des Krankseyns, die meisten derselben sind indeß so eng an jene ursachlichen Abnormitäten geknüpft, daß wir sie als bloße Symptome derselben betrachten durften; andere hingegen bil- den so merkwürdige in sich gleichsam zu einem Ganzen geschlossene Gruppen krankhafter Zufälle, daß sie eine ihnen insbesondre ge- widmete Betrachtung fordern können. -- Es gilt dieses vorzüg- lich von gewissen Zuständen, deren Entstehung namentlich vor- bereitet wird durch allgemeine Veränderung des weiblichen Orga- nismus, Veränderungen, welche eben sowohl den Grund der Menstrualfunktion selbst und ihrer Abnormitäten enthalten, und daher vorzüglich der Entwicklungsperiode der Pubertät ange- hören. So wie nämlich das Erscheinen der Menstruation, gleich der Ausbildung der Körperform und der Entfaltung der weibli- chen Gemüthseigenthümlichkeit, Ergebnisse einer und derselben innerlich schaffenden Kraft darstellen, so können Hemmungen die- ser innern Bildungsthätigkeit auch zugleich durch unvollkommne Menstruation und Unvollkommenheiten anderer Funktionen sich aussprechen, ohne daß gerade das eine als der Grund des an- dern, sondern das Allgemeine als der Grund dieser verschiedenen Besondern anzusehen, sonach aber auch das besondere Aufstellen anderer Entwicklungskrankheiten neben den Abnormitäten der Menstruation gerechtfertigt ist. -- Warum nun aber gerade Störungen der innern Entwicklungsthätigkeit in gewissen Pe- rioden des Lebens häufiger als in andern bemerkt werden, ergiebt sich leicht, wenn wir bedenken, daß, obwohl diese Thätigkeit nie ruht, und der Körper nur in wiefern er im Bilden begriffen ist, existirt, sie doch Zeiträume erkennen läßt, wo durch Hervor- treten oder Zurücktreten einzelner Organe und Funktionen das in- nere Verhältniß der Organisation in kurzem umgewandelt wird. Eben darum müssen nun aber auch (da das Produkt immer ver- ändert wird, es mag nun blos der innere oder der äußere Faktor verändert worden seyn) alle äußern Einflüße auf den veränderten Organismus anders wirken, ihm gleichsam fremdartig geworden seyn, woher denn z. B. die Erregbarkeit der Jugend überhaupt erklärlich wird, indem hier, da die innern Zustände schnell wech- seln, und alles Aeußere neu und stark eingreift, auch Krankhei- ten, durch zu heftige Einwirkung von irgend einer Seite, so häufig und in so verschiedenen Formen entstehen.
des Krankſeyns, die meiſten derſelben ſind indeß ſo eng an jene urſachlichen Abnormitaͤten geknuͤpft, daß wir ſie als bloße Symptome derſelben betrachten durften; andere hingegen bil- den ſo merkwuͤrdige in ſich gleichſam zu einem Ganzen geſchloſſene Gruppen krankhafter Zufaͤlle, daß ſie eine ihnen insbeſondre ge- widmete Betrachtung fordern koͤnnen. — Es gilt dieſes vorzuͤg- lich von gewiſſen Zuſtaͤnden, deren Entſtehung namentlich vor- bereitet wird durch allgemeine Veraͤnderung des weiblichen Orga- nismus, Veraͤnderungen, welche eben ſowohl den Grund der Menſtrualfunktion ſelbſt und ihrer Abnormitaͤten enthalten, und daher vorzuͤglich der Entwicklungsperiode der Pubertaͤt ange- hoͤren. So wie naͤmlich das Erſcheinen der Menſtruation, gleich der Ausbildung der Koͤrperform und der Entfaltung der weibli- chen Gemuͤthseigenthuͤmlichkeit, Ergebniſſe einer und derſelben innerlich ſchaffenden Kraft darſtellen, ſo koͤnnen Hemmungen die- ſer innern Bildungsthaͤtigkeit auch zugleich durch unvollkommne Menſtruation und Unvollkommenheiten anderer Funktionen ſich ausſprechen, ohne daß gerade das eine als der Grund des an- dern, ſondern das Allgemeine als der Grund dieſer verſchiedenen Beſondern anzuſehen, ſonach aber auch das beſondere Aufſtellen anderer Entwicklungskrankheiten neben