Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

denen Entstehungsarten dieses Krankheitszustandes sehr ver-
schieden. Daß nämlich, wo die Menstruation in Folge all-
gemein geschwächter Ernährung sich verliert (§. 205.) dieses
Verlieren an und für sich betrachtet, eher vortheilhaft als
nachtheilig seyn müsse, ergiebt sich leicht von selbst, und
das Urtheil des Arztes wird also blos jene allgemeinen Zu-
stände nach ihrer besondern Natur zu erwägen haben. Das-
selbe gilt auch bey anderweitigen Krankheiten der Geschlechts-
organe, als Scirrhus uteri u. s. w. Ueberhaupt verschwin-
den hierbey die Regeln nicht leicht so plötzlich, sondern ver-
lieren sich nach und nach. Wo hingegen aus dem Zusam-
mentreffen der erwähnten innern und äußern Ursachen diese
Funktion allein gestört wird, brechen theils örtliche, theils
allgemeine Krankheitszustände bald hervor, deren Charakter,
jenachdem mehr das Gefäßsystem oder das Nervensystem über-
wiegt, entweder in der Form von Entzündung und Fieber, oder
in der Form der Krämpfe erscheinen wird. Im erstern Falle,
und vorzüglich nach stark und schnell wirkenden äußern Ur-
sachen entstehen daher stechende Schmerzen im Uterus, es ent-
wickelt sich Metritis, es erscheinen heftige Congestionen nach
andern Organen, Fieber verschiedener Art, und bey anhalten-
der Unterdrückung können sich vicariirende Blutflüße, Wasser-
suchten, Verbildungen der Geschlechtsorgane, Gemüthskrank-
heiten, Auszehrungen, Bleichsucht u. s. w. entwickeln; oder
im Gegentheil bilden sich krampfhafte Verschließungen des
Muttermundes, wobey das Blut zwar noch ausgeschieden,
aber nicht ausgeleert werden kann, dann oft in der Gebär-
mutterhöhle sich coagulirt, ja oft halb und halb organische
Bildung annimmt *); oder es tritt eine krampfhafte Verschlie-
ßung der ausscheidenden Gefäßmündungen selbst ein, das
Blut treibt (vorzüglich bey schlaffem Habitus und Neigung
zu Venenerweiterungen) die Venen des Fruchthälters auf, und

*) Bey einer Dame, wo wegen längere Zeit unterdrückter Menstrua-
tion bereits Schwangerschaft vermuthet worden war, ging endlich
eine Masse solchen geronnenen Blutes ab, welche wegen ihrer ganz
fleischartigen Bildung von der Hebamme anfänglich für den Arm
eines Kindes gehalten wurde.

denen Entſtehungsarten dieſes Krankheitszuſtandes ſehr ver-
ſchieden. Daß naͤmlich, wo die Menſtruation in Folge all-
gemein geſchwaͤchter Ernaͤhrung ſich verliert (§. 205.) dieſes
Verlieren an und fuͤr ſich betrachtet, eher vortheilhaft als
nachtheilig ſeyn muͤſſe, ergiebt ſich leicht von ſelbſt, und
das Urtheil des Arztes wird alſo blos jene allgemeinen Zu-
ſtaͤnde nach ihrer beſondern Natur zu erwaͤgen haben. Daſ-
ſelbe gilt auch bey anderweitigen Krankheiten der Geſchlechts-
organe, als Scirrhus uteri u. ſ. w. Ueberhaupt verſchwin-
den hierbey die Regeln nicht leicht ſo ploͤtzlich, ſondern ver-
lieren ſich nach und nach. Wo hingegen aus dem Zuſam-
mentreffen der erwaͤhnten innern und aͤußern Urſachen dieſe
Funktion allein geſtoͤrt wird, brechen theils oͤrtliche, theils
allgemeine Krankheitszuſtaͤnde bald hervor, deren Charakter,
jenachdem mehr das Gefaͤßſyſtem oder das Nervenſyſtem uͤber-
wiegt, entweder in der Form von Entzuͤndung und Fieber, oder
in der Form der Kraͤmpfe erſcheinen wird. Im erſtern Falle,
und vorzuͤglich nach ſtark und ſchnell wirkenden aͤußern Ur-
ſachen entſtehen daher ſtechende Schmerzen im Uterus, es ent-
