Menstrualfunktion gelind mit hinzuwirken. -- Merkwürdig ist es hierbey zu finden, daß in dieser Hinsicht ältere und neuere Aerzte in der Behandlung dieser Krankheit fast ganz auf entgegengesetzten Wegen gingen, indem bey jenen das Herstellen der Menstruation, oder in Ermanglung derselben die Blutentziehungen *) fast eben so sehr als Hauptsache be- trachtet wurde, als von den Neuern im Durchschnitte das Anwenden stärkender Mittel an die Spitze gestellt wird; ja man glaubte sogar ziemlich gewaltsame Mittel, um die Her- stellung der Menstruation zu bewirken, erlaubt, wohin na- mentlich das Verfahren Hamilton's, welches Chambon de Montaux anführt, gehört. Dieser nämlich, als er eine zwanzigjährige Bleichsüchtige behandeln sollte, deren Regeln seit 7 Monaten gehemmt waren, wo der Puls schwach und selten, die Verdauung gestört und die Kräfte gesunken wa- ren, glaubte von den gewöhnlichen innern Mitteln eine zu langsame Wirkung erwarten zu müssen, dagegegen von einem mechanischen Mittel, welches den Blutlauf mehr gegen die innern Genitalien richtete, eine günstige Umänderung hoffen zu dürfen. Nachdem er daher der Kranken eine Abführung gegeben, legte er ein Tourniket an den Schenkel **) (ohnge- fähr wie Behufs der Amputation), komprimirte die Schen- kelarterien mäßig, ließ zugleich ein Dampfbad an die Ge- nitalien leiten, und späterhin ein Cardiacum reichen, worauf alsbald die Regeln floßen. -- Unter den Umständen jedoch, welche wir hier im Sinne haben, können solche gewaltsame Mittel eben so wenig als stellvertretende allgemeine Blutent- ziehungen Statt finden, sondern es empfehlen sich hier Be- hufs der Beförderung der Menstruation nur die gelindern Mittel, als Fußbäder, Halbbäder, weniger die Dampfbäder der Genitalien, wollene Bekleidung oder trockene Friktionen
*)Chambon de Montaux (des Maladies des filles. T. I. p. 119.) sagt daher: "La premiere Indication est de diminuer la masse du sang, puisqu'il y a une plethore reelle dans presque tous les sujets attaques de la chlorose."
**) A. a. O. S. 204. Auch bey einigen Alten schon findet sich das Binden der Glieder als Beförderungsmittel der Menstruation em- pfohlen.
Menſtrualfunktion gelind mit hinzuwirken. — Merkwuͤrdig iſt es hierbey zu finden, daß in dieſer Hinſicht aͤltere und neuere Aerzte in der Behandlung dieſer Krankheit faſt ganz auf entgegengeſetzten Wegen gingen, indem bey jenen das Herſtellen der Menſtruation, oder in Ermanglung derſelben die Blutentziehungen *) faſt eben ſo ſehr als Hauptſache be- trachtet wurde, als von den Neuern im Durchſchnitte das Anwenden ſtaͤrkender Mittel an die Spitze geſtellt wird; ja man glaubte ſogar ziemlich gewaltſame Mittel, um die Her- ſtellung der Menſtruation zu bewirken, erlaubt, wohin na- mentlich das Verfahren Hamilton’s, welches Chambon de Montaux anfuͤhrt, gehoͤrt. Dieſer naͤmlich, als er eine zwanzigjaͤhrige Bleichſuͤchtige behandeln ſollte, deren Regeln ſeit 7 Monaten gehemmt waren, wo der Puls ſchwach und ſelten, die Verdauung geſtoͤrt und die Kraͤfte geſunken wa- ren, glaubte von den gewoͤhnlichen innern Mitteln eine zu langſame Wirkung erwarten zu muͤſſen, dagegegen von einem mechaniſchen Mittel, welches den Blutlauf mehr gegen die innern Genitalien richtete, eine guͤnſtige Umaͤnderung hoffen zu duͤrfen. Nachdem er daher der Kranken eine Abfuͤhrung gegeben, legte er ein Tourniket an den Schenkel **) (ohnge- faͤhr wie Behufs der Amputation), komprimirte die Schen- kelarterien maͤßig, ließ zugleich ein Dampfbad an die Ge- nitalien leiten, und ſpaͤterhin ein Cardiacum reichen, worauf alsbald die Regeln floßen. — Unter den Umſtaͤnden jedoch, welche wir hier im Sinne haben, koͤnnen ſolche gewaltſame Mittel eben ſo wenig als ſtellvertretende allgemeine Blutent- ziehungen Statt finden, ſondern es empfehlen ſich hier Be- hufs der Befoͤrderung der Menſtruation nur die gelindern Mittel, als Fußbaͤder, Halbbaͤder, weniger die Dampfbaͤder der Genitalien, wollene Bekleidung oder trockene Friktionen
*)Chambon de Montaux (des Maladies des filles. T. I. p. 119.) ſagt daher: „La premiêre Indication est de diminuer la masse du sang, puisqu’il y a une pléthore réelle dans presque tous les sujets attaqués de la chlorose.“
**) A. a. O. S. 204. Auch bey einigen Alten ſchon findet ſich das Binden der Glieder als Befoͤrderungsmittel der Menſtruation em- pfohlen.
