Nachher befand sich derselbe, auf Befehl des obersten Weßirs, bey der1697 Schlacht von Senta. Weil er aber nur ein Freywilliger war; so war er nicht mit in dem Treffen; nahm aber mit den Türken die Flucht, und kam mit dem Ueberreste des Heeres nach Constantinopel zurück.
Brankowan, der seine Feindschaft gegen dieses Geschlecht fortsetzte, ver- folgte die zweene Brüder aus seinen äußersten Kräften. Demetrie hatte seinen Haß angeflammet, weil derselbe bey allen Bedienten am Hofe in großem Anse- hen stunde. Er hatte sich nicht allein der türkischen, sondern auch der arabischen und persischen Sprache bemächtiget; und seine Leutseligkeit und muntere Ge- müthsart machte, daß er den besten Gesellschaften in der kaiserlichen Hauptstadt zum Vergnügen dienete. Weil daher Brankowan glaubte, daß Demetrie die einzige Person sey, die er als seinen Nebenbuhler zu fürchten habe: so sparete er weder Mühe noch Geld, um zuwege zu bringen, daß er vom Hofe weggeschaf- fet würde; und erhielte auch endlich durch eine große Summe Geldes, wiewol vergebens, die Verweisung seines Feindes. Denn Demetrie, der davon Nach- richt bekam, verbarg sich in dem Hause eines Paschas, der nicht allein ihn nebst seinem ganzen Hause vierzig Tage lang mit vieler Höflichkeit unterhielte; sondern auch die Widerrufung des Urtheils auswirkte, und ihm Gelegenheit verschaffete, mit mehrerem Glanze, als iemals, bey Hofe zu erscheinen. Dieses war für Brankowan ein empfindlicher Schmerz; und er hatte auch gewisser- maßen Ursache, also zu handeln: denn Demetrie wünschete so sehnlich, zu dem Fürstenthume Walachey zu gelangen, daß er das von Moldau zweymal aus- schluge; iedoch wurde dasselbe beydemale, auf seine Empfehlung, seinem Bruder Antiochus verliehen.
Als sein Bruder das erstemal dahin reisete, um von seinem Fürstenthume1700 Besitz zu nehmen: so begleitete ihn Demetrie, und vermälete sich damals mit Kassandra, einer Tochter Serban Kantakuzenus, der Fürst in der Walachey gewesen war. Aus dieser Ehe wurde Demetrie in Moldau eine Tochter geboren. Kurz hierauf war er genöthiget, dieses Land zu verlassen, und mit seinem Bru- der, der abgesetzet wurde, nach Constantinopel zurück zu kehren; da derselbe ein Vater von noch vier Töchtern und vier Söhnen wurde.
Während der Zeit, da Demetrie zu Constantinopel wohnhaft war, ließ derselbe, weil er nichts wichtigeres zu thun hatte, sein Geschäffte seyn, sein Haus zu bauen, und sich eine Erkenntniß von den Gewohnheiten und Gebräuchen des Landes zuwege zu bringen. Hiezu hatte er auch viele Jahre lang Muße; denn er reisete nicht eher von Constantinopel ab, als im Jahre 1710, da der Zar1710 von Rußland, Peter der Große, den Unglaubigen den Krieg ankündigte.
Als
5 O 2
Demetrie Kantemirs
Nachher befand ſich derſelbe, auf Befehl des oberſten Weßirs, bey der1697 Schlacht von Senta. Weil er aber nur ein Freywilliger war; ſo war er nicht mit in dem Treffen; nahm aber mit den Tuͤrken die Flucht, und kam mit dem Ueberreſte des Heeres nach Conſtantinopel zuruͤck.
