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Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820.

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wenn auch nicht völlig die gewöhnliche Körpergröße, doch
ein beträchtliches Alter erreichten (eben so wie manche Thiere
auch nach der entwickelten Geschlechtsfunktion immer fortwach-
sen, z. B. die Fische). Die Erkenntniß dieser Ursache
ergiebt sich theils aus der Abwesenheit der andern, z. B. der
fehlerhaften Lebensweise, theils aus den weit geringern oder
ganz fehlenden sonstigen Krankheitssymptomen. -- Die zweite
Ursache anbelangend, welche wir in andern die zu zeitige
Pubertätsentwicklung als secundären Zustand herbeyführenden
Krankheiten vorfanden, so gehören unter dieselbe ganz vor-
züglich die Scrofelkrankheit und die in Folge von Entzün-
dung u. s. w. entstandenen Verbildungen der Unterleibsorgane,
als bey welchen in Folge von Störung der Blutbewegung im
Pfortadersystem Congestionen nach den Hämorrhoidal- oder
Uteringefäßen so häufig bemerkt werden. -- Die Erkennt-
niß dieser
Ursache geht hervor aus den Zeichen jener Krank-
heiten. Kinder mit aufgetriebenem Leibe, äußerlich ange-
schwollenen Drüsen, bleicher Farbe, gedunsenem Gesicht, mit
Neigung zu Verstopfung, unnatürlichem Appetit, mit Wür-
mern behaftet (deren Reitz auf den Darmkanal oft consensuell
zu Erregung des Geschlechtssystems viel beytragen kann) sind
es vorzüglich, bey denen die unzeitige Pubertätsentwicklung
als secundäre Krankheit vorkommt. Als dritte Ursache endlich
führten wir die Lebensweise auf, und es sind vorzüglich phy-
sisch ein zu häufiger Genuß erhitzender, stark gewürzter oder
geistiger Speisen und Getränke bey sitzendem Stubenleben,
Schlafen in zu warmen Betten, so wie Reitzungen der Ge-
schlechtsorgane durch Onanie, psychisch ein schlüpfriger Umgang
und zeitige Romaneulektüre. Begünstigt wird übrigens die
Einwirkung dieser Ursachen durch eine reitzbare schwächliche
Constitution, und erkannt wird dieselbe theils durch die Ab-
wesenheit der unter den vorher erörterten Ursachen aufgeführ-
ten Zeichen, theils durch Untersuchung der äußern Lebensver-
hältnisse selbst, bey Berücksichtigung der disponirenden Con-
stitution. Zu bemerken ist indeß, daß sehr wohl mehrere der
bisher erwähnten Ursachen zugleich einwirken können und wirk-
lich einwirken, z. B. scrofulöse Constitution und zeitige ge-
schlechtliche Ausschweifungen.


wenn auch nicht voͤllig die gewoͤhnliche Koͤrpergroͤße, doch
ein betraͤchtliches Alter erreichten (eben ſo wie manche Thiere
auch nach der entwickelten Geſchlechtsfunktion immer fortwach-
ſen, z. B. die Fiſche). Die Erkenntniß dieſer Urſache
ergiebt ſich theils aus der Abweſenheit der andern, z. B. der
fehlerhaften Lebensweiſe, theils aus den weit geringern oder
ganz fehlenden ſonſtigen Krankheitsſymptomen. — Die zweite
Urſache anbelangend, welche wir in andern die zu zeitige
Pubertaͤtsentwicklung als ſecundaͤren Zuſtand herbeyfuͤhrenden
Krankheiten vorfanden, ſo gehoͤren unter dieſelbe ganz vor-
zuͤglich die Scrofelkrankheit und die in Folge von Entzuͤn-
dung u. ſ. w. entſtandenen Verbildungen der Unterleibsorgane,
als bey welchen in Folge von Stoͤrung der Blutbewegung im
Pfortaderſyſtem Congeſtionen nach den Haͤmorrhoidal- oder
Uteringefaͤßen ſo haͤufig bemerkt werden. — Die Erkennt-
niß dieſer
Urſache geht hervor aus den Zeichen jener Krank-
heiten. Kinder mit aufgetriebenem Leibe, aͤußerlich ange-
ſchwollenen Druͤſen, bleicher Farbe, gedunſenem Geſicht, mit
Neigung zu Verſtopfung, unnatuͤrlichem Appetit, mit Wuͤr-
mern behaftet (deren Reitz auf den Darmkanal oft conſenſuell
zu Erregung des Geſchlechtsſyſtems viel beytragen kann) ſind
es vorzuͤglich, bey denen die unzeitige Pubertaͤtsentwicklung
als ſecundaͤre Krankheit vorkommt. Als dritte Urſache endlich
fuͤhrten wir die Lebensweiſe auf, und es ſind vorzuͤglich phy-
ſiſch ein zu haͤufiger Genuß erhitzender, ſtark gewuͤrzter oder
geiſtiger Speiſen und Getraͤnke bey ſitzendem Stubenleben,
Schlafen in zu warmen Betten, ſo wie Reitzungen der Ge-
ſchlechtsorgane durch Onanie, pſychiſch ein ſchluͤpfriger Umgang
und zeitige Romaneulektuͤre. Beguͤnſtigt wird uͤbrigens die
Einwirkung dieſer Urſachen durch eine reitzbare ſchwaͤchliche
Conſtitution, und erkannt wird dieſelbe theils durch die Ab-
weſenheit der unter den vorher eroͤrterten Urſachen aufgefuͤhr-
ten Zeichen, theils durch Unterſuchung der aͤußern Lebensver-
haͤltniſſe ſelbſt, bey Beruͤckſichtigung der disponirenden Con-
ſtitution. Zu bemerken iſt indeß, daß ſehr wohl mehrere der
bisher erwaͤhnten Urſachen zugleich einwirken koͤnnen und wirk-
lich einwirken, z. B. ſcrofuloͤſe Conſtitution und zeitige ge-
ſchlechtliche Ausſchweifungen.


