Endlich kommen wir zu den sonderbarsten und seltensten Erscheinungen der aufgeregten Sensibilität, wo die Schranken des Raumes und der Zeit fast aufgehoben scheinen, und wo- hin zuerst das Schauen oder Fühlen von Gegenständen ge- hört, welche nach der gewöhnlichen Weise sinnlicher Wahr- nehmung nicht zu erkennen waren. Auch dieses ist selten als einzeln vorkommende Erscheinung, sondern gewöhnlich als Symptom des Somnambulismus beobachtet worden; jedoch würde das Beyspiel der Mad. Pedegache in Spanien, welche das Vermögen besessen haben soll, in das Innere der Körper zu schauen, hierher gerechnet werden müssen, dafern sichere und glaubwürdigere Nachrichten darüber vorhanden wären *). Ein merkwürdiges, von erfahrenen Zeugen beglau- bigtes und durch Versuche erprobtes Beyspiel einer hohen rabdomantischen Sensibilität bey einem ohngefähr 20 Jahr alten, sich sonst dem Aeußern nach wohl befindenden Frauen- zimmer, von blaßer Farbe, schlankem Wuchs und lebhaftem Gemüth, ist dagegen das vom Bergmeister F. Glinsberg in Arau bekannt gemachte **), wo eine Richtung von Stein- kohlenlagern durch dieselbe angegeben wurde, welche dem Bergmeister unerwartet und unbekannt, demohnerachtet durch die Nachgrabung bestätigt worden war. Die Empfindungen, durch welche sie das Verhältniß der Fossilien entdeckt, sind Engbrüstigkeit, Zuckungen, Schweiß, bey Steinkohlen schwe- felartiger Geruch u. s. w. Sie gab zu Elgg die Mächtig- keit des Flötzes ziemlich bestimmt an und bezeichnete den Platz einer verborgenen Quelle richtig.
§. 252.
Weit häufiger sind dagegen ähnliche Erscheinungen in den sogenannten magnetischen oder auch in kataleptischen Zu- ständen beobachtet worden, allwo denn auch das Vorgefühl zukünftiger Dinge oft mit besonderer Schärfe hervortritt. Von
*) S. darüber H. Osiander über d. Entwicklungskrankheiten im in u. 2n Thle.
Endlich kommen wir zu den ſonderbarſten und ſeltenſten Erſcheinungen der aufgeregten Senſibilitaͤt, wo die Schranken des Raumes und der Zeit faſt aufgehoben ſcheinen, und wo- hin zuerſt das Schauen oder Fuͤhlen von Gegenſtaͤnden ge- hoͤrt, welche nach der gewoͤhnlichen Weiſe ſinnlicher Wahr- nehmung nicht zu erkennen waren. Auch dieſes iſt ſelten als einzeln vorkommende Erſcheinung, ſondern gewoͤhnlich als Symptom des Somnambulismus beobachtet worden; jedoch wuͤrde das Beyſpiel der Mad. Pedegache in Spanien, welche das Vermoͤgen beſeſſen haben ſoll, in das Innere der Koͤrper zu ſchauen, hierher gerechnet werden muͤſſen, dafern ſichere und glaubwuͤrdigere Nachrichten daruͤber vorhanden waͤren *). Ein merkwuͤrdiges, von erfahrenen Zeugen beglau- bigtes und durch Verſuche erprobtes Beyſpiel einer hohen rabdomantiſchen Senſibilitaͤt bey einem ohngefaͤhr 20 Jahr alten, ſich ſonſt dem Aeußern nach wohl befindenden Frauen- zimmer, von blaßer Farbe, ſchlankem Wuchs und lebhaftem Gemuͤth, iſt dagegen das vom Bergmeiſter F. Glinsberg in Arau bekannt gemachte **), wo eine Richtung von Stein- kohlenlagern durch dieſelbe angegeben wurde, welche dem Bergmeiſter unerwartet und unbekannt, demohnerachtet durch die Nachgrabung beſtaͤtigt worden war. Die Empfindungen, durch welche ſie das Verhaͤltniß der Foſſilien entdeckt, ſind Engbruͤſtigkeit, Zuckungen, Schweiß, bey Steinkohlen ſchwe- felartiger Geruch u. ſ. w. Sie gab zu Elgg die Maͤchtig- keit des Floͤtzes ziemlich beſtimmt an und bezeichnete den Platz einer verborgenen Quelle richtig.
§. 252.
Weit haͤufiger ſind dagegen aͤhnliche Erſcheinungen in den ſogenannten magnetiſchen oder auch in kataleptiſchen Zu- ſtaͤnden beobachtet worden, allwo denn auch das Vorgefuͤhl zukuͤnftiger Dinge oft mit beſonderer Schaͤrfe hervortritt. Von
*) S. daruͤber H. Oſiander uͤber d. Entwicklungskrankheiten im in u. 2n Thle.
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§. 251.
Endlich kommen wir zu den ſonderbarſten und ſeltenſten
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des Raumes und der Zeit faſt aufgehoben ſcheinen, und wo-
hin zuerſt das Schauen oder Fuͤhlen von Gegenſtaͤnden ge-
hoͤrt, welche nach der gewoͤhnlichen Weiſe ſinnlicher Wahr-
nehmung nicht zu erkennen waren. Auch dieſes iſt ſelten
als einzeln vorkommende Erſcheinung, ſondern gewoͤhnlich als
Symptom des Somnambulismus beobachtet worden; jedoch
wuͤrde das Beyſpiel der Mad. Pedegache in Spanien,
welche das Vermoͤgen beſeſſen haben ſoll, in das Innere der
Koͤrper zu ſchauen, hierher gerechnet werden muͤſſen, dafern
ſichere und glaubwuͤrdigere Nachrichten daruͤber vorhanden
waͤren *). Ein merkwuͤrdiges, von erfahrenen Zeugen beglau-
bigtes und durch Verſuche erprobtes Beyſpiel einer hohen
rabdomantiſchen Senſibilitaͤt bey einem ohngefaͤhr 20 Jahr
alten, ſich ſonſt dem Aeußern nach wohl befindenden Frauen-
zimmer, von blaßer Farbe, ſchlankem Wuchs und lebhaftem
Gemuͤth, iſt dagegen das vom Bergmeiſter F. Glinsberg
in Arau bekannt gemachte **), wo eine Richtung von Stein-
kohlenlagern durch dieſelbe angegeben wurde, welche dem
Bergmeiſter unerwartet und unbekannt, demohnerachtet durch
die Nachgrabung beſtaͤtigt worden war. Die Empfindungen,
durch welche ſie das Verhaͤltniß der Foſſilien entdeckt, ſind
Engbruͤſtigkeit, Zuckungen, Schweiß, bey Steinkohlen ſchwe-
felartiger Geruch u. ſ. w. Sie gab zu Elgg die Maͤchtig-
keit des Floͤtzes ziemlich beſtimmt an und bezeichnete den
Platz einer verborgenen Quelle richtig.
§. 252.
Weit haͤufiger ſind dagegen aͤhnliche Erſcheinungen in
den ſogenannten magnetiſchen oder auch in kataleptiſchen Zu-
ſtaͤnden beobachtet worden, allwo denn auch das Vorgefuͤhl
zukuͤnftiger Dinge oft mit beſonderer Schaͤrfe hervortritt. Von
*) S. daruͤber H. Oſiander uͤber d. Entwicklungskrankheiten im in
u. 2n Thle.
**) Archiv ſchweizeriſcher Aerzte. 1r Jahrg. 1s Hft. 1816. S. 56.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/212>, abgerufen am 24.11.2024.
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