Dimitrie [Moldau, Woiwode], (Cantemir, Dimitrie): Geschichte des osmanischen Reichs nach seinem Anwachse und Abnehmen. Hamburg, 1745.22. Mustäfa der II und einem Roßschweife; außer noch einer großen Anzahl des bey den türkischenLägern gewöhnlichen Trosses: so daß man die ganze Anzahl der Erschlagenen füglich über dreyßig tausend Mann rechnen kann 25. bey der Hand hat. Wenn es ihm an diesen mangelt: so muß er sich hüten, daß er den Türken nicht einmal ins Angesicht kommt. Denn der Muth wächset ihnen nicht allein, wann sie gewahr werden, daß der Feind furchtsam ist, oder zurück weichet; sondern sie fechten auch viel tapferer. Und wenn sie merken, daß niemand vorhanden ist, der das Herz hat sie zu verfolgen, wann sie auch schon fliehen: so fangen sie manchmal das Gefecht von neuem an. Wenn aber ein Feldherr weis, daß er es mit ihnen aufnehmen kann und mit allem Nothwendigen versehen ist: so kann er nur kühnlich kommen und ihnen vor das An- gesicht treten. Jedoch soll er nicht gleich am ersten Tage sich mit ihnen einlassen; sondern zweene oder drey Tage auf einer Stelle blei- ben, ohne sich zu bewegen. Denn fast alle türkischen Soldaten kommt bey dem ersten Anblicke des Feindes eine brennende Begierde an, mit demselben anzubinden; so daß sie wie die Löwen von freyen Stücken zu dem Tref- fen rennen, und kaum von den Tschawschen können zurück gehalten werden. Wann aber der andere oder dritte Tag vorbey ist: so ver- ringert sich diese unmäßige Hitze; und wenn sie noch länger aufgehalten werden, ohne fech- ten zu dürfen: so wird dieselbe so kalt, daß man sie zum Fechten treiben muß. Es ist sicherer, den ersten Angriff von ihnen zu er- warten, als sie in ihren Gliedern anzufallen. Denn wenn sie angegriffen werden: so fech- ten sie in besserer Ordnung und vertheidigen sich mit mehrerer Vorsichtigkeit; außer die- sem richtet auch das Geschütz, das sie allezeit zwischen ihre vördersten Glieder stellen, eine große Niederlage bey denen an, die den ersten [Spaltenumbruch] Angriff auf sie thun. Wenn man aber im Gegentheile den Angriff von ihnen erwartet; und sollte auch derselbe noch so hitzig gesche- hen und mit noch so gräßlichem Geschreye begleitet seyn: so sind sie doch gleich in Un- ordnung, und können bey dem Laufen ihre Glieder nicht halten; daher werden sie durch das Feuer aus den Musketen leicht zurück getrieben. Und diese sind auch die einzigen Werkzeuge, damit man den Sieg gegen sie erhalten und ihre osmanische Wut brechen kann. Denn wenn sie einmal dazu kommen, daß sie mit den Christen handgemein werden: so richten sie eine entsetzliche Niederlage unter ihnen an; weil dieser ihre Palasche an Schärfe den türkischen Säbeln nicht beykommen. Wann aber die Christen wahrnehmen, daß sie weichen, und daß ihr Muth abnimmt: so müssen sie nicht stille stehen; denn dieses wer- den die Feinde als ein Zeichen der Furcht ansehen; sondern sie müssen mit langsamen Schritten gegen das feindliche Lager anrücken. So bald die zurückweichenden Jeng-itscheri dieses sehen: so werden sie ihr ganzes Lager mit dem verwirrten Geschreye erfüllen; Gjawr gjeldi, die Unglaubigen kommen her- an. Dieses machet die übrigen von dem Heere verzagt, und ist die erste Stuffe dazu, daß die Feinde den Sieg davon tragen. Die Jeng-itscheri zwar geben hierauf nicht gleich alles verloren; sondern werden von ih- ren Befehlhabern angehalten, das Treffen von neuem anzufangen. Wann sie nun herankommen: so müssen die Christen diesel- ben mit einem unaufhörlichen Feuer empfan- gen, und sie zurück treiben, ehe sie sich nähern können. Wenn dieses glücket: so sind sie 57. Der
