Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

Bild:
<< vorherige Seite

der regelmäßige Blutlauf in den Unterleibsorganen gestört
wird, wohin scrofulöse Zustände, Krankheiten des Pfortader-
systems, Obsiruktionen und Auftreibungen einzelner Einge-
weide gerechnet werden müssen.

§. 195.

Aeußere veranlassende Ursachen sind 1) eine
zu reichlich nährende Diät von vielen Fleischspeisen, starken
Bieren, vorzüglich bey sitzender Lebensweise, wobey ohne die
Ernährung der organischen Gebilde kräftig zu fördern, nur
die Masse des Blutes vermehrt wird, sich dann vorzüglich
in den Venen (den eigentlichen Reservoirs der Blutmasse)
anhäuft, und daher nun, so wie mancherley andere Blut-
flüße auch die zu reichliche Menstruation erzeugt. 2) Aeußere
Einflüße, welche durch Erregung der Nerven der Sexual-
organe den stärkern Blutandrang nach denselben veranlassen,
wohin a) psychische Reitze gehören, als häufiger Umgang mit
dem andern Geschlecht, Romanenleserey und schlüpfrige Phan-
tasien; b) eigentliche Geschlechtsreitze, durch vielfache Aus-
schweifungen; c) Reitzungen der Geschlechtsorgane durch er-
hitzende Bewegungen, z. B. Tanzen, oder erhitzende, gewürzte
oder spirituöse Speisen und Getränke; d) Mißbrauch erhitzen-
der diätetischer und arzneylicher Mittel, innerlich oder äu-
ßerlich (als Injektionen, sehr warme reitzende Bäder, Dampf-
bäder, Kohlentöpfe u. s. w.) angewendet; e) endlich die Stim-
mung der Atmosphäre, nämlich sehr heiße Temperatur, trockne
Kälte, Frühlings- und Herbstzeit. 3) Gehören hierher äu-
ßere, den regelmäßigen Blutlauf der Unterleibsorgane be-
schränkende Einwirkungen, namentlich zu fest anliegende Klei-
der, Einschnüren des Leibes u. s. w.

§. 196.

Es ist ferner von dem Gange, welchen dieser krank-
hafte Zustand nimmt, von den für das allgemeine Befinden
zu befürchtenden Folgen und der hieraus sich ergebenden
Prognose zu sprechen, wobey denn leicht zu erkennen seyn
wird, daß alles dieses nach der verschiedenen Entstehung und
Begründung des Uebels verschieden seyn müsse. Man findet

I. Theil. 10

der regelmaͤßige Blutlauf in den Unterleibsorganen geſtoͤrt
wird, wohin ſcrofuloͤſe Zuſtaͤnde, Krankheiten des Pfortader-
ſyſtems, Obſiruktionen und Auftreibungen einzelner Einge-
weide gerechnet werden muͤſſen.

§. 195.

Aeußere veranlaſſende Urſachen ſind 1) eine
zu reichlich naͤhrende Diaͤt von vielen Fleiſchſpeiſen, ſtarken
Bieren, vorzuͤglich bey ſitzender Lebensweiſe, wobey ohne die
Ernaͤhrung der organiſchen Gebilde kraͤftig zu foͤrdern, nur
die Maſſe des Blutes vermehrt wird, ſich dann vorzuͤglich
in den Venen (den eigentlichen Reſervoirs der Blutmaſſe)
anhaͤuft, und daher nun, ſo wie mancherley andere Blut-
fluͤße auch die zu reichliche Menſtruation erzeugt. 2) Aeußere
Einfluͤße, welche durch Erregung der Nerven der Sexual-
organe den ſtaͤrkern Blutandrang nach denſelben veranlaſſen,
wohin a) pſychiſche Reitze gehoͤren, als haͤufiger Umgang mit
dem andern Geſchlecht, Romanenleſerey und ſchluͤpfrige Phan-
taſien; b) eigentliche Geſchlechtsreitze, durch vielfache Aus-
ſchweifungen; c) Reitzungen der Geſchlechtsorgane durch er-
hitzende Bewegungen, z. B. Tanzen, oder erhitzende, gewuͤrzte
oder ſpirituoͤſe Speiſen und Getraͤnke; d) Mißbrauch erhitzen-
der diaͤtetiſcher und arzneylicher Mittel, innerlich oder aͤu-
ßerlich (als Injektionen, ſehr warme reitzende Baͤder, Dampf-
baͤder, Kohlentoͤpfe u. ſ. w.) angewendet; e) endlich die Stim-
mung der Atmosphaͤre, naͤmlich ſehr heiße Temperatur, trockne
Kaͤlte, Fruͤhlings- und Herbſtzeit. 3) Gehoͤren hierher aͤu-
ßere, den regelmaͤßigen Blutlauf der Unterleibsorgane be-
ſchraͤnkende Einwirkungen, namentlich zu feſt anliegende Klei-
der, Einſchnuͤren des Leibes u. ſ. w.

§. 196.

Es iſt ferner von dem Gange, welchen dieſer krank-
hafte Zuſtand nimmt, von den fuͤr das allgemeine Befinden
zu befuͤrchtenden Folgen und der hieraus ſich ergebenden
Prognoſe zu ſprechen, wobey denn leicht zu erkennen ſeyn
wird, daß alles dieſes nach der verſchiedenen Entſtehung und
Begruͤndung des Uebels verſchieden ſeyn muͤſſe. Man findet

I. Theil. 10
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <div n="9">
                        <p><pb facs="#f0165" n="145"/>
der regelma&#x0364;ßige Blutlauf in den Unterleibsorganen ge&#x017F;to&#x0364;rt<lb/>
wird, wohin &#x017F;crofulo&#x0364;&#x017F;e Zu&#x017F;ta&#x0364;nde, Krankheiten des Pfortader-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tems, Ob&#x017F;iruktionen und Auftreibungen einzelner Einge-<lb/>
weide gerechnet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 195.</head><lb/>
                        <p><hi rendition="#g">Aeußere veranla&#x017F;&#x017F;ende Ur&#x017F;achen</hi> &#x017F;ind 1) eine<lb/>
zu reichlich na&#x0364;hrende Dia&#x0364;t von vielen Flei&#x017F;ch&#x017F;pei&#x017F;en, &#x017F;tarken<lb/>
Bieren, vorzu&#x0364;glich bey &#x017F;itzender Lebenswei&#x017F;e, wobey ohne die<lb/>
Erna&#x0364;hrung der organi&#x017F;chen Gebilde kra&#x0364;ftig zu fo&#x0364;rdern, nur<lb/>
die Ma&#x017F;&#x017F;e des Blutes vermehrt wird, &#x017F;ich dann vorzu&#x0364;glich<lb/>
in den Venen (den eigentlichen Re&#x017F;ervoirs der Blutma&#x017F;&#x017F;e)<lb/>
anha&#x0364;uft, und daher nun, &#x017F;o wie mancherley andere Blut-<lb/>
flu&#x0364;ße auch die zu reichliche Men&#x017F;truation erzeugt. 2) Aeußere<lb/>
Einflu&#x0364;ße, welche durch Erregung der Nerven der Sexual-<lb/>
organe den &#x017F;ta&#x0364;rkern Blutandrang nach den&#x017F;elben veranla&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
wohin <hi rendition="#aq">a)</hi> p&#x017F;ychi&#x017F;che Reitze geho&#x0364;ren, als ha&#x0364;ufiger Umgang mit<lb/>
dem andern Ge&#x017F;chlecht, Romanenle&#x017F;erey und &#x017F;chlu&#x0364;pfrige Phan-<lb/>
ta&#x017F;ien; <hi rendition="#aq">b)</hi> eigentliche Ge&#x017F;chlechtsreitze, durch vielfache Aus-<lb/>
&#x017F;chweifungen; <hi rendition="#aq">c)</hi> Reitzungen der Ge&#x017F;chlechtsorgane durch er-<lb/>
hitzende Bewegungen, z. B. Tanzen, oder erhitzende, gewu&#x0364;rzte<lb/>
oder &#x017F;pirituo&#x0364;&#x017F;e Spei&#x017F;en und Getra&#x0364;nke; <hi rendition="#aq">d)</hi> Mißbrauch erhitzen-<lb/>
der dia&#x0364;teti&#x017F;cher und arzneylicher Mittel, innerlich oder a&#x0364;u-<lb/>
ßerlich (als Injektionen, &#x017F;ehr warme reitzende Ba&#x0364;der, Dampf-<lb/>
ba&#x0364;der, Kohlento&#x0364;pfe u. &#x017F;. w.) angewendet; <hi rendition="#aq">e)</hi> endlich die Stim-<lb/>
mung der Atmospha&#x0364;re, na&#x0364;mlich &#x017F;ehr heiße Temperatur, trockne<lb/>
Ka&#x0364;lte, Fru&#x0364;hlings- und Herb&#x017F;tzeit. 3) Geho&#x0364;ren hierher a&#x0364;u-<lb/>
ßere, den regelma&#x0364;ßigen Blutlauf der Unterleibsorgane be-<lb/>
&#x017F;chra&#x0364;nkende Einwirkungen, namentlich zu fe&#x017F;t anliegende Klei-<lb/>
der, Ein&#x017F;chnu&#x0364;ren des Leibes u. &#x017F;. w.</p>
                      </div><lb/>
                      <div n="9">
                        <head>§. 196.</head><lb/>
                        <p>Es i&#x017F;t ferner von dem <hi rendition="#g">Gange</hi>, welchen die&#x017F;er krank-<lb/>
hafte Zu&#x017F;tand nimmt, von den fu&#x0364;r das allgemeine Befinden<lb/>
zu befu&#x0364;rchtenden <hi rendition="#g">Folgen</hi> und der hieraus &#x017F;ich ergebenden<lb/><hi rendition="#g">Progno&#x017F;e</hi> zu &#x017F;prechen, wobey denn leicht zu erkennen &#x017F;eyn<lb/>
wird, daß alles die&#x017F;es nach der ver&#x017F;chiedenen Ent&#x017F;tehung und<lb/>
Begru&#x0364;ndung des Uebels ver&#x017F;chieden &#x017F;eyn mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e. Man findet<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">I.</hi> Theil. 10</fw><lb/></p>
                      </div>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0165] der regelmaͤßige Blutlauf in den Unterleibsorganen geſtoͤrt wird, wohin ſcrofuloͤſe Zuſtaͤnde, Krankheiten des Pfortader- ſyſtems, Obſiruktionen und Auftreibungen einzelner Einge- weide gerechnet werden muͤſſen. §. 195. Aeußere veranlaſſende Urſachen ſind 1) eine zu reichlich naͤhrende Diaͤt von vielen Fleiſchſpeiſen, ſtarken Bieren, vorzuͤglich bey ſitzender Lebensweiſe, wobey ohne die Ernaͤhrung der organiſchen Gebilde kraͤftig zu foͤrdern, nur die Maſſe des Blutes vermehrt wird, ſich dann vorzuͤglich in den Venen (den eigentlichen Reſervoirs der Blutmaſſe) anhaͤuft, und daher nun, ſo wie mancherley andere Blut- fluͤße auch die zu reichliche Menſtruation erzeugt. 2) Aeußere Einfluͤße, welche durch Erregung der Nerven der Sexual- organe den ſtaͤrkern Blutandrang nach denſelben veranlaſſen, wohin a) pſychiſche Reitze gehoͤren, als haͤufiger Umgang mit dem andern Geſchlecht, Romanenleſerey und ſchluͤpfrige Phan- taſien; b) eigentliche Geſchlechtsreitze, durch vielfache Aus- ſchweifungen; c) Reitzungen der Geſchlechtsorgane durch er- hitzende Bewegungen, z. B. Tanzen, oder erhitzende, gewuͤrzte oder ſpirituoͤſe Speiſen und Getraͤnke; d) Mißbrauch erhitzen- der diaͤtetiſcher und arzneylicher Mittel, innerlich oder aͤu- ßerlich (als Injektionen, ſehr warme reitzende Baͤder, Dampf- baͤder, Kohlentoͤpfe u. ſ. w.) angewendet; e) endlich die Stim- mung der Atmosphaͤre, naͤmlich ſehr heiße Temperatur, trockne Kaͤlte, Fruͤhlings- und Herbſtzeit. 3) Gehoͤren hierher aͤu- ßere, den regelmaͤßigen Blutlauf der Unterleibsorgane be- ſchraͤnkende Einwirkungen, namentlich zu feſt anliegende Klei- der, Einſchnuͤren des Leibes u. ſ. w. §. 196. Es iſt ferner von dem Gange, welchen dieſer krank- hafte Zuſtand nimmt, von den fuͤr das allgemeine Befinden zu befuͤrchtenden Folgen und der hieraus ſich ergebenden Prognoſe zu ſprechen, wobey denn leicht zu erkennen ſeyn wird, daß alles dieſes nach der verſchiedenen Entſtehung und Begruͤndung des Uebels verſchieden ſeyn muͤſſe. Man findet I. Theil. 10

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/165
Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/165>, abgerufen am 22.12.2024.