Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.derselben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit §. 230. Um aber zuvörderst das Eigenthümliche vieler hierherge- *) Es ist sonderbar, in den neuern Lehrbüchern über Frauenkrank-
heiten diese merkwürdigen Zufälle immer übergangen zu finden, obwohl andere Schriften (z. B. Henke von den Entwicklungen des menschlichen Organismus) sie als krankhafte Entwicklungszustände mit aufgeführt hatten. derſelben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit §. 230. Um aber zuvoͤrderſt das Eigenthuͤmliche vieler hierherge- *) Es iſt ſonderbar, in den neuern Lehrbuͤchern uͤber Frauenkrank-
heiten dieſe merkwuͤrdigen Zufaͤlle immer uͤbergangen zu finden, obwohl andere Schriften (z. B. Henke von den Entwicklungen des menſchlichen Organismus) ſie als krankhafte Entwicklungszuſtaͤnde mit aufgefuͤhrt hatten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <div n="5"> <div n="6"> <div n="7"> <div n="8"> <div n="9"> <p><pb facs="#f0193" n="173"/> derſelben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit<lb/> dieſer Erſcheinungen nicht uͤberraſcht, und in der ruhigen<lb/> Entwerfung ſeines Heilplans gehindert werde <note place="foot" n="*)">Es iſt ſonderbar, in den neuern Lehrbuͤchern uͤber Frauenkrank-<lb/> heiten dieſe merkwuͤrdigen Zufaͤlle immer uͤbergangen zu finden,<lb/> obwohl andere Schriften (z. B. <hi rendition="#g">Henke</hi> von den Entwicklungen des<lb/> menſchlichen Organismus) ſie als krankhafte Entwicklungszuſtaͤnde<lb/> mit aufgefuͤhrt hatten.</note>.</p> </div> </div><lb/> <div n="8"> <head>§. 230.</head><lb/> <p>Um aber zuvoͤrderſt das Eigenthuͤmliche vieler hierherge-<lb/> hoͤriger Zufaͤlle nicht unnatuͤrlich oder vielmehr uͤbernatuͤrlich<lb/> zu finden, muͤſſen wir immer recht klar vor Augen behalten,<lb/> daß der menſchliche Organismus zwar eine Einheit, aber nicht<lb/> ein wahrhaft in ſich beſchloſſenes, den Grund ſeiner Exiſtenz<lb/> allein in ſich tragendes Ganze ſey, daß er vielmehr nicht<lb/> einen Augenblick gedacht werden kann <hi rendition="#g">außer</hi> der Einwirkung<lb/> der ihn umgebenden Natur, von welcher er <hi rendition="#g">ſtets</hi> durchdrun-<lb/> gen iſt, welche er <hi rendition="#g">ſtets</hi> in ſich aufnimmt, und in welche<lb/> er ſich <hi rendition="#g">ſtets</hi> aufloͤſt. Eben aus dieſem Grunde wird er<lb/> aber auch faͤhig, ſich im Ganzen und das Ganze in ſich zu<lb/> fuͤhlen, ſo daß, je zarter ſeine Empfaͤnglichkeit, ſein Wahr-<lb/> nehmen wird, auch um ſo mehr ſein Empfinden aͤußerer<lb/> Veraͤnderungen ſich ausdehnt, und zwar in eine Weite, fuͤr<lb/> deren Begraͤnzung wir durchaus kein unverruͤckbares Maaß<lb/> haben, ſo daß als eitle Anmaßung erſcheint, wenn irgend<lb/> ein Phyſiolog hier eine Saͤule mit einem <hi rendition="#aq">non plus ultra</hi><lb/> aufzurichten gedenkt, denn nur was den <hi rendition="#g">Vernunftge-<lb/> ſetzen</hi> widerſtreitet, iſt unmoͤglich. — Kann ſich denn etwa<lb/> ein Menſch, auf deſſen geſunden Koͤrper die Umſtimmungen<lb/> der Atmosphaͤre, der Witterung, keinen merklichen Eindruck<lb/> machen, ſinnlich uͤberzeugen, wie es moͤglich ſey, daß ein<lb/> Anderer, deſſen Senſibilitaͤt in erhoͤhterem Zuſtande ſich be-<lb/> findet, dieſe Veraͤnderungen, noch ehe ſie wirklich erfolgt<lb/> ſind, ſchon wahrnimmt? und iſt das Letztere deßhalb etwa<lb/> weniger in Wahrheit der Fall? —</p><lb/> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0193]
derſelben nicht mangeln darf, damit er durch die Neuheit
dieſer Erſcheinungen nicht uͤberraſcht, und in der ruhigen
Entwerfung ſeines Heilplans gehindert werde *).
§. 230.
Um aber zuvoͤrderſt das Eigenthuͤmliche vieler hierherge-
hoͤriger Zufaͤlle nicht unnatuͤrlich oder vielmehr uͤbernatuͤrlich
zu finden, muͤſſen wir immer recht klar vor Augen behalten,
daß der menſchliche Organismus zwar eine Einheit, aber nicht
ein wahrhaft in ſich beſchloſſenes, den Grund ſeiner Exiſtenz
allein in ſich tragendes Ganze ſey, daß er vielmehr nicht
einen Augenblick gedacht werden kann außer der Einwirkung
der ihn umgebenden Natur, von welcher er ſtets durchdrun-
gen iſt, welche er ſtets in ſich aufnimmt, und in welche
er ſich ſtets aufloͤſt. Eben aus dieſem Grunde wird er
aber auch faͤhig, ſich im Ganzen und das Ganze in ſich zu
fuͤhlen, ſo daß, je zarter ſeine Empfaͤnglichkeit, ſein Wahr-
nehmen wird, auch um ſo mehr ſein Empfinden aͤußerer
Veraͤnderungen ſich ausdehnt, und zwar in eine Weite, fuͤr
deren Begraͤnzung wir durchaus kein unverruͤckbares Maaß
haben, ſo daß als eitle Anmaßung erſcheint, wenn irgend
ein Phyſiolog hier eine Saͤule mit einem non plus ultra
aufzurichten gedenkt, denn nur was den Vernunftge-
ſetzen widerſtreitet, iſt unmoͤglich. — Kann ſich denn etwa
ein Menſch, auf deſſen geſunden Koͤrper die Umſtimmungen
der Atmosphaͤre, der Witterung, keinen merklichen Eindruck
machen, ſinnlich uͤberzeugen, wie es moͤglich ſey, daß ein
Anderer, deſſen Senſibilitaͤt in erhoͤhterem Zuſtande ſich be-
findet, dieſe Veraͤnderungen, noch ehe ſie wirklich erfolgt
ſind, ſchon wahrnimmt? und iſt das Letztere deßhalb etwa
weniger in Wahrheit der Fall? —
*) Es iſt ſonderbar, in den neuern Lehrbuͤchern uͤber Frauenkrank-
heiten dieſe merkwuͤrdigen Zufaͤlle immer uͤbergangen zu finden,
obwohl andere Schriften (z. B. Henke von den Entwicklungen des
menſchlichen Organismus) ſie als krankhafte Entwicklungszuſtaͤnde
mit aufgefuͤhrt hatten.
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