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Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.

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Osmanische Geschichte
einen reitenden Boten an den Zar Bericht ein. Indem er nun auf Antwort
wartet: so gehen die türkischen Truppen bey Nachtzeit, etwas weiter unter-
halb, ohne Widerstand über den Fluß, und umringen seine Völker mit ihrer
Reiterey. In dieser Noth kommt ein Moldauer bey ihm an, mit Befehle
von dem Zare, in dessen Lager zurück zu kommen. Hierauf stellet Janus
seine Truppen in ein Viereck, ziehet sich langsam zurück, und wehret sich
gegen die unzählige Macht des Feindes auf das tapferste, so oft er von
ihm angefallen wird.

Kantemir
kommt ihnen
mit seinen
Völkern zuHülfe.
40.

Als derselbe nicht weit mehr von dem Lager entfernet ist,
und der Feind ihm heftig zusetzet: so kommt der Fürst von Moldau,
Kantemir, ihm mit seinen Völkern zu Hülfe, widerstehet sechszig tausend
Mann türkischer und tatarischer Reiterey drey ganze Stunden lang, und
kommt wieder in das Lager bey Stanilesti zurück.

Der Zar ver-
ändert sein La-
ger, wegen der
nachtheiligenLage des Orts.
41.

Weil aber der Zar sich in einer solchen Lage befande, daß er
weder seine Glieder öffnen, noch wegen der feindlichen Truppen und des
Mangels an Lebensmitteln, weiter vorwärts rücken konnte: so änderte
er seinen Entschluß. Er ließ daher in der zweyten Stunde der Nacht
die ledigen und überflüssigen Wägen in Brand stecken, weil doch das
ganze Lager nicht von den Soldaten fortgebracht werden konnte, und zog
sich mit seinem Heere gegen den Hügel Rabie zurück.

Der Feind bil-
det sich ein, die
Russen wären
geflohen, und
fället dieselben
mit großer Hef-tigkeit an.
42.

Als die Türken bey anbrechendem Tage sehen, daß die Rus-
sen ihr Lager verlassen hatten; und sich einbilden, daß dieselben die Flucht
genommen hätten: so folgen sie ihnen mit der größten Eilfertigkeit nach,
und trachten mit ihrer ganzen Macht, sie auf ihrem Zuge aufzuhal-
ten. Weil aber dieses nicht angehen will, und sie merken, daß die Rus-
sen um Mittage schon an dem bestimmten Orte angelanget waren:
so lagern sie sich ebenfals an beyden Seiten des Flusses, und beun-
ruhigen den Feind denselben Tag mit beständigen, iedoch leichten Schar-
mützeln.

Der Weßir
umringet das
russische Lager,
und bestürmet
dasselbe mitgroßer Hitze.
43.

Am folgenden Tage kommt der Weßir mit den Jeng-itscheri
und dem besten Theile des Heeres heran gezogen, und beschießet das
feindliche Lager mit vier hundert und siebenzig Stücken: darauf die Jeng-
itscheri auf die Russen einen heftigen Sturm thun, und denselben sieben
mal mit großer Hitze wiederholen. Die Russen, ungeachtet dieselben

nicht

Osmaniſche Geſchichte
einen reitenden Boten an den Zar Bericht ein. Indem er nun auf Antwort
wartet: ſo gehen die tuͤrkiſchen Truppen bey Nachtzeit, etwas weiter unter-
halb, ohne Widerſtand uͤber den Fluß, und umringen ſeine Voͤlker mit ihrer
Reiterey. In dieſer Noth kommt ein Moldauer bey ihm an, mit Befehle
von dem Zare, in deſſen Lager zuruͤck zu kommen. Hierauf ſtellet Janus
ſeine Truppen in ein Viereck, ziehet ſich langſam zuruͤck, und wehret ſich
gegen die unzaͤhlige Macht des Feindes auf das tapferſte, ſo oft er von
ihm angefallen wird.

Kantemir
kommt ihnen
mit ſeinen
Voͤlkern zuHuͤlfe.
40.

Als derſelbe nicht weit mehr von dem Lager entfernet iſt,
und der Feind ihm heftig zuſetzet: ſo kommt der Fuͤrſt von Moldau,
Kantemir, ihm mit ſeinen Voͤlkern zu Huͤlfe, widerſtehet ſechszig tauſend
Mann tuͤrkiſcher und tatariſcher Reiterey drey ganze Stunden lang, und
kommt wieder in das Lager bey Stanileſti zuruͤck.

Der Zar ver-
aͤndert ſein La-
ger, wegen der
nachtheiligenLage des Orts.
41.

Weil aber der Zar ſich in einer ſolchen Lage befande, daß er
weder ſeine Glieder oͤffnen, noch wegen der feindlichen Truppen und des
Mangels an Lebensmitteln, weiter vorwaͤrts ruͤcken konnte: ſo aͤnderte
er ſeinen Entſchluß. Er ließ daher in der zweyten Stunde der Nacht
die ledigen und uͤberfluͤſſigen Waͤgen in Brand ſtecken, weil doch das
ganze Lager nicht von den Soldaten fortgebracht werden konnte, und zog
ſich mit ſeinem Heere gegen den Huͤgel Rabie zuruͤck.

Der Feind bil-
det ſich ein, die
Ruſſen waͤren
geflohen, und
faͤllet dieſelben
mit großer Hef-tigkeit an.
42.

Als die Tuͤrken bey anbrechendem Tage ſehen, daß die Ruſ-
ſen ihr Lager verlaſſen hatten; und ſich einbilden, daß dieſelben die Flucht
genommen haͤtten: ſo folgen ſie ihnen mit der groͤßten Eilfertigkeit nach,
und trachten mit ihrer ganzen Macht, ſie auf ihrem Zuge aufzuhal-
ten. Weil aber dieſes nicht angehen will, und ſie merken, daß die Ruſ-
ſen um Mittage ſchon an dem beſtimmten Orte angelanget waren:
ſo lagern ſie ſich ebenfals an beyden Seiten des Fluſſes, und beun-
ruhigen den Feind denſelben Tag mit beſtaͤndigen, iedoch leichten Schar-
muͤtzeln.

Der Weßir
umringet das
ruſſiſche Lager,
und beſtuͤrmet
daſſelbe mitgroßer Hitze.
43.

Am folgenden Tage kommt der Weßir mit den Jeng-itſcheri
und dem beſten Theile des Heeres heran gezogen, und beſchießet das
feindliche Lager mit vier hundert und ſiebenzig Stuͤcken: darauf die Jeng-
itſcheri auf die Ruſſen einen heftigen Sturm thun, und denſelben ſieben
mal mit großer Hitze wiederholen. Die Ruſſen, ungeachtet dieſelben

nicht
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[768/0882] Osmaniſche Geſchichte einen reitenden Boten an den Zar Bericht ein. Indem er nun auf Antwort wartet: ſo gehen die tuͤrkiſchen Truppen bey Nachtzeit, etwas weiter unter- halb, ohne Widerſtand uͤber den Fluß, und umringen ſeine Voͤlker mit ihrer Reiterey. In dieſer Noth kommt ein Moldauer bey ihm an, mit Befehle von dem Zare, in deſſen Lager zuruͤck zu kommen. Hierauf ſtellet Janus ſeine Truppen in ein Viereck, ziehet ſich langſam zuruͤck, und wehret ſich gegen die unzaͤhlige Macht des Feindes auf das tapferſte, ſo oft er von ihm angefallen wird. 40. Als derſelbe nicht weit mehr von dem Lager entfernet iſt, und der Feind ihm heftig zuſetzet: ſo kommt der Fuͤrſt von Moldau, Kantemir, ihm mit ſeinen Voͤlkern zu Huͤlfe, widerſtehet ſechszig tauſend Mann tuͤrkiſcher und tatariſcher Reiterey drey ganze Stunden lang, und kommt wieder in das Lager bey Stanileſti zuruͤck. 41. Weil aber der Zar ſich in einer ſolchen Lage befande, daß er weder ſeine Glieder oͤffnen, noch wegen der feindlichen Truppen und des Mangels an Lebensmitteln, weiter vorwaͤrts ruͤcken konnte: ſo aͤnderte er ſeinen Entſchluß. Er ließ daher in der zweyten Stunde der Nacht die ledigen und uͤberfluͤſſigen Waͤgen in Brand ſtecken, weil doch das ganze Lager nicht von den Soldaten fortgebracht werden konnte, und zog ſich mit ſeinem Heere gegen den Huͤgel Rabie zuruͤck. 42. Als die Tuͤrken bey anbrechendem Tage ſehen, daß die Ruſ- ſen ihr Lager verlaſſen hatten; und ſich einbilden, daß dieſelben die Flucht genommen haͤtten: ſo folgen ſie ihnen mit der groͤßten Eilfertigkeit nach, und trachten mit ihrer ganzen Macht, ſie auf ihrem Zuge aufzuhal- ten. Weil aber dieſes nicht angehen will, und ſie merken, daß die Ruſ- ſen um Mittage ſchon an dem beſtimmten Orte angelanget waren: ſo lagern ſie ſich ebenfals an beyden Seiten des Fluſſes, und beun- ruhigen den Feind denſelben Tag mit beſtaͤndigen, iedoch leichten Schar- muͤtzeln. 43. Am folgenden Tage kommt der Weßir mit den Jeng-itſcheri und dem beſten Theile des Heeres heran gezogen, und beſchießet das feindliche Lager mit vier hundert und ſiebenzig Stuͤcken: darauf die Jeng- itſcheri auf die Ruſſen einen heftigen Sturm thun, und denſelben ſieben mal mit großer Hitze wiederholen. Die Ruſſen, ungeachtet dieſelben nicht

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Zitationshilfe: Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745, S. 768. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/cantemir_geschichte_1745/882>, abgerufen am 22.11.2024.