22. Muſtaͤfa der II und einem Roßſchweife; außer noch einer großen Anzahl des bey den tuͤrkiſchenLaͤgern gewoͤhnlichen Troſſes: ſo daß man die ganze Anzahl der Erſchlagenen fuͤglich uͤber dreyßig tauſend Mann rechnen kann 25. bey der Hand hat. Wenn es ihm an dieſen mangelt: ſo muß er ſich huͤten, daß er den Tuͤrken nicht einmal ins Angeſicht kommt. Denn der Muth waͤchſet ihnen nicht allein, wann ſie gewahr werden, daß der Feind furchtſam iſt, oder zuruͤck weichet; ſondern ſie fechten auch viel tapferer. Und wenn ſie merken, daß niemand vorhanden iſt, der das Herz hat ſie zu verfolgen, wann ſie auch ſchon fliehen: ſo fangen ſie manchmal das Gefecht von neuem an. Wenn aber ein Feldherr weis, daß er es mit ihnen aufnehmen kann und mit allem Nothwendigen verſehen iſt: ſo kann er nur kuͤhnlich kommen und ihnen vor das An- geſicht treten. Jedoch ſoll er nicht gleich am erſten Tage ſich mit ihnen einlaſſen; ſondern zweene oder drey Tage auf einer Stelle blei- ben, ohne ſich zu bewegen. Denn faſt alle tuͤrkiſchen Soldaten kommt bey dem erſten Anblicke des Feindes eine brennende Begierde an, mit demſelben anzubinden; ſo daß ſie wie die Loͤwen von freyen Stuͤcken zu dem Tref- fen rennen, und kaum von den Tſchawſchen koͤnnen zuruͤck gehalten werden. Wann aber der andere oder dritte Tag vorbey iſt: ſo ver- ringert ſich dieſe unmaͤßige Hitze; und wenn ſie noch laͤnger aufgehalten werden, ohne fech- ten zu duͤrfen: ſo wird dieſelbe ſo kalt, daß man ſie zum Fechten treiben muß. Es iſt ſicherer, den erſten Angriff von ihnen zu er- warten, als ſie in ihren Gliedern anzufallen. Denn wenn ſie angegriffen werden: ſo fech- ten ſie in beſſerer Ordnung und vertheidigen ſich mit mehrerer Vorſichtigkeit; außer die- ſem richtet auch das Geſchuͤtz, das ſie allezeit zwiſchen ihre voͤrderſten Glieder ſtellen, eine große Niederlage bey denen an, die den erſten [Spaltenumbruch] Angriff auf ſie thun. Wenn man aber im Gegentheile den Angriff von ihnen erwartet; und ſollte auch derſelbe noch ſo hitzig geſche- hen und mit noch ſo graͤßlichem Geſchreye begleitet ſeyn: ſo ſind ſie doch gleich in Un- ordnung, und koͤnnen bey dem Laufen ihre Glieder nicht halten; daher werden ſie durch das Feuer aus den Musketen leicht zuruͤck getrieben. Und dieſe ſind auch die einzigen Werkzeuge, damit man den Sieg gegen ſie erhalten und ihre osmaniſche Wut brechen kann. Denn wenn ſie einmal dazu kommen, daß ſie mit den Chriſten handgemein werden: ſo richten ſie eine entſetzliche Niederlage unter ihnen an; weil dieſer ihre Palaſche an Schaͤrfe den tuͤrkiſchen Saͤbeln nicht beykommen. Wann aber die Chriſten wahrnehmen, daß ſie weichen, und daß ihr Muth abnimmt: ſo muͤſſen ſie nicht ſtille ſtehen; denn dieſes wer- den die Feinde als ein Zeichen der Furcht anſehen; ſondern ſie muͤſſen mit langſamen Schritten gegen das feindliche Lager anruͤcken. So bald die zuruͤckweichenden Jeng-itſcheri dieſes ſehen: ſo werden ſie ihr ganzes Lager mit dem verwirrten Geſchreye erfuͤllen; Gjawr gjeldi, die Unglaubigen kommen her- an. Dieſes machet die uͤbrigen von dem Heere verzagt, und iſt die erſte Stuffe dazu, daß die Feinde den Sieg davon tragen. Die Jeng-itſcheri zwar geben hierauf nicht gleich alles verloren; ſondern werden von ih- ren Befehlhabern angehalten, das Treffen von neuem anzufangen. Wann ſie nun herankommen: ſo muͤſſen die Chriſten dieſel- ben mit einem unaufhoͤrlichen Feuer empfan- gen, und ſie zuruͤck treiben, ehe ſie ſich naͤhern koͤnnen. Wenn dieſes gluͤcket: ſo ſind ſie 57. Der
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22. Muſtaͤfa der II
und einem Roßſchweife; außer noch einer großen Anzahl des bey den tuͤrkiſchen
Laͤgern gewoͤhnlichen Troſſes: ſo daß man die ganze Anzahl der Erſchlagenen
fuͤglich uͤber dreyßig tauſend Mann rechnen kann
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57. Der
bey der Hand hat. Wenn es ihm an dieſen
mangelt: ſo muß er ſich huͤten, daß er den
Tuͤrken nicht einmal ins Angeſicht kommt.