Brankowan, der ſeine Feindſchaft gegen dieſes Geſchlecht fortſetzte, ver- folgte die zweene Bruͤder aus ſeinen aͤußerſten Kraͤften. Demetrie hatte ſeinen Haß angeflammet, weil derſelbe bey allen Bedienten am Hofe in großem Anſe- hen ſtunde. Er hatte ſich nicht allein der tuͤrkiſchen, ſondern auch der arabiſchen und perſiſchen Sprache bemaͤchtiget; und ſeine Leutſeligkeit und muntere Ge- muͤthsart machte, daß er den beſten Geſellſchaften in der kaiſerlichen Hauptſtadt zum Vergnuͤgen dienete. Weil daher Brankowan glaubte, daß Demetrie die einzige Perſon ſey, die er als ſeinen Nebenbuhler zu fuͤrchten habe: ſo ſparete er weder Muͤhe noch Geld, um zuwege zu bringen, daß er vom Hofe weggeſchaf- fet wuͤrde; und erhielte auch endlich durch eine große Summe Geldes, wiewol vergebens, die Verweiſung ſeines Feindes. Denn Demetrie, der davon Nach- richt bekam, verbarg ſich in dem Hauſe eines Paſchas, der nicht allein ihn nebſt ſeinem ganzen Hauſe vierzig Tage lang mit vieler Hoͤflichkeit unterhielte; ſondern auch die Widerrufung des Urtheils auswirkte, und ihm Gelegenheit verſchaffete, mit mehrerem Glanze, als iemals, bey Hofe zu erſcheinen. Dieſes war fuͤr Brankowan ein empfindlicher Schmerz; und er hatte auch gewiſſer- maßen Urſache, alſo zu handeln: denn Demetrie wuͤnſchete ſo ſehnlich, zu dem Fuͤrſtenthume Walachey zu gelangen, daß er das von Moldau zweymal aus- ſchluge; iedoch wurde daſſelbe beydemale, auf ſeine Empfehlung, ſeinem Bruder Antiochus verliehen.
Als ſein Bruder das erſtemal dahin reiſete, um von ſeinem Fuͤrſtenthume1700 Beſitz zu nehmen: ſo begleitete ihn Demetrie, und vermaͤlete ſich damals mit Kaſſandra, einer Tochter Serban Kantakuzenus, der Fuͤrſt in der Walachey geweſen war. Aus dieſer Ehe wurde Demetrie in Moldau eine Tochter geboren. Kurz hierauf war er genoͤthiget, dieſes Land zu verlaſſen, und mit ſeinem Bru- der, der abgeſetzet wurde, nach Conſtantinopel zuruͤck zu kehren; da derſelbe ein Vater von noch vier Toͤchtern und vier Soͤhnen wurde.
Waͤhrend der Zeit, da Demetrie zu Conſtantinopel wohnhaft war, ließ derſelbe, weil er nichts wichtigeres zu thun hatte, ſein Geſchaͤffte ſeyn, ſein Haus zu bauen, und ſich eine Erkenntniß von den Gewohnheiten und Gebraͤuchen des Landes zuwege zu bringen. Hiezu hatte er auch viele Jahre lang Muße; denn er reiſete nicht eher von Conſtantinopel ab, als im Jahre 1710, da der Zar1710 von Rußland, Peter der Große, den Unglaubigen den Krieg ankuͤndigte.
