2) Gehört zu diesen Ursachen Störung der Re- produktion entweder in Folge anderer Krankheiten, oder in Folge der Lebensweise. -- Was das erstere betrifft, so- ist sehr wohl abzusehen, wie das Eintreten irgend einer Krankheit, z. B. eines Fiebers, in wiefern dadurch eine pathologische Revolution veranlaßt wird, die physiologische Revolution bey Entwicklung der Menstrualfunktion hemmen müsse, und eben so klar ist es, daß allgemeine chronische Krankheiten, ja selbst der nach acuten oder chronischen Krankheiten zurückbleibende Schwächezustand dieser Entwick- lung hinderlich seyn müsse. Allein in allen diesen Fällen wird die Verzögerung der Menstruation an und für sich sel- ten als Krankheit empfunden, indem der Organismus, wo selbst die individuelle Reproduktion unvollkommen ist, nicht das Bedürfniß der Reproduktion der Gattung empfinden kann, und nicht jenen Ueberfluß, welcher die Bedingung der Menstruation ist, erzeugt. Nur wo daher Mißverhält- nisse in der Reproduktion der einzelnen organischen Systeme Statt finden, wo bey allgemeiner schon kräftiger gewordener Ernährung die Ernährung der Geschlechtsorgane und nament- lich des Uterus selbst noch unvollkommen bleibt, welches am häufigsten bey scrofulösen Individuen, bey Auftreibungen ein- zelner Unterleibsorgane (etwa nach intermittirenden Fiebern) oder krankhafter Erregung anderer Gebilde, z. B. äußerlichen Geschwüren, Wurm- oder Hautkrankheiten u. s. w. vorkommt, erscheinen die Molimina ad Menstruationem, werden hef- tiger, geben zu Entstehung von Geisteskrankheiten, zu den sonderbarsten Umstimmungen des Nervenlebens (welche durch Idiosynkrasien, Krämpfe, Epilepsie, Veitstanz, Somnam- bulismus sich äußern), zu Congestionen nach andern Gebil- den, Blutflüßen, Schleimflüßen, Auftreibungen und Verbil- dungen einzelner Organe Veranlassung, und indem oft so die allgemeine Reproduktion in ihrer ursprünglich auf erhöhtes Geschlechtsleben gerichteten Thätigkeit gehindert wird, sinkt auch sie selbst, die Verdauung wird schwach, Obstruktionen oder Diarrhöen finden sich ein, die Blutbereitung wird un- vollkommen, es entwickelt sich Bleichsucht, in Folge der
§. 155.
2) Gehoͤrt zu dieſen Urſachen Stoͤrung der Re- produktion entweder in Folge anderer Krankheiten, oder in Folge der Lebensweiſe. — Was das erſtere betrifft, ſo- iſt ſehr wohl abzuſehen, wie das Eintreten irgend einer Krankheit, z. B. eines Fiebers, in wiefern dadurch eine pathologiſche Revolution veranlaßt wird, die phyſiologiſche Revolution bey Entwicklung der Menſtrualfunktion hemmen muͤſſe, und eben ſo klar iſt es, daß allgemeine chroniſche Krankheiten, ja ſelbſt der nach acuten oder chroniſchen Krankheiten zuruͤckbleibende Schwaͤchezuſtand dieſer Entwick- lung hinderlich ſeyn muͤſſe. Allein in allen dieſen Faͤllen wird die Verzoͤgerung der Menſtruation an und fuͤr ſich ſel- ten als Krankheit empfunden, indem der Organismus, wo ſelbſt die individuelle Reproduktion unvollkommen iſt, nicht das Beduͤrfniß der Reproduktion der Gattung empfinden kann, und nicht jenen Ueberfluß, welcher die Bedingung der Menſtruation iſt, erzeugt. Nur wo daher Mißverhaͤlt- niſſe in der Reproduktion der einzelnen organiſchen Syſteme Statt finden, wo bey allgemeiner ſchon kraͤftiger gewordener Ernaͤhrung die Ernaͤhrung der Geſchlechtsorgane und nament- lich des Uterus ſelbſt noch unvollkommen bleibt, welches am haͤufigſten bey ſcrofuloͤſen Individuen, bey Auftreibungen ein- zelner Unterleibsorgane (etwa nach intermittirenden Fiebern) oder krankhafter Erregung anderer Gebilde, z. B. aͤußerlichen Geſchwuͤren, Wurm- oder Hautkrankheiten u. ſ. w. vorkommt, erſcheinen die Molimina ad Menstruationem, werden hef- tiger, geben zu Entſtehung von Geiſteskrankheiten, zu den ſonderbarſten Umſtimmungen des Nervenlebens (welche durch Idioſynkraſien, Kraͤmpfe, Epilepſie, Veitstanz, Somnam- bulismus ſich aͤußern), zu Congeſtionen nach andern Gebil- den, Blutfluͤßen, Schleimfluͤßen, Auftreibungen und Verbil- dungen einzelner Organe Veranlaſſung, und indem oft ſo die allgemeine Reproduktion in ihrer urſpruͤnglich auf erhoͤhtes Geſchlechtsleben gerichteten Thaͤtigkeit gehindert wird, ſinkt auch ſie ſelbſt, die Verdauung wird ſchwach, Obſtruktionen oder Diarrhoͤen finden ſich ein, die Blutbereitung wird un- vollkommen, es entwickelt ſich Bleichſucht, in Folge der
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§. 155.