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[108/0128] wenn auch nicht voͤllig die gewoͤhnliche Koͤrpergroͤße, doch ein betraͤchtliches Alter erreichten (eben ſo wie manche Thiere auch nach der entwickelten Geſchlechtsfunktion immer fortwach- ſen, z. B. die Fiſche). Die Erkenntniß dieſer Urſache ergiebt ſich theils aus der Abweſenheit der andern, z. B. der fehlerhaften Lebensweiſe, theils aus den weit geringern oder ganz fehlenden ſonſtigen Krankheitsſymptomen. — Die zweite Urſache anbelangend, welche wir in andern die zu zeitige Pubertaͤtsentwicklung als ſecundaͤren Zuſtand herbeyfuͤhrenden Krankheiten vorfanden, ſo gehoͤren unter dieſelbe ganz vor- zuͤglich die Scrofelkrankheit und die in Folge von Entzuͤn- dung u. ſ. w. entſtandenen Verbildungen der Unterleibsorgane, als bey welchen in Folge von Stoͤrung der Blutbewegung im Pfortaderſyſtem Congeſtionen nach den Haͤmorrhoidal- oder Uteringefaͤßen ſo haͤufig bemerkt werden. — Die Erkennt- niß dieſer Urſache geht hervor aus den Zeichen jener Krank- heiten. Kinder mit aufgetriebenem Leibe, aͤußerlich ange- ſchwollenen Druͤſen, bleicher Farbe, gedunſenem Geſicht, mit Neigung zu Verſtopfung, unnatuͤrlichem Appetit, mit Wuͤr- mern behaftet (deren Reitz auf den Darmkanal oft conſenſuell zu Erregung des Geſchlechtsſyſtems viel beytragen kann) ſind es vorzuͤglich, bey denen die unzeitige Pubertaͤtsentwicklung als ſecundaͤre Krankheit vorkommt. Als dritte Urſache endlich fuͤhrten wir die Lebensweiſe auf, und es ſind vorzuͤglich phy- ſiſch ein zu haͤufiger Genuß erhitzender, ſtark gewuͤrzter oder geiſtiger Speiſen und Getraͤnke bey ſitzendem Stubenleben, Schlafen in zu warmen Betten, ſo wie Reitzungen der Ge- ſchlechtsorgane durch Onanie, pſychiſch ein ſchluͤpfriger Umgang und zeitige Romaneulektuͤre. Beguͤnſtigt wird uͤbrigens die Einwirkung dieſer Urſachen durch eine reitzbare ſchwaͤchliche Conſtitution, und erkannt wird dieſelbe theils durch die Ab- weſenheit der unter den vorher eroͤrterten Urſachen aufgefuͤhr- ten Zeichen, theils durch Unterſuchung der aͤußern Lebensver- haͤltniſſe ſelbſt, bey Beruͤckſichtigung der disponirenden Con- ſtitution. Zu bemerken iſt indeß, daß ſehr wohl mehrere der bisher erwaͤhnten Urſachen zugleich einwirken koͤnnen und wirk- lich einwirken, z. B. ſcrofuloͤſe Conſtitution und zeitige ge- ſchlechtliche Ausſchweifungen.

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Zitationshilfe: Carus, Carl Gustav: Lehrbuch der Gynäkologie. Bd. 1. Leipzig, 1820, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_gynaekologie01_1820/128>, abgerufen am 24.11.2024.