wickelt ſich Metritis, es erſcheinen heftige Congeſtionen nach
andern Organen, Fieber verſchiedener Art, und bey anhalten-
der Unterdruͤckung koͤnnen ſich vicariirende Blutfluͤße, Waſſer-
ſuchten, Verbildungen der Geſchlechtsorgane, Gemuͤthskrank-
heiten, Auszehrungen, Bleichſucht u. ſ. w. entwickeln; oder
im Gegentheil bilden ſich krampfhafte Verſchließungen des
Muttermundes, wobey das Blut zwar noch ausgeſchieden,
aber nicht ausgeleert werden kann, dann oft in der Gebaͤr-
mutterhoͤhle ſich coagulirt, ja oft halb und halb organiſche
Bildung annimmt *); oder es tritt eine krampfhafte Verſchlie-
ßung der ausſcheidenden Gefaͤßmuͤndungen ſelbſt ein, das
Blut treibt (vorzuͤglich bey ſchlaffem Habitus und Neigung
zu Venenerweiterungen) die Venen des Fruchthaͤlters auf, und

*) Bey einer Dame, wo wegen laͤngere Zeit unterdruͤckter Menſtrua-
tion bereits Schwangerſchaft vermuthet worden war, ging endlich
eine Maſſe ſolchen geronnenen Blutes ab, welche wegen ihrer ganz
fleiſchartigen Bildung von der Hebamme anfaͤnglich fuͤr den Arm
eines Kindes gehalten wurde.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0173" n="153"/>
denen Ent&#x017F;tehungsarten die&#x017F;es Krankheitszu&#x017F;tandes &#x017F;ehr ver-<lb/>
&#x017F;chieden. Daß na&#x0364;mlich, wo die Men&#x017F;truation in Folge all-<lb/>
gemein ge&#x017F;chwa&#x0364;chter Erna&#x0364;hrung &#x017F;ich verliert (§. 205.) die&#x017F;es<lb/>
Verlieren an und fu&#x0364;r &#x017F;ich betrachtet, eher vortheilhaft als<lb/>
nachtheilig &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, ergiebt &#x017F;ich leicht von &#x017F;elb&#x017F;t, und<lb/>
das Urtheil des Arztes wird al&#x017F;o blos jene allgemeinen Zu-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde nach ihrer be&#x017F;ondern Natur zu erwa&#x0364;gen haben. Da&#x017F;-<lb/>
&#x017F;elbe gilt auch bey anderweitigen Krankheiten der Ge&#x017F;chlechts-<lb/>
organe, als <hi rendition="#aq">Scirrhus uteri</hi> u. &#x017F;. w. Ueberhaupt ver&#x017F;chwin-<lb/>
den hierbey die Regeln nicht leicht &#x017F;o plo&#x0364;tzlich, &#x017F;ondern ver-<lb/>
lieren &#x017F;ich nach und nach. Wo hingegen aus dem Zu&#x017F;am-<lb/>
mentreffen der erwa&#x0364;hnten innern und a&#x0364;ußern Ur&#x017F;achen die&#x017F;e<lb/>
Funktion allein ge&#x017F;to&#x0364;rt wird, brechen theils o&#x0364;rtliche, theils<lb/>
allgemeine Krankheitszu&#x017F;ta&#x0364;nde bald hervor, deren Charakter,<lb/>
jenachdem mehr das Gefa&#x0364;ß&#x017F;y&#x017F;tem oder das Nerven&#x017F;y&#x017F;tem u&#x0364;ber-<lb/>
wiegt, entweder in der Form von Entzu&#x0364;ndung und Fieber, oder<lb/>
in der Form der Kra&#x0364;mpfe er&#x017F;cheinen wird. Im er&#x017F;tern Falle,<lb/>
und vorzu&#x0364;glich nach &#x017F;tark und &#x017F;chnell wirkenden a&#x0364;ußern Ur-<lb/>
&#x017F;achen ent&#x017F;tehen daher &#x017F;techende Schmerzen im Uterus, es ent-<lb/>
wickelt &#x017F;ich Metritis, es er&#x017F;cheinen heftige Conge&#x017F;tionen nach<lb/>
andern Organen, Fieber ver&#x017F;chiedener Art, und bey anhalten-<lb/>
der Unterdru&#x0364;ckung ko&#x0364;nnen &#x017F;ich vicariirende Blutflu&#x0364;ße, Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
&#x017F;uchten, Verbildungen der Ge&#x017F;chlechtsorgane, Gemu&#x0364;thskrank-<lb/>
heiten, Auszehrungen, Bleich&#x017F;ucht u. &#x017F;. w. entwickeln; oder<lb/>
im Gegentheil bilden &#x017F;ich krampfhafte Ver&#x017F;chließungen des<lb/>
