Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.Osmanische Geschichte seine schlechte Anführung in dem Zuge gegen die Tscherkassier über dreyßig tau-send Tatarn eingebüßet; sondern auch die Empörung der Kosaken unter Ma- seppa veranlasset, indem er ihnen im Namen des osmanischen Hofes die Frey- heit und Beystand versprochen habe. Nachdem der Sultan diese Nachricht erhalten hatte: so lässet er den Weßir zu sich berufen, und fraget ihn; was für Briefe an den Chan der Tatarey wegen des den Schweden zu leistenden Bey- standes abgelassen worden seyen. Der Weßir leugnet es, daß einige dießfals ergangen seyen, und behauptet, es sey eine Erdichtung von dem Chan. Der Sultan argwohnet die Sache, wie sie sich in der That verhielte: er schicket da- her ingeheim einen getreuen Boten an Kaplan Gjiraj nach Janopel, und erkun- diget sich bey demselben, ob er einen solchen Brief an Maseppa geschrieben habe. Kaplan Gjiraj, der da glaubet, daß er des Weßirs Zorn nicht zu fürchten habe, bekennet die Wahrheit frey heraus, daß er dem Hetman der Kosaken derglei- chen Versprechen gethan habe; es sey aber auf des Weßirs Befehl geschehen. Weil der Sultan solchergestalt von der Beschaffenheit der Sache unterrichtet ist: so lässet er den Weßir abermals vor sich fordern, bestrafet ihn wegen seines falschen Vorgebens, und saget im Zorne zu demselben; "dergleichen Briefe "hätte man während des Stillstandes nicht abgehen lassen sollen: wenn sie "aber einmal abgelassen worden wären; so hätte man dieselben nicht zurück "ziehen, noch den König von Schweden betriegen, und solchergestalt die Ehre "des osmanischen Reiches und die Treue der Müsülmanen vor den Unglaubi- "gen schänden sollen." von dem Amte des Weßirs ab- gesetzet, und Kjü- prili Numan Pa- scha kommt anseine Stelle. 20. Der Sultan setzet daher Tschorlüli Ali Pascha von dem Weßiramte 7 Kjüprili Numan] Ein Mann, der wegen seiner Gerechtigkeit, Gelehrtheit und Gottseligkeit unter den Türken sehr berühmt war; aber weder in bürgerlichen noch Kriegs- sachen die mindeste Erfahrung hatte. Denn sein Vater, der große und so oft mit Ruhme erwähnte Kjüprili Mustäfa Pascha, hatte alle seine Söhne mehr in der Gelehrtheit, als in der Erkenntniß der Statsgeschäffte, erzie- hen lassen; in der Absicht, damit sie Ehren- ämter und Hofbedienungen (die, wie ihm wohl bewußt war, mit großer Gefahr ver- knüpfet sind) verachten, dagegen sich dem [Spaltenumbruch] geistlichen Stande widmen, und solchergestalt ihr künftiges Leben frey von Furcht vor dem Beile oder einem andern gewaltsamen Tode zubringen möchten. In diesem Stande würden auch dieselben geblieben seyn, wenn nicht ihr Anverwandter, Husejn Pascha, ge- wesen wäre. Dieser zog sie aus demselben hervor, und erhob dieselben, ungeachtet sie noch jung waren, zu den höchsten Ehrenstel- len an dem osmanischen Hofe. Weil aber Numan Pascha, ehe Husejn Pascha zu dem Weßiramte gelangte, groß geworden und in der tiefsinnigen Gelehrtheit der Araber un- der
Osmaniſche Geſchichte ſeine ſchlechte Anfuͤhrung in dem Zuge gegen die Tſcherkaſſier uͤber dreyßig tau-ſend Tatarn eingebuͤßet; ſondern auch die Empoͤrung der Koſaken unter Ma- ſeppa veranlaſſet, indem er ihnen im Namen des osmaniſchen Hofes die Frey- heit und Beyſtand verſprochen habe. Nachdem der Sultan dieſe Nachricht erhalten hatte: ſo laͤſſet er den Weßir zu ſich berufen, und fraget ihn; was fuͤr Briefe an den Chan der Tatarey wegen des den Schweden zu leiſtenden Bey- ſtandes abgelaſſen worden ſeyen. Der Weßir leugnet es, daß einige dießfals ergangen ſeyen, und behauptet, es ſey eine Erdichtung von dem Chan. Der Sultan argwohnet die Sache, wie ſie ſich in der That verhielte: er ſchicket da- her ingeheim einen getreuen Boten an Kaplan Gjiraj nach Janopel, und erkun- diget ſich bey demſelben, ob er einen ſolchen Brief an Maſeppa geſchrieben habe. Kaplan Gjiraj, der da glaubet, daß er des Weßirs Zorn nicht zu fuͤrchten habe, bekennet die Wahrheit frey heraus, daß er dem Hetman der Koſaken derglei- chen Verſprechen gethan habe; es ſey aber auf des Weßirs Befehl geſchehen. Weil der Sultan ſolchergeſtalt von der Beſchaffenheit der Sache unterrichtet iſt: ſo laͤſſet er den Weßir abermals vor ſich fordern, beſtrafet ihn wegen ſeines falſchen Vorgebens, und ſaget im Zorne zu demſelben; “dergleichen Briefe “haͤtte man waͤhrend des Stillſtandes nicht abgehen laſſen ſollen: wenn ſie “aber einmal abgelaſſen worden waͤren; ſo haͤtte man dieſelben nicht zuruͤck “ziehen, noch den Koͤnig von Schweden betriegen, und ſolchergeſtalt die Ehre “des osmaniſchen Reiches und die Treue der Muͤſuͤlmanen vor den Unglaubi- “gen ſchaͤnden ſollen.„ von dem Amte des Weßirs ab- geſetzet, und Kjuͤ- prili Numan Pa- ſcha kommt anſeine Stelle. 20. Der Sultan ſetzet daher Tſchorluͤli Ali Paſcha von dem Weßiramte 7 Kjuͤprili Numan] Ein Mann, der wegen ſeiner Gerechtigkeit, Gelehrtheit und Gottſeligkeit unter den Tuͤrken ſehr beruͤhmt war; aber weder in buͤrgerlichen noch Kriegs- ſachen die mindeſte Erfahrung hatte. Denn ſein Vater, der große und ſo oft mit Ruhme erwaͤhnte Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha, hatte alle ſeine Soͤhne mehr in der Gelehrtheit, als in der Erkenntniß der Statsgeſchaͤffte, erzie- hen laſſen; in der Abſicht, damit ſie Ehren- aͤmter und Hofbedienungen (die, wie ihm wohl bewußt war, mit großer Gefahr ver- knuͤpfet ſind) verachten, dagegen ſich dem [Spaltenumbruch] geiſtlichen Stande widmen, und ſolchergeſtalt ihr kuͤnftiges Leben frey von Furcht vor dem Beile oder einem andern gewaltſamen Tode zubringen moͤchten. In dieſem Stande wuͤrden auch dieſelben geblieben ſeyn, wenn nicht ihr Anverwandter, Huſejn Paſcha, ge- weſen waͤre. Dieſer zog ſie aus demſelben hervor, und erhob dieſelben, ungeachtet ſie noch jung waren, zu den hoͤchſten Ehrenſtel- len an dem osmaniſchen Hofe. Weil aber Numan Paſcha, ehe Huſejn Paſcha zu dem Weßiramte gelangte, groß geworden und in der tiefſinnigen Gelehrtheit der Araber un- der
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Osmaniſche Geſchichte
ſeine ſchlechte Anfuͤhrung in dem Zuge gegen die Tſcherkaſſier uͤber dreyßig tau-
ſend Tatarn eingebuͤßet; ſondern auch die Empoͤrung der Koſaken unter Ma-
ſeppa veranlaſſet, indem er ihnen im Namen des osmaniſchen Hofes die Frey-
heit und Beyſtand verſprochen habe. Nachdem der Sultan dieſe Nachricht
erhalten hatte: ſo laͤſſet er den Weßir zu ſich berufen, und fraget ihn; was fuͤr
Briefe an den Chan der Tatarey wegen des den Schweden zu leiſtenden Bey-
ſtandes abgelaſſen worden ſeyen. Der Weßir leugnet es, daß einige dießfals
ergangen ſeyen, und behauptet, es ſey eine Erdichtung von dem Chan. Der
Sultan argwohnet die Sache, wie ſie ſich in der That verhielte: er ſchicket da-
her ingeheim einen getreuen Boten an Kaplan Gjiraj nach Janopel, und erkun-
diget ſich bey demſelben, ob er einen ſolchen Brief an Maſeppa geſchrieben habe.
Kaplan Gjiraj, der da glaubet, daß er des Weßirs Zorn nicht zu fuͤrchten habe,
bekennet die Wahrheit frey heraus, daß er dem Hetman der Koſaken derglei-
chen Verſprechen gethan habe; es ſey aber auf des Weßirs Befehl geſchehen.
Weil der Sultan ſolchergeſtalt von der Beſchaffenheit der Sache unterrichtet iſt:
ſo laͤſſet er den Weßir abermals vor ſich fordern, beſtrafet ihn wegen ſeines
falſchen Vorgebens, und ſaget im Zorne zu demſelben; “dergleichen Briefe
“haͤtte man waͤhrend des Stillſtandes nicht abgehen laſſen ſollen: wenn ſie
“aber einmal abgelaſſen worden waͤren; ſo haͤtte man dieſelben nicht zuruͤck
“ziehen, noch den Koͤnig von Schweden betriegen, und ſolchergeſtalt die Ehre
“des osmaniſchen Reiches und die Treue der Muͤſuͤlmanen vor den Unglaubi-
“gen ſchaͤnden ſollen.„
20. Der Sultan ſetzet daher Tſchorluͤli Ali Paſcha von dem Weßiramte
ab, und erhebet Kjuͤprili Ogli Numan
⁷
Paſcha an ſeine Stelle; einen Mann,
der
⁷ Kjuͤprili Numan] Ein Mann, der
wegen ſeiner Gerechtigkeit, Gelehrtheit und
Gottſeligkeit unter den Tuͤrken ſehr beruͤhmt
war; aber weder in buͤrgerlichen noch Kriegs-
ſachen die mindeſte Erfahrung hatte. Denn
ſein Vater, der große und ſo oft mit Ruhme
erwaͤhnte Kjuͤprili Muſtaͤfa Paſcha, hatte
alle ſeine Soͤhne mehr in der Gelehrtheit, als
in der Erkenntniß der Statsgeſchaͤffte, erzie-
hen laſſen; in der Abſicht, damit ſie Ehren-
aͤmter und Hofbedienungen (die, wie ihm
wohl bewußt war, mit großer Gefahr ver-
knuͤpfet ſind) verachten, dagegen ſich dem
geiſtlichen Stande widmen, und ſolchergeſtalt
ihr kuͤnftiges Leben frey von Furcht vor dem
Beile oder einem andern gewaltſamen Tode
zubringen moͤchten. In dieſem Stande
wuͤrden auch dieſelben geblieben ſeyn, wenn
nicht ihr Anverwandter, Huſejn Paſcha, ge-
weſen waͤre. Dieſer zog ſie aus demſelben
hervor, und erhob dieſelben, ungeachtet ſie
noch jung waren, zu den hoͤchſten Ehrenſtel-
len an dem osmaniſchen Hofe. Weil aber
Numan Paſcha, ehe Huſejn Paſcha zu dem
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