Als
5 O 2
<TEI><text><back><divn="1"><pbfacs="#f0961"n="843"/><fwplace="top"type="header">Demetrie Kantemirs</fw><lb/><p>Nachher befand ſich derſelbe, auf Befehl des oberſten Weßirs, bey der<noteplace="right">1697</note><lb/>
Schlacht von Senta. Weil er aber nur ein Freywilliger war; ſo war er<lb/>
nicht mit in dem Treffen; nahm aber mit den Tuͤrken die Flucht, und kam<lb/>
mit dem Ueberreſte des Heeres nach Conſtantinopel zuruͤck.</p><lb/><p>Brankowan, der ſeine Feindſchaft gegen dieſes Geſchlecht fortſetzte, ver-<lb/>
folgte die zweene Bruͤder aus ſeinen aͤußerſten Kraͤften. Demetrie hatte ſeinen<lb/>
Haß angeflammet, weil derſelbe bey allen Bedienten am Hofe in großem Anſe-<lb/>
hen ſtunde. Er hatte ſich nicht allein der tuͤrkiſchen, ſondern auch der arabiſchen<lb/>
und perſiſchen Sprache bemaͤchtiget; und ſeine Leutſeligkeit und muntere Ge-<lb/>
muͤthsart machte, daß er den beſten Geſellſchaften in der kaiſerlichen Hauptſtadt<lb/>
zum Vergnuͤgen dienete. Weil daher Brankowan glaubte, daß Demetrie die<lb/>
einzige Perſon ſey, die er als ſeinen Nebenbuhler zu fuͤrchten habe: ſo ſparete er<lb/>
weder Muͤhe noch Geld, um zuwege zu bringen, daß er vom Hofe weggeſchaf-<lb/>
fet wuͤrde; und erhielte auch endlich durch eine große Summe Geldes, wiewol<lb/>
vergebens, die Verweiſung ſeines Feindes. Denn Demetrie, der davon Nach-<lb/>
richt bekam, verbarg ſich in dem Hauſe eines Paſchas, der nicht allein ihn<lb/>
nebſt ſeinem ganzen Hauſe vierzig Tage lang mit vieler Hoͤflichkeit unterhielte;<lb/>ſondern auch die Widerrufung des Urtheils auswirkte, und ihm Gelegenheit<lb/>
verſchaffete, mit mehrerem Glanze, als iemals, bey Hofe zu erſcheinen. Dieſes<lb/>
war fuͤr Brankowan ein empfindlicher Schmerz; und er hatte auch gewiſſer-<lb/>
maßen Urſache, alſo zu handeln: denn Demetrie wuͤnſchete ſo ſehnlich, zu dem<lb/>
Fuͤrſtenthume Walachey zu gelangen, daß er das von Moldau zweymal aus-<lb/>ſchluge; iedoch wurde daſſelbe beydemale, auf ſeine Empfehlung, ſeinem Bruder<lb/>
Antiochus verliehen.</p><lb/><p>Als ſein Bruder das erſtemal dahin reiſete, um von ſeinem Fuͤrſtenthume<noteplace="right">1700</note><lb/>
Beſitz zu nehmen: ſo begleitete ihn Demetrie, und vermaͤlete ſich damals mit<lb/>
Kaſſandra, einer Tochter Serban Kantakuzenus, der Fuͤrſt in der Walachey<lb/>
geweſen war. Aus dieſer Ehe wurde Demetrie in Moldau eine Tochter geboren.<lb/>
Kurz hierauf war er genoͤthiget, dieſes Land zu verlaſſen, und mit ſeinem Bru-<lb/>
der, der abgeſetzet wurde, nach Conſtantinopel zuruͤck zu kehren; da derſelbe<lb/>
ein Vater von noch vier Toͤchtern und vier Soͤhnen wurde.</p><lb/><p>Waͤhrend der Zeit, da Demetrie zu Conſtantinopel wohnhaft war, ließ<lb/>
derſelbe, weil er nichts wichtigeres zu thun hatte, ſein Geſchaͤffte ſeyn, ſein Haus<lb/>
zu bauen, und ſich eine Erkenntniß von den Gewohnheiten und Gebraͤuchen<lb/>
des Landes zuwege zu bringen. Hiezu hatte er auch viele Jahre lang Muße;<lb/>
denn er reiſete nicht eher von Conſtantinopel ab, als im Jahre 1710, da der Zar<noteplace="right">1710</note><lb/>
von Rußland, Peter der Große, den Unglaubigen den Krieg ankuͤndigte.<lb/><fwplace="bottom"type="sig">5 O 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Als</fw><lb/></p></div></back></text></TEI>
[843/0961]
Demetrie Kantemirs
Nachher befand ſich derſelbe, auf Befehl des oberſten Weßirs, bey der
Schlacht von Senta. Weil er aber nur ein Freywilliger war; ſo war er
nicht mit in dem Treffen; nahm aber mit den Tuͤrken die Flucht, und kam
mit dem Ueberreſte des Heeres nach Conſtantinopel zuruͤck.
1697
Brankowan, der ſeine Feindſchaft gegen dieſes Geſchlecht fortſetzte, ver-
folgte die zweene Bruͤder aus ſeinen aͤußerſten Kraͤften. Demetrie hatte ſeinen
Haß angeflammet, weil derſelbe bey allen Bedienten am Hofe in großem Anſe-
hen ſtunde. Er hatte ſich nicht allein der tuͤrkiſchen, ſondern auch der arabiſchen
und perſiſchen Sprache bemaͤchtiget; und ſeine Leutſeligkeit und muntere Ge-
muͤthsart machte, daß er den beſten Geſellſchaften in der kaiſerlichen Hauptſtadt
zum Vergnuͤgen dienete. Weil daher Brankowan glaubte, daß Demetrie die
einzige Perſon ſey, die er als ſeinen Nebenbuhler zu fuͤrchten habe: ſo ſparete er
weder Muͤhe noch Geld, um zuwege zu bringen, daß er vom Hofe weggeſchaf-
fet wuͤrde; und erhielte auch endlich durch eine große Summe Geldes, wiewol
vergebens, die Verweiſung ſeines Feindes. Denn Demetrie, der davon Nach-
richt bekam, verbarg ſich in dem Hauſe eines Paſchas, der nicht allein ihn
nebſt ſeinem ganzen Hauſe vierzig Tage lang mit vieler Hoͤflichkeit unterhielte;
ſondern auch die Widerrufung des Urtheils auswirkte, und ihm Gelegenheit
verſchaffete, mit mehrerem Glanze, als iemals, bey Hofe zu erſcheinen. Dieſes
war fuͤr Brankowan ein empfindlicher Schmerz; und er hatte auch gewiſſer-
maßen Urſache, alſo zu handeln: denn Demetrie wuͤnſchete ſo ſehnlich, zu dem
Fuͤrſtenthume Walachey zu gelangen, daß er das von Moldau zweymal aus-
ſchluge; iedoch wurde daſſelbe beydemale, auf ſeine Empfehlung, ſeinem Bruder
Antiochus verliehen.
Als ſein Bruder das erſtemal dahin reiſete, um von ſeinem Fuͤrſtenthume
Beſitz zu nehmen: ſo begleitete ihn Demetrie, und vermaͤlete ſich damals mit
Kaſſandra, einer Tochter Serban Kantakuzenus, der Fuͤrſt in der Walachey
geweſen war. Aus dieſer Ehe wurde Demetrie in Moldau eine Tochter geboren.
Kurz hierauf war er genoͤthiget, dieſes Land zu verlaſſen, und mit ſeinem Bru-
der, der abgeſetzet wurde, nach Conſtantinopel zuruͤck zu kehren; da derſelbe
ein Vater von noch vier Toͤchtern und vier Soͤhnen wurde.
1700
Waͤhrend der Zeit, da Demetrie zu Conſtantinopel wohnhaft war, ließ
derſelbe, weil er nichts wichtigeres zu thun hatte, ſein Geſchaͤffte ſeyn, ſein Haus
zu bauen, und ſich eine Erkenntniß von den Gewohnheiten und Gebraͤuchen
des Landes zuwege zu bringen. Hiezu hatte er auch viele Jahre lang Muße;
denn er reiſete nicht eher von Conſtantinopel ab, als im Jahre 1710, da der Zar
von Rußland, Peter der Große, den Unglaubigen den Krieg ankuͤndigte.
Als
1710
5 O 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 843. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/961>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.