Fragt man übrigens, welches die niedere Sphäre sey, durch welche der Mensch zu Perceptionen der erwähnten Art fähig werde, so kann hier keine als die Sphäre der Repro- duktion gemeynt seyn, welche, in wiefern ihre Sensibilität sogar an den Träger eines eigenen Nervensystems geknüpft ist, noch mehr zu diesen Erscheinungen geeignet wird; womit denn übrigens die Geschichten dieser Erscheinungen selbst über- einstimmen, indem man immer bemerkt hat, daß vorzüglich die den Centralpunkten der Reproduktion, d. i. der Gegend zwischen Herz, Magen und Leber am meisten genäherten Partien des Körpers solcher Perceptionen fähig waren, ob- wohl wir deßhalb dieser Gegend nicht das Vermögen des Gesichts, des Gehörs u. s. w. selbst zuschreiben können. -- Warum hätte man denn wohl nie bemerkt, daß eine Kranke vorgab, mit den Ohren zu sehen? mit den Augen zu hören? mit dem Gehirn überhaupt Sinneswahrnehmungen zu haben? -- Warum finden wir überall, selbst bey Personen, welche ihrer geringen Bildung nach unwiderleglich von ärztlichen Hypo- thesen keine Sylbe wußten, immer wieder die Magengegend als durch diese Sensibilität hervorgehoben? --
§. 249.
Ehe wir nun ganz von dieser Digression zurückkehren (welche wir übrigens nicht gemacht haben würden, wären die hier zur klarern Einsicht doch unumgänglich nöthigen Ideen in den Physiologien bereits allgemein klar genug ent- wickelt zu finden), nur noch einige Worte über die Möglich- keit des Wahrnehmens eigener innerer Körpertheile in solchen exaltirten Zuständen. Auch dieses nämlich können wir nur als Phantasiebilder, oder wenn man lieber will, als Träume von den Gestalten dieser einzelnen Organe betrachten, und es scheint wohl natürlich, daß wenn Umstimmungen des Ge- meingefühls wahrhafte Vorstellungen von Außendingen veran- lassen, auch die Organe an und für sich selbst Vorstellungen, und zwar von ihrem eigenen Zustande, erregen. Ja es liegt wohl hierin noch eine bestimmtere Rechtfertigung obiger An-
§. 248.
Fragt man uͤbrigens, welches die niedere Sphaͤre ſey, durch welche der Menſch zu Perceptionen der erwaͤhnten Art faͤhig werde, ſo kann hier keine als die Sphaͤre der Repro- duktion gemeynt ſeyn, welche, in wiefern ihre Senſibilitaͤt ſogar an den Traͤger eines eigenen Nervenſyſtems geknuͤpft iſt, noch mehr zu dieſen Erſcheinungen geeignet wird; womit denn uͤbrigens die Geſchichten dieſer Erſcheinungen ſelbſt uͤber- einſtimmen, indem man immer bemerkt hat, daß vorzuͤglich die den Centralpunkten der Reproduktion, d. i. der Gegend zwiſchen Herz, Magen und Leber am meiſten genaͤherten Partien des Koͤrpers ſolcher Perceptionen faͤhig waren, ob- wohl wir deßhalb dieſer Gegend nicht das Vermoͤgen des Geſichts, des Gehoͤrs u. ſ. w. ſelbſt zuſchreiben koͤnnen. — Warum haͤtte man denn wohl nie bemerkt, daß eine Kranke vorgab, mit den Ohren zu ſehen? mit den Augen zu hoͤren? mit dem Gehirn uͤberhaupt Sinneswahrnehmungen zu haben? — Warum finden wir uͤberall, ſelbſt bey Perſonen, welche ihrer geringen Bildung nach unwiderleglich von aͤrztlichen Hypo- theſen keine Sylbe wußten, immer wieder die Magengegend als durch dieſe Senſibilitaͤt hervorgehoben? —
§. 249.