den Abnormitaͤten der Menſtruation gerechtfertigt iſt. — Warum nun aber gerade Stoͤrungen der innern Entwicklungsthaͤtigkeit in gewiſſen Pe- rioden des Lebens haͤufiger als in andern bemerkt werden, ergiebt ſich leicht, wenn wir bedenken, daß, obwohl dieſe Thaͤtigkeit nie ruht, und der Koͤrper nur in wiefern er im Bilden begriffen iſt, exiſtirt, ſie doch Zeitraͤume erkennen laͤßt, wo durch Hervor- treten oder Zuruͤcktreten einzelner Organe und Funktionen das in- nere Verhaͤltniß der Organiſation in kurzem umgewandelt wird. Eben darum muͤſſen nun aber auch (da das Produkt immer ver- aͤndert wird, es mag nun blos der innere oder der aͤußere Faktor veraͤndert worden ſeyn) alle aͤußern Einfluͤße auf den veraͤnderten Organismus anders wirken, ihm gleichſam fremdartig geworden ſeyn, woher denn z. B. die Erregbarkeit der Jugend uͤberhaupt erklaͤrlich wird, indem hier, da die innern Zuſtaͤnde ſchnell wech- ſeln, und alles Aeußere neu und ſtark eingreift, auch Krankhei- ten, durch zu heftige Einwirkung von irgend einer Seite, ſo haͤufig und in ſo verſchiedenen Formen entſtehen.
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des Krankſeyns, die meiſten derſelben ſind indeß ſo eng an jene
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den ſo merkwuͤrdige in ſich gleichſam zu einem Ganzen geſchloſſene
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widmete Betrachtung fordern koͤnnen. — Es gilt dieſes vorzuͤg-
lich von gewiſſen Zuſtaͤnden, deren Entſtehung namentlich vor-
bereitet wird durch allgemeine Veraͤnderung des weiblichen Orga-
nismus, Veraͤnderungen, welche eben ſowohl den Grund der
Menſtrualfunktion ſelbſt und ihrer Abnormitaͤten enthalten, und
daher vorzuͤglich der Entwicklungsperiode der Pubertaͤt ange-
hoͤren. So wie naͤmlich das Erſcheinen der Menſtruation, gleich
der Ausbildung der Koͤrperform und der Entfaltung der weibli-
chen Gemuͤthseigenthuͤmlichkeit, Ergebniſſe einer und derſelben
innerlich ſchaffenden Kraft darſtellen, ſo koͤnnen Hemmungen die-
ſer innern Bildungsthaͤtigkeit auch zugleich durch unvollkommne
Menſtruation und Unvollkommenheiten anderer Funktionen ſich
ausſprechen, ohne daß gerade das eine als der Grund des an-
dern, ſondern das Allgemeine als der Grund dieſer verſchiedenen
Beſondern anzuſehen, ſonach aber auch das beſondere Aufſtellen
anderer Entwicklungskrankheiten neben den Abnormitaͤten der
Menſtruation gerechtfertigt iſt. — Warum nun aber gerade
Stoͤrungen der innern Entwicklungsthaͤtigkeit in gewiſſen Pe-
rioden des Lebens haͤufiger als in andern bemerkt werden, ergiebt
ſich leicht, wenn wir bedenken, daß, obwohl dieſe Thaͤtigkeit nie
ruht, und der Koͤrper nur in wiefern er im Bilden begriffen iſt,
exiſtirt, ſie doch Zeitraͤume erkennen laͤßt, wo durch Hervor-
treten oder Zuruͤcktreten einzelner Organe und Funktionen das in-
nere Verhaͤltniß der Organiſation in kurzem umgewandelt wird.
Eben darum muͤſſen nun aber auch (da das Produkt immer ver-
aͤndert wird, es mag nun blos der innere oder der aͤußere Faktor
veraͤndert worden ſeyn) alle aͤußern Einfluͤße auf den veraͤnderten
Organismus anders wirken, ihm gleichſam fremdartig geworden
ſeyn, woher denn z. B. die Erregbarkeit der Jugend uͤberhaupt
erklaͤrlich wird, indem hier, da die innern Zuſtaͤnde ſchnell wech-
ſeln, und alles Aeußere neu und ſtark eingreift, auch Krankhei-
ten, durch zu heftige Einwirkung von irgend einer Seite, ſo
haͤufig und in ſo verſchiedenen Formen entſtehen.
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 157. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/177>, abgerufen am 24.11.2024.
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