lactucae vi- rosae ***). Weniger ſcheinen fuͤr dieſe Krankheiten zu paſ- ſen: Aconitum, Stramonium, Cicuta und Fol. Lauro- *) Zuweilen vertragen Maͤdchen, an verſtimmter Senſibilitaͤt leidend, dieſe Narcotica gar nicht. Ich ſah einſt ſchon nach ¼ Gr. die aller- heftigſten Kraͤmpfe entſtehen. **) Dieſe Mittel ſind es auch beſonders, welche in mehrern dieſer Krankheiten in Rauchform mehr als geſchieht, angewendet zu werden verdienen. S. Hufeland, uͤb. d. Anwendung d. Heilmittel als Rauch in deſſen Journal f. d. pr. Heilk. 1809. 5s St. ***) S. daruͤber Schleſinger in Hufelands Journal f. d. pr. Heilk. XXI. Bd. 1s St.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/225
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/225>, abgerufen am 23.11.2024.