Ehe wir nun ganz von dieſer Digreſſion zuruͤckkehren (welche wir uͤbrigens nicht gemacht haben wuͤrden, waͤren die hier zur klarern Einſicht doch unumgaͤnglich noͤthigen Ideen in den Phyſiologien bereits allgemein klar genug ent- wickelt zu finden), nur noch einige Worte uͤber die Moͤglich- keit des Wahrnehmens eigener innerer Koͤrpertheile in ſolchen exaltirten Zuſtaͤnden. Auch dieſes naͤmlich koͤnnen wir nur als Phantaſiebilder, oder wenn man lieber will, als Traͤume von den Geſtalten dieſer einzelnen Organe betrachten, und es ſcheint wohl natuͤrlich, daß wenn Umſtimmungen des Ge- meingefuͤhls wahrhafte Vorſtellungen von Außendingen veran- laſſen, auch die Organe an und fuͤr ſich ſelbſt Vorſtellungen, und zwar von ihrem eigenen Zuſtande, erregen. Ja es liegt wohl hierin noch eine beſtimmtere Rechtfertigung obiger An-
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§. 248.
Fragt man uͤbrigens, welches die niedere Sphaͤre ſey,
durch welche der Menſch zu Perceptionen der erwaͤhnten Art
faͤhig werde, ſo kann hier keine als die Sphaͤre der Repro-
duktion gemeynt ſeyn, welche, in wiefern ihre Senſibilitaͤt
ſogar an den Traͤger eines eigenen Nervenſyſtems geknuͤpft
iſt, noch mehr zu dieſen Erſcheinungen geeignet wird; womit
denn uͤbrigens die Geſchichten dieſer Erſcheinungen ſelbſt uͤber-
einſtimmen, indem man immer bemerkt hat, daß vorzuͤglich
die den Centralpunkten der Reproduktion, d. i. der Gegend
zwiſchen Herz, Magen und Leber am meiſten genaͤherten
Partien des Koͤrpers ſolcher Perceptionen faͤhig waren, ob-
wohl wir deßhalb dieſer Gegend nicht das Vermoͤgen des
Geſichts, des Gehoͤrs u. ſ. w. ſelbſt zuſchreiben koͤnnen. —
Warum haͤtte man denn wohl nie bemerkt, daß eine Kranke
vorgab, mit den Ohren zu ſehen? mit den Augen zu hoͤren?
mit dem Gehirn uͤberhaupt Sinneswahrnehmungen zu haben? —
Warum finden wir uͤberall, ſelbſt bey Perſonen, welche ihrer
geringen Bildung nach unwiderleglich von aͤrztlichen Hypo-
theſen keine Sylbe wußten, immer wieder die Magengegend
als durch dieſe Senſibilitaͤt hervorgehoben? —
§. 249.
Ehe wir nun ganz von dieſer Digreſſion zuruͤckkehren
(welche wir uͤbrigens nicht gemacht haben wuͤrden, waͤren
die hier zur klarern Einſicht doch unumgaͤnglich noͤthigen
Ideen in den Phyſiologien bereits allgemein klar genug ent-
wickelt zu finden), nur noch einige Worte uͤber die Moͤglich-
keit des Wahrnehmens eigener innerer Koͤrpertheile in ſolchen
exaltirten Zuſtaͤnden. Auch dieſes naͤmlich koͤnnen wir nur
als Phantaſiebilder, oder wenn man lieber will, als Traͤume
von den Geſtalten dieſer einzelnen Organe betrachten, und
es ſcheint wohl natuͤrlich, daß wenn Umſtimmungen des Ge-
meingefuͤhls wahrhafte Vorſtellungen von Außendingen veran-
laſſen, auch die Organe an und fuͤr ſich ſelbſt Vorſtellungen,
und zwar von ihrem eigenen Zuſtande, erregen. Ja es liegt
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/209>, abgerufen am 22.11.2024.
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