Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte schichtschreibern einigen Unterschied an. Denn sie setzen Osmans Sieg überdie mogulischen Tatarn in das Jahr der Hidschret 698, und also zehen Jahre später hinaus: und dieses halten wir auch für das gewisseste, weil Sädi bey den folgenden Thaten Osmans eben diese Zeitrechnung gebrauchet. eine List der an- dern entgegen, und vertreibet Gewalt mit Ge-walt. 9. Im Jahre der Hidschret 698 wollte Michael, mit dem Beynamen 13 [Diese Begebenheit ist durch einige ir- rige oder außengelassene Umstände sehr un- vollständig und dunkel geworden: daher wird es nicht undienlich seyn, dieselbe hier einzurücken, wie sie von den christlichen Ge- schichtschreibern erzählet wird. Michael Kos- si, Statthalter zu Hirmen Kata, Osmans großer Freund, lädet denselben nebst verschie- denen christlichen Statthaltern der umliegen- den Schlösser zu der Vermälung seiner Toch- ter ein. Osman erwecket durch seine herrli- chen Geschenke an Braut und Bräutigam (welche in dergleichen Fällen üblich sind) den Neid und die Eifersucht dieser Statthalter gegen sich, so daß sie sich zusammen verbin- den, ihn verrätherischer Weise aus dem Wege zu räumen. Der Statthalter zu Biledschiki, der mächtigste unter ihnen, der sich in kurzem mit der Tochter des Befehlhabers zu Dschar- [Spaltenumbruch] hisar vermälen wollte, ersuchet Osman, das Vermälungsfest mit seiner Gegenwart zu be- ehren: vertrauet aber zugleich Kossi ihr Vor- haben, und schicket ihn zu der bestimmten Zeit an Osman, denselben zu der Hochzeit abzuholen. Kossi trifft Osman sehr bereit- willig an, mitzugehen: es schmerzet ihn aber, daß ein so wackerer Mann durch Verrätherey umkommen solle, und entdecket ihm den gan- zen Anschlag. Osman fasset gleich den Ent- schluß, sich zu rächen, und bittet Kossi, dem Statthalter zu sagen: er wollte unfehlbar kommen; weil er aber mit einem benachbar- ten Fürsten im Kriege verwickelt wäre und befürchtete, daß dieser in seiner Abwesenheit einen Einfall vornehmen möchte: so ersuchte er denselben, daß er ihm die Freyheit verstat- ten wollte, seine Schwiegermutter und Ge- malinn, nebst ihren Bedienten und einigen Orte * eigentlich, ein Dünnbärtiger.
Osmaniſche Geſchichte ſchichtſchreibern einigen Unterſchied an. Denn ſie ſetzen Osmans Sieg uͤberdie moguliſchen Tatarn in das Jahr der Hidſchret 698, und alſo zehen Jahre ſpaͤter hinaus: und dieſes halten wir auch fuͤr das gewiſſeſte, weil Saͤdi bey den folgenden Thaten Osmans eben dieſe Zeitrechnung gebrauchet. eine Liſt der an- dern entgegen, und vertreibet Gewalt mit Ge-walt. 9. Im Jahre der Hidſchret 698 wollte Michael, mit dem Beynamen 13 [Dieſe Begebenheit iſt durch einige ir- rige oder außengelaſſene Umſtaͤnde ſehr un- vollſtaͤndig und dunkel geworden: daher wird es nicht undienlich ſeyn, dieſelbe hier einzuruͤcken, wie ſie von den chriſtlichen Ge- ſchichtſchreibern erzaͤhlet wird. Michael Koſ- ſi, Statthalter zu Hirmen Kata, Osmans großer Freund, laͤdet denſelben nebſt verſchie- denen chriſtlichen Statthaltern der umliegen- den Schloͤſſer zu der Vermaͤlung ſeiner Toch- ter ein. Osman erwecket durch ſeine herrli- chen Geſchenke an Braut und Braͤutigam (welche in dergleichen Faͤllen uͤblich ſind) den Neid und die Eiferſucht dieſer Statthalter gegen ſich, ſo daß ſie ſich zuſammen verbin- den, ihn verraͤtheriſcher Weiſe aus dem Wege zu raͤumen. Der Statthalter zu Biledſchiki, der maͤchtigſte unter ihnen, der ſich in kurzem mit der Tochter des Befehlhabers zu Dſchar- [Spaltenumbruch] hiſar vermaͤlen wollte, erſuchet Osman, das Vermaͤlungsfeſt mit ſeiner Gegenwart zu be- ehren: vertrauet aber zugleich Koſſi ihr Vor- haben, und ſchicket ihn zu der beſtimmten Zeit an Osman, denſelben zu der Hochzeit abzuholen. Koſſi trifft Osman ſehr bereit- willig an, mitzugehen: es ſchmerzet ihn aber, daß ein ſo wackerer Mann durch Verraͤtherey umkommen ſolle, und entdecket ihm den gan- zen Anſchlag. Osman faſſet gleich den Ent- ſchluß, ſich zu raͤchen, und bittet Koſſi, dem Statthalter zu ſagen: er wollte unfehlbar kommen; weil er aber mit einem benachbar- ten Fuͤrſten im Kriege verwickelt waͤre und befuͤrchtete, daß dieſer in ſeiner Abweſenheit einen Einfall vornehmen moͤchte: ſo erſuchte er denſelben, daß er ihm die Freyheit verſtat- ten wollte, ſeine Schwiegermutter und Ge- malinn, nebſt ihren Bedienten und einigen Orte * eigentlich, ein Duͤnnbaͤrtiger.