2) Gehoͤrt zu dieſen Urſachen Stoͤrung der Re-
produktion entweder in Folge anderer Krankheiten, oder
in Folge der Lebensweiſe. — Was das erſtere betrifft, ſo-
iſt ſehr wohl abzuſehen, wie das Eintreten irgend einer
Krankheit, z. B. eines Fiebers, in wiefern dadurch eine
pathologiſche Revolution veranlaßt wird, die phyſiologiſche
Revolution bey Entwicklung der Menſtrualfunktion hemmen
muͤſſe, und eben ſo klar iſt es, daß allgemeine chroniſche
Krankheiten, ja ſelbſt der nach acuten oder chroniſchen
Krankheiten zuruͤckbleibende Schwaͤchezuſtand dieſer Entwick-
lung hinderlich ſeyn muͤſſe. Allein in allen dieſen Faͤllen
wird die Verzoͤgerung der Menſtruation an und fuͤr ſich ſel-
ten als Krankheit empfunden, indem der Organismus, wo
ſelbſt die individuelle Reproduktion unvollkommen iſt, nicht
das Beduͤrfniß der Reproduktion der Gattung empfinden
kann, und nicht jenen Ueberfluß, welcher die Bedingung
der Menſtruation iſt, erzeugt. Nur wo daher Mißverhaͤlt-
niſſe in der Reproduktion der einzelnen organiſchen Syſteme
Statt finden, wo bey allgemeiner ſchon kraͤftiger gewordener
Ernaͤhrung die Ernaͤhrung der Geſchlechtsorgane und nament-
lich des Uterus ſelbſt noch unvollkommen bleibt, welches am
haͤufigſten bey ſcrofuloͤſen Individuen, bey Auftreibungen ein-
zelner Unterleibsorgane (etwa nach intermittirenden Fiebern)
oder krankhafter Erregung anderer Gebilde, z. B. aͤußerlichen
Geſchwuͤren, Wurm- oder Hautkrankheiten u. ſ. w. vorkommt,
erſcheinen die Molimina ad Menstruationem, werden hef-
tiger, geben zu Entſtehung von Geiſteskrankheiten, zu den
ſonderbarſten Umſtimmungen des Nervenlebens (welche durch
Idioſynkraſien, Kraͤmpfe, Epilepſie, Veitstanz, Somnam-
bulismus ſich aͤußern), zu Congeſtionen nach andern Gebil-
den, Blutfluͤßen, Schleimfluͤßen, Auftreibungen und Verbil-
dungen einzelner Organe Veranlaſſung, und indem oft ſo die
allgemeine Reproduktion in ihrer urſpruͤnglich auf erhoͤhtes
Geſchlechtsleben gerichteten Thaͤtigkeit gehindert wird, ſinkt
auch ſie ſelbſt, die Verdauung wird ſchwach, Obſtruktionen
oder Diarrhoͤen finden ſich ein, die Blutbereitung wird un-
vollkommen, es entwickelt ſich Bleichſucht, in Folge der
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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/137>, abgerufen am 23.11.2024.
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