Muttermundes, wobey das Blut zwar noch ausge&#x017F;chieden,<lb/>
aber nicht ausgeleert werden kann, dann oft in der Geba&#x0364;r-<lb/>
mutterho&#x0364;hle &#x017F;ich coagulirt, ja oft halb und halb organi&#x017F;che<lb/>
Bildung annimmt <note place="foot" n="*)">Bey einer Dame, wo wegen la&#x0364;ngere Zeit unterdru&#x0364;ckter Men&#x017F;trua-<lb/>
tion bereits Schwanger&#x017F;chaft vermuthet worden war, ging endlich<lb/>
eine Ma&#x017F;&#x017F;e &#x017F;olchen geronnenen Blutes ab, welche wegen ihrer ganz<lb/>
flei&#x017F;chartigen Bildung von der Hebamme anfa&#x0364;nglich fu&#x0364;r den Arm<lb/>
eines Kindes gehalten wurde.</note>; oder es tritt eine krampfhafte Ver&#x017F;chlie-<lb/>
ßung der aus&#x017F;cheidenden Gefa&#x0364;ßmu&#x0364;ndungen &#x017F;elb&#x017F;t ein, das<lb/>
Blut treibt (vorzu&#x0364;glich bey &#x017F;chlaffem Habitus und Neigung<lb/>
zu Venenerweiterungen) die Venen des Fruchtha&#x0364;lters auf, und<lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0173] denen Entſtehungsarten dieſes Krankheitszuſtandes ſehr ver- ſchieden. Daß naͤmlich, wo die Menſtruation in Folge all- gemein geſchwaͤchter Ernaͤhrung ſich verliert (§. 205.) dieſes Verlieren an und fuͤr ſich betrachtet, eher vortheilhaft als nachtheilig ſeyn muͤſſe, ergiebt ſich leicht von ſelbſt, und das Urtheil des Arztes wird alſo blos jene allgemeinen Zu- ſtaͤnde nach ihrer beſondern Natur zu erwaͤgen haben. Daſ- ſelbe gilt auch bey anderweitigen Krankheiten der Geſchlechts- organe, als Scirrhus uteri u. ſ. w. Ueberhaupt verſchwin- den hierbey die Regeln nicht leicht ſo ploͤtzlich, ſondern ver- lieren ſich nach und nach. Wo hingegen aus dem Zuſam- mentreffen der erwaͤhnten innern und aͤußern Urſachen dieſe Funktion allein geſtoͤrt wird, brechen theils oͤrtliche, theils allgemeine Krankheitszuſtaͤnde bald hervor, deren Charakter, jenachdem mehr das Gefaͤßſyſtem oder das Nervenſyſtem uͤber- wiegt, entweder in der Form von Entzuͤndung und Fieber, oder in der Form der Kraͤmpfe erſcheinen wird. Im erſtern Falle, und vorzuͤglich nach ſtark und ſchnell wirkenden aͤußern Ur- ſachen entſtehen daher ſtechende Schmerzen im Uterus, es ent- wickelt ſich Metritis, es erſcheinen heftige Congeſtionen nach andern Organen, Fieber verſchiedener Art, und bey anhalten- der Unterdruͤckung koͤnnen ſich vicariirende Blutfluͤße, Waſſer- ſuchten, Verbildungen der Geſchlechtsorgane, Gemuͤthskrank- heiten, Auszehrungen, Bleichſucht u. ſ. w. entwickeln; oder im Gegentheil bilden ſich krampfhafte Verſchließungen des Muttermundes, wobey das Blut zwar noch ausgeſchieden, aber nicht ausgeleert werden kann, dann oft in der Gebaͤr- mutterhoͤhle ſich coagulirt, ja oft halb und halb organiſche Bildung annimmt *); oder es tritt eine krampfhafte Verſchlie- ßung der ausſcheidenden Gefaͤßmuͤndungen ſelbſt ein, das Blut treibt (vorzuͤglich bey ſchlaffem Habitus und Neigung zu Venenerweiterungen) die Venen des Fruchthaͤlters auf, und *) Bey einer Dame, wo wegen laͤngere Zeit unterdruͤckter Menſtrua- tion bereits Schwangerſchaft vermuthet worden war, ging endlich eine Maſſe ſolchen geronnenen Blutes ab, welche wegen ihrer ganz fleiſchartigen Bildung von der Hebamme anfaͤnglich fuͤr den Arm eines Kindes gehalten wurde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/173
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/173>, abgerufen am 25.11.2024.