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Menſtrualfunktion gelind mit hinzuwirken. — Merkwuͤrdig
iſt es hierbey zu finden, daß in dieſer Hinſicht aͤltere und
neuere Aerzte in der Behandlung dieſer Krankheit faſt ganz
auf entgegengeſetzten Wegen gingen, indem bey jenen das
Herſtellen der Menſtruation, oder in Ermanglung derſelben
die Blutentziehungen *) faſt eben ſo ſehr als Hauptſache be-
trachtet wurde, als von den Neuern im Durchſchnitte das
Anwenden ſtaͤrkender Mittel an die Spitze geſtellt wird; ja
man glaubte ſogar ziemlich gewaltſame Mittel, um die Her-
ſtellung der Menſtruation zu bewirken, erlaubt, wohin na-
mentlich das Verfahren Hamilton’s, welches Chambon de
Montaux anfuͤhrt, gehoͤrt. Dieſer naͤmlich, als er eine
zwanzigjaͤhrige Bleichſuͤchtige behandeln ſollte, deren Regeln
ſeit 7 Monaten gehemmt waren, wo der Puls ſchwach und
ſelten, die Verdauung geſtoͤrt und die Kraͤfte geſunken wa-
ren, glaubte von den gewoͤhnlichen innern Mitteln eine zu
langſame Wirkung erwarten zu muͤſſen, dagegegen von einem
mechaniſchen Mittel, welches den Blutlauf mehr gegen die
innern Genitalien richtete, eine guͤnſtige Umaͤnderung hoffen
zu duͤrfen. Nachdem er daher der Kranken eine Abfuͤhrung
gegeben, legte er ein Tourniket an den Schenkel **) (ohnge-
faͤhr wie Behufs der Amputation), komprimirte die Schen-
kelarterien maͤßig, ließ zugleich ein Dampfbad an die Ge-
nitalien leiten, und ſpaͤterhin ein Cardiacum reichen, worauf
alsbald die Regeln floßen. — Unter den Umſtaͤnden jedoch,
welche wir hier im Sinne haben, koͤnnen ſolche gewaltſame
Mittel eben ſo wenig als ſtellvertretende allgemeine Blutent-
ziehungen Statt finden, ſondern es empfehlen ſich hier Be-
hufs der Befoͤrderung der Menſtruation nur die gelindern
Mittel, als Fußbaͤder, Halbbaͤder, weniger die Dampfbaͤder
der Genitalien, wollene Bekleidung oder trockene Friktionen
*) Chambon de Montaux (des Maladies des filles. T. I. p. 119.)
ſagt daher: „La premiêre Indication est de diminuer la masse du
sang, puisqu’il y a une pléthore réelle dans presque tous les
sujets attaqués de la chlorose.“
**) A. a. O. S. 204. Auch bey einigen Alten ſchon findet ſich das
Binden der Glieder als Befoͤrderungsmittel der Menſtruation em-
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/190>, abgerufen am 23.07.2024.
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