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Osmaniſche Geſchichte
ſchichtſchreibern einigen Unterſchied an. Denn ſie ſetzen Osmans Sieg uͤber
die moguliſchen Tatarn in das Jahr der Hidſchret 698, und alſo zehen Jahre
ſpaͤter hinaus: und dieſes halten wir auch fuͤr das gewiſſeſte, weil Saͤdi bey
den folgenden Thaten Osmans eben dieſe Zeitrechnung gebrauchet.
9. Im Jahre der Hidſchret 698 wollte Michael, mit dem Beynamen
Kjoͤſe, das iſt Geißbart *, Fuͤrſt der Stadt Biledſchiki, ſeiner Tochter Beyla-
ger halten, und ließ Osman, als ſeinen Freund und Goͤnner, dazu einladen.
Hiebey machten die andern griechiſchen Fuͤrſten ingeheim Anſtalt, ſich Osmans
bey dieſer Gelegenheit zu bemaͤchtigen. Allein, dieſer verraͤtheriſche Anſchlag
wurde Osman durch vertraute Bedienten von ſeinem getreuen Michael eroͤff-
net. Osman thut, als wenn er nichts von dem Vorhaben wuͤßte, und beſchlie-
ßet, dieſer Liſt eine andere entgegen zu ſetzen. Er giebt daher Befehl, daß etli-
che hundert Soldaten ſich nahe an dem Platze verſtecken ſollen: und waͤhrend der
Zeit ſollen vierzig wohl bewaffnete junge Leute, als Weibsperſonen verkleidet,
zu Abendszeit ſich in das Schloß Dſcharhiſar einſchleichen, und in der Nacht
die Haͤuſer um daſſelbe herum in Brand ſtecken. Osman erſcheinet indeſſen
bey den uͤbrigen Gaͤſten mit ganz wenigem Gefolge zu Chakirbing-ar, einem
Orte
¹³ [Dieſe Begebenheit iſt durch einige ir-
rige oder außengelaſſene Umſtaͤnde ſehr un-
vollſtaͤndig und dunkel geworden: daher
wird es nicht undienlich ſeyn, dieſelbe hier
einzuruͤcken, wie ſie von den chriſtlichen Ge-
ſchichtſchreibern erzaͤhlet wird. Michael Koſ-
ſi, Statthalter zu Hirmen Kata, Osmans
großer Freund, laͤdet denſelben nebſt verſchie-
denen chriſtlichen Statthaltern der umliegen-
den Schloͤſſer zu der Vermaͤlung ſeiner Toch-
ter ein. Osman erwecket durch ſeine herrli-
chen Geſchenke an Braut und Braͤutigam
(welche in dergleichen Faͤllen uͤblich ſind) den
Neid und die Eiferſucht dieſer Statthalter
gegen ſich, ſo daß ſie ſich zuſammen verbin-
den, ihn verraͤtheriſcher Weiſe aus dem Wege
zu raͤumen. Der Statthalter zu Biledſchiki,
der maͤchtigſte unter ihnen, der ſich in kurzem
mit der Tochter des Befehlhabers zu Dſchar-
hiſar vermaͤlen wollte, erſuchet Osman, das
Vermaͤlungsfeſt mit ſeiner Gegenwart zu be-
ehren: vertrauet aber zugleich Koſſi ihr Vor-
haben, und ſchicket ihn zu der beſtimmten
Zeit an Osman, denſelben zu der Hochzeit
abzuholen. Koſſi trifft Osman ſehr bereit-
willig an, mitzugehen: es ſchmerzet ihn aber,
daß ein ſo wackerer Mann durch Verraͤtherey
umkommen ſolle, und entdecket ihm den gan-
zen Anſchlag. Osman faſſet gleich den Ent-
ſchluß, ſich zu raͤchen, und bittet Koſſi, dem
Statthalter zu ſagen: er wollte unfehlbar
kommen; weil er aber mit einem benachbar-
ten Fuͤrſten im Kriege verwickelt waͤre und
befuͤrchtete, daß dieſer in ſeiner Abweſenheit
einen Einfall vornehmen moͤchte: ſo erſuchte
er denſelben, daß er ihm die Freyheit verſtat-
ten wollte, ſeine Schwiegermutter und Ge-
malinn, nebſt ihren Bedienten und einigen
ihrer
H. 698.
J. C. 1298.
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