Denn der Muth waͤchſet ihnen nicht allein,
wann ſie gewahr werden, daß der Feind
furchtſam iſt, oder zuruͤck weichet; ſondern
ſie fechten auch viel tapferer. Und wenn ſie
merken, daß niemand vorhanden iſt, der das
Herz hat ſie zu verfolgen, wann ſie auch ſchon
fliehen: ſo fangen ſie manchmal das Gefecht
von neuem an. Wenn aber ein Feldherr weis,
daß er es mit ihnen aufnehmen kann und mit
allem Nothwendigen verſehen iſt: ſo kann er
nur kuͤhnlich kommen und ihnen vor das An-
geſicht treten. Jedoch ſoll er nicht gleich am
erſten Tage ſich mit ihnen einlaſſen; ſondern
zweene oder drey Tage auf einer Stelle blei-
ben, ohne ſich zu bewegen. Denn faſt alle
tuͤrkiſchen Soldaten kommt bey dem erſten
Anblicke des Feindes eine brennende Begierde
an, mit demſelben anzubinden; ſo daß ſie wie
die Loͤwen von freyen Stuͤcken zu dem Tref-
fen rennen, und kaum von den Tſchawſchen
koͤnnen zuruͤck gehalten werden. Wann aber
der andere oder dritte Tag vorbey iſt: ſo ver-
ringert ſich dieſe unmaͤßige Hitze; und wenn
ſie noch laͤnger aufgehalten werden, ohne fech-
ten zu duͤrfen: ſo wird dieſelbe ſo kalt, daß
man ſie zum Fechten treiben muß. Es iſt
ſicherer, den erſten Angriff von ihnen zu er-
warten, als ſie in ihren Gliedern anzufallen.
Denn wenn ſie angegriffen werden: ſo fech-
ten ſie in beſſerer Ordnung und vertheidigen
ſich mit mehrerer Vorſichtigkeit; außer die-
ſem richtet auch das Geſchuͤtz, das ſie allezeit
zwiſchen ihre voͤrderſten Glieder ſtellen, eine
große Niederlage bey denen an, die den erſten
Angriff auf ſie thun. Wenn man aber im
Gegentheile den Angriff von ihnen erwartet;
und ſollte auch derſelbe noch ſo hitzig geſche-
hen und mit noch ſo graͤßlichem Geſchreye
begleitet ſeyn: ſo ſind ſie doch gleich in Un-
ordnung, und koͤnnen bey dem Laufen ihre
Glieder nicht halten; daher werden ſie durch
das Feuer aus den Musketen leicht zuruͤck
getrieben. Und dieſe ſind auch die einzigen
Werkzeuge, damit man den Sieg gegen ſie
erhalten und ihre osmaniſche Wut brechen
kann. Denn wenn ſie einmal dazu kommen,
daß ſie mit den Chriſten handgemein werden:
ſo richten ſie eine entſetzliche Niederlage unter
ihnen an; weil dieſer ihre Palaſche an Schaͤrfe
den tuͤrkiſchen Saͤbeln nicht beykommen.
Wann aber die Chriſten wahrnehmen, daß ſie
weichen, und daß ihr Muth abnimmt: ſo
muͤſſen ſie nicht ſtille ſtehen; denn dieſes wer-
den die Feinde als ein Zeichen der Furcht
anſehen; ſondern ſie muͤſſen mit langſamen
Schritten gegen das feindliche Lager anruͤcken.
So bald die zuruͤckweichenden Jeng-itſcheri
dieſes ſehen: ſo werden ſie ihr ganzes Lager
mit dem verwirrten Geſchreye erfuͤllen;
Gjawr gjeldi, die Unglaubigen kommen her-
an. Dieſes machet die uͤbrigen von dem
Heere verzagt, und iſt die erſte Stuffe dazu,
daß die Feinde den Sieg davon tragen.
Die Jeng-itſcheri zwar geben hierauf nicht
gleich alles verloren; ſondern werden von ih-
ren Befehlhabern angehalten, das Treffen
von neuem anzufangen. Wann ſie nun
herankommen: ſo muͤſſen die Chriſten dieſel-
ben mit einem unaufhoͤrlichen Feuer empfan-
gen, und ſie zuruͤck treiben, ehe ſie ſich naͤhern
koͤnnen. Wenn dieſes gluͤcket: ſo